Generaldebatte Regierung: Top oder Flop?
Wenn es ums Geld geht, geht's auch immer um die großen Linien der Politik. Beim traditionellen Schlagabtausch zwischen Opposition und Koalition in der Haushaltswoche teilten die Chefs der Fraktionen ordentlich aus.
Ruhestand in Sicht
Die Tage der Bundeskanzlerin sind gezählt. Nachdem Dr. Angela Merkel (CDU) kürzlich ihren Rückzug vom Chefposten ihrer Partei bekanntgegeben hat, ist klar: Eine weitere Legislaturperiode mit dieser Kanzlerin wird es nicht geben. Am 21. November trat Merkel nun in dieser neuen Gemengelage ans Rednerpult im Bundestag. Offizieller Anlass waren die Beratungen über den Bundeshaushalt 2019, ganz konkret das Budget des Kanzleramtes als Teil des Haushalts.
Der Schlagabtausch
Es ist eine alte Tradition im Parlament, dass es bei diesen Beratungen nicht wirklich um die Euros geht, die für Personal oder anderes direkt ins Kanzleramt fließen, sondern um die Politik der Bundesregierung im Allgemeinen. Generalaussprache nennt sich der dann übliche Schlagabtausch zwischen Regierungskoalition und Opposition. Und traditionell sprechen dabei vor dem Plenum vor allem die Chefs der Fraktionen.
AfD: Kritik und Rechtfertigung
Die AfD eröffnete als größte Oppositionspartei die Debatte. Dr. Alice Weidel meinte, die Bundesregierung betreibe "eine Politik der Spaltung und der Unvernunft, eine Politik des Ausgabenwahns und der falschen Prioritäten". Der Wohlstand werde bedenkenlos verschleudert. Die AfD-Politikerin kritisierte den Atomausstieg, den Kohleausstieg, eine "hochgejubelte Elektromobilität" und den "Krieg gegen den Verbrennungsmotor".
Weidel widmete längere Zeit ihrer Rede der Spendenpraxis ihrer Partei. Der Hintergrund: Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat wegen einer Wahlkampfspende aus der Schweiz Ermittlungen gegen die AfD-Fraktionsvorsitzende eingeleitet. Weidel gestand Fehler ein, wies jedoch auch Vorwürfe zurück und konterte mit Hinweisen auf frühere Spendenaffären anderer Parteien.
Kanzlerin: "Auf gutem Weg"
Die Kanzlerin zählte auf, was die Große Koalition bisher geleistet habe. Von Entlastung der Familien ist die Rede, vom Baukindergeld, vom neuen Kita-Gesetz, vom Wohnungsgipfel, von Weichenstellung bei der Rente, der Pflege, bei der Digitalisierung. Wir stünden dabei in einem "wahnsinnigen globalen Wettbewerb" – und Deutschland dürfe sich nicht von den USA und China, den führenden Technologienationen, die Butter vom Brot nehmen lassen, fordert die Kanzlerin sinngemäß.
Der Wettbewerb müsse so gestaltet werden, dass der Mensch im Mittelpunkt stehe und nicht die Technik den Menschen beherrsche. Man sei bei der Infrastruktur wie Mobilfunk und schnellem Internet auf einem guten Weg. Merkel sicherte auch eine weitere Förderung der künstlichen Intelligenz zu. Deutschland sei in einzelnen Punkten spitze, aber der Anspruch müsse sein: "Wir wollen wieder überall Weltklasse sein."
Merkel für Migrationspakt
Die Kanzlerin bekannte sich klar zu dem auch in ihrer Fraktion umstrittenen und von der AfD abgelehnten UN-Migrationspakt. Ziel dieses Abkommens, über das im Dezember rund 180 Staaten abstimmen werden, ist – vereinfacht gesagt – Folgendes: Das weltweite Phänomen Migration anzuerkennen und in geordnete Bahnen zu lenken.
Merkel erklärte, der Pakt sei keine Gefahr für Deutschland, sondern der Versuch, "ein globales Problem international zu lösen". Den Kritikern vor allem in den Reihen der AfD rief sie zu: "Entweder man gehört zu denen, die glauben, sie können alles alleine lösen und müssen nur an sich denken. Das ist Nationalismus in reinster Form. Das ist kein Patriotismus. Denn Patriotismus ist, wenn man im deutschen Interesse auch andere mit einbezieht."
FDP: Migrationspakt gut, Haushalt schlecht
Unterstützung fanden Merkels Aussagen zum Migrationspakt bei FDP-Chef Christian Lindner. Sicher sei der Pakt umstritten, "aber es ist besser, den Pakt zu haben als nicht". Der Pakt dürfe jetzt nicht an "Desinformationen" scheitern. Wenig Gutes hatte Lindner über den Haushaltsplan zu sagen. Er warf der Regierung vor, zu viele Geschenke zu verteilen ("Baukindergeld, Mütterrente, Brückenteilzeit") und nicht dafür zu sorgen, dass die Ausgaben künftig auch finanziert werden können.
SPD: Europa muss besser werden
SPD-Chefin Nahles nahm ein ganz anderes Problem in den Blick: den Brexit. Vom Bundestag müsse ein Signal ausgehen, "dass die europäische Einigung durch den Brexit nicht ins Stocken geraten wird", so Nahles. Dafür müsse Deutschland zusammen mit Frankreich und anderen Partnern sorgen und "mehr Zusammenarbeit wagen".
Für den Haushalt hatte die SPD-Chefin lobende Worte. Sie hob die 155 Milliarden Euro umfassenden Investitionen hervor, das nütze der Wirtschaft. Zur Erklärung: Investitionen sind Aufwendung für etwas, das zukünftig einen besonderen Nutzen bringen soll. Ein Teil davon, das erwähnte Nahles ausdrücklich, soll in die Digitalisierung fließen, besonders an den Schulen.
Linke: Rüstungslobby ist zufrieden
Die Vorsitzenden der Linken-Fraktion, Dr. Sahra Wagenknecht, sieht diese Investitionen allerdings teilweise fehlgeleitet. Angesichts der steigenden Ausgaben für Rüstung wollte sie wissen: "Meinen Sie wirklich, dass zufriedene Rüstungslobbyisten wichtiger sind als zufriedene Wähler?" Auf der anderen Seite sei die Regierung aber nicht in der Lage, alte Menschen vor Armut zu schützen, allen Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen und ländliche Regionen mit schnellem Internet zu versorgen. An vielen Menschen gehe das Wachstum seit Jahren vorbei, wer in arme Verhältnisse geboren werde, komme da nicht mehr raus.
Grüne: "Große Selbsthilfegruppe"
Grünen-Chef Anton Hofreiter sah die Erfolgsliste der Kanzlerin skeptisch. Er meinte, die Koalition drehe sich trotz der gewaltigen Aufgaben hauptsächlich um sich selbst. "Wir erleben eine Koalition, die als große Selbsthilfegruppe vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und schon lange nicht mehr mit den Fragen und den Nöten der Menschen", sagte er und "die SPD sitzt da wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange."
Inhaltlich argumentierte Hofreiter für "mehr Gerechtigkeit" und "Chancengleichheit". Dafür brauche es seiner Meinung nach eine Kindergrundsicherung, ein Ende der Spekulationen mit Immobilien, strengere Regeln für Banken sowie andere Steuern, etwa für Digitalkonzerne.
Wollt ihr die Chefs in Höchstform erleben? Dann könnt ihr euch das Debatten-Video auch nochmal in der Mediathek anschauen.
(DBT/ah)