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Schule „Wir brauchen die Sommerferien“

Für manche Schüler geht die Schule jetzt wieder los. Für andere ist noch unklar, wann es weitergeht. Oliver Kaczmarek (SPD) aus dem Bildungsausschuss über Abitur-Prüfungen, kreative Lehrmethoden und Masken auf dem Pausenhof.

Porträt des Abgeordneten Oliver Kaczmarek

„Jeder, der jetzt trotz der erschwerten Umstände seinen Abschluss macht, kann stolz auf sich sein“, sagt Oliver Kaczmarek. Foto: Thomas Köhler/photothek.de

Letzte Woche haben Bund und Länder beschlossen, dass die Schulen ab 4. Mai „schrittweise“ wieder öffnen sollen. Was heißt das genau?

Erst mal sollen die Jahrgänge als erste wieder in die Schule gehen können, die kurz vor dem Abschluss oder vor dem Übergang an die weiterbildende Schule stehen. So werden wir erste Erfahrungen sammeln, wie die Abstandsregeln eingehalten werden können. Daraus können die jüngeren Jahrgänge lernen, wenn sie dann auch wieder anfangen.

Wie sehen die Regeln jetzt konkret aus? Werden wir auf absehbare Zeit mit Schutzmasken in die Schule gehen und auf dem Pausenhof nur mit 1,50 Meter Abstand miteinander sprechen dürfen?

Die Bundesländer haben inzwischen eine Maskenpflicht für den öffentlichen Nahverkehr und in weiten Teilen auch für den Einzelhandel erlassen. Auch für die Schule ist es grundsätzlich sinnvoll, eine Maske zu tragen, weil man sich und andere Menschen besser vor Infektionen schützen kann. Auch die Abstandsregeln müssen natürlich eingehalten werden. Das bedeutet 1,50 bis 2 Meter Abstand zwischen den Plätzen im Klassenzimmer und auch auf dem Pausenhof.

Die Bundesländer haben in den letzten Wochen nicht nur bei den Masken unterschiedliche Entscheidungen getroffen, sondern auch was Schulschließungen, Prüfungen und Wiedereröffnungen angeht. Wären bundesweite Regelungen besser?

Ich hätte mir gewünscht, dass die Länder sich besser miteinander verständigen und sich dann vor allem auch an das halten, was vereinbart wurde. Wir haben jetzt beobachtet, dass die Länder sich abgesprochen haben und dann doch jedes Bundesland die Vereinbarungen unterschiedlich auslegt.

Grundsätzlich denke ich aber schon, dass die Schulen vor Ort entscheiden können, wie sie am besten vorgehen. Dafür braucht es nicht unbedingt eine Bundesregelung. Unterschiedliche Zeitpläne, zum Beispiel bei den Abiturprüfungen, ergeben sich ja auch automatisch aus den unterschiedlichen Ferienzeiten. Manche Bundesländer gehen schon Ende Juni in die Sommerferien, andere erst im August.

Abschlussprüfungen wie das Abitur finden zum Teil jetzt schon statt. Haben die Schüler, die jetzt ihren Abschluss machen, einen Nachteil gegenüber anderen Jahrgängen?

Es ist vollkommen klar, dass die Vorbereitungen auf das Abitur und andere Abschlussprüfungen derzeit schwerer sind als in anderen Jahrgängen. Die Lehrerinnen und Lehrer konnten sich nicht so gut um die Schüler kümmern, die mehr Unterstützung brauchen. Das muss man berücksichtigen – und dazu sind die Lehrkräfte auch angehalten. Auf der anderen Seite kann jeder, der jetzt trotz der erschwerten Umstände seinen Abschluss macht, auch stolz auf sich sein. Das ist schon eine besondere Leistung.

Wird es für alle Klassenstufen gelingen, den Stoff der letzten Wochen so nachzuholen, dass alle Schüler mitkommen – auch die, die vielleicht zuhause nicht so gut lernen konnten?

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Schulen bemühen sich ja sehr, dass die Schülerinnen und Schüler jetzt weiterlernen, obwohl sie nicht zur Schule gehen. Das ist schon mal wertvoll. Ich fände es schön, wenn in diesen Zeiten Schülerinnen und Schüler auch verstärkt voneinander lernen würden. Aber natürlich muss das Wichtigste auch gemeinsam in der Schule nachgeholt werden.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat eine Verkürzung der Sommerferien ins Gespräch gebracht. Eine gute Idee?

Ich denke nicht, nein. Wir erleben gerade eine sehr angespannte Zeit, die von allen viel verlangt, von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, von Lehrerinnen und Lehrern. Deshalb glaube ich, dass wir unbedingt in den Sommerferien eine Phase der Erholung brauchen.

Wie sieht es mit den Hochschulen aus? Wann werden Studenten ihr Studium regulär fortsetzen können?

Im neuen Semester, das gerade startet, haben die Hochschulen ja schon weitgehend auf digitalen Lehrbetrieb umgestellt. Da wird viel experimentiert, da werden neue Wege beschritten. Es wird sicher nicht alles sofort perfekt funktionieren, deshalb sollte dieses Semester nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet werden. Aber ich erwarte mir davon, dass es ganz viele neue Impulse gibt.

In der Krise ist sehr deutlich geworden, dass die Schulen in Sachen Digitalisierung sehr, sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Was tun?

Da sind die Schulen in der Tat sehr unterschiedlich vorgegangen. Es ist aber auch viel Kreativität freigesetzt worden. Mir ist wichtig, dass wir in einem ersten Schritt mal versuchen, das zu erfassen und zu systematisieren: Was ist gut gelaufen? Wovon können andere Schulen lernen? Ich glaube, es wird in Zukunft mehr digital unterstütztes Lernen geben aufgrund der aktuellen Erfahrungen. Wir müssen aber dafür sorgen, dass dann auch alle Schülerinnen und Schüler entsprechende Geräte und Zugang zum Netz haben – auch die, deren Eltern sich das nicht leisten können. Und wir müssen für Lehrerinnen und Lehrer ganz neue Fortbildungen schaffen, damit sie die Möglichkeiten auch nutzen können.

Welche anderen Lehren sollten wir für den Bildungsbereich aus der Corona-Krise ziehen?

Ich glaube, die Digitalisierung ist tatsächlich die größte Herausforderung. Da haben wir jetzt auch wirklich die Defizite deutlich gesehen – in anderen Ländern ist man in dem Bereich schon wesentlich weiter. Eine weitere Herausforderung ist, dass wir die Erfahrungen der Krise wirklich nutzen und daraus lernen, dass die Kreativität dieser Zeit nicht verloren geht. Und ganz generell hoffe ich, dass die Krise uns vor Augen geführt hat, wie wichtig die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern und auch von Erzieherinnen und Erziehern ist.

Über Oliver Kaczmarek

Oliver Kaczmarekt, 49, war Oberregierungsrat im Schulministerium in Nordrhein-Westfahlen, bevor er 2009 für die SPD in den Bundestag einzog. Er ist Obmann im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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