Workshop für junge Medienmacher Online-Meetings mit dem Bundestag
Beim digitalen Jugendmedienworkshop des Bundestages trafen junge Medienmacher Politiker, Beamte, Wissenschaftler und Journalisten. Über das Thema „Stadt, Land, Flucht?!“ schreiben sie jetzt Beiträge. Mitmischen-Autorin Irina war dabei.
Videoschalten gehören zum Pandemiealltag wie die Maske und das Abstandhalten. Statt in Gesichter schaut man dabei in die Wohnzimmer fremder Menschen, sieht Küchen, Fotowände oder vollgestopfte Bücherregale. So auch an diesem Montag Mitte März, dem ersten Tag des 17. Jugendmedienworkshops des Parlaments. Als um 11 Uhr die Vorstellungsrunde beginnt, fügen sich auf dem Bildschirm 22 kleine Gesichter-Kacheln zu einem bunten Schachbrett zusammen.
Normalerweise reisen die rund zwei Dutzend Jugendlichen für die Veranstaltung zum Deutschen Bundestag nach Berlin – dieses Mal kommt er zu ihnen. Via Bildschirm in die heimischen vier Wände, in die Kleinstadt an der Elbe oder etwa zur Mainmetropole Frankfurt.
Der Jugendmedienworkshop
Gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und der Jugendpresse Deutschland lädt der Bundestag Medienschaffende im Alter von 16 bis 20 Jahren einmal im Jahr ein, damit sie einen Blick hinter die Kulissen des Parlaments werfen und sich gemeinsam ein politisches Thema erarbeiten können. Ziel des Jugendmedienworkshops ist es zu zeigen, wie das Parlament funktioniert und wie Abgeordnete arbeiten sowie die Medienkompetenz junger Menschen zu fördern.
Eine pralle Woche liegt vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, in der sie mit Parlaments-Profis aus der Verwaltung reden werden, mit Abgeordneten diskutieren können, Presse- und Kommunikationsexperten des Bundestages treffen und von Expertinnen jede Menge Fachwissen rund um das diesjährige Workshop-Thema erhalten: „Stadt, Land, Flucht?! Lebens- und Wohnräume heute und in Zukunft“.
Fragen stellen und nach Antworten suchen
Eine der Teilnehmerinnen ist die 18-jährige Lima aus Minden. Die Abiturientin macht zurzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr bei einem Jugendmedienverband. Sie mag Journalismus, denn: „man stellt sich immer wieder Fragen, sucht nach Antworten und gibt das gewonnene Wissen an andere weiter.“
Und genau darum geht es auch beim Jugendmedienworkshop. Ihre Erkenntnisse veröffentlichen die Jugendlichen in Form von Artikeln, Interviews und Kommentaren in einer Ausgabe des Lehrmagazins „politikorange“. Betreut werden sie dabei von einem Redaktionsteam der Jugendpresse, mit dem sie in digitalen Redaktionssitzungen an ihren Beitragsideen feilen.
Wachsende Städte, schrumpfende Dörfer
Wieso platzen einige Städte aus allen Nähten, während ländliche Regionen schrumpfen? Und wer wohnt eigentlich wo? Lena Reibstein vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sowie Soziologin Claudia Rau sorgen an Tag eins für eine Menge Input.
Top-Thema Studentisches Wohnen
So arbeitet das Parlament
Kurze Pause, Sound- und Videocheck. Und weiter geht’s – mit einem Blick hinter die Kulissen des Bundestages. Wie kommt ein Parlament damit klar, wenn eine Flut an Gesetzentwürfen und Anträgen zu bearbeiten sind? Außerdem die Frage: Welche Rolle hat der Deutsche Bundestag heute? Das alles erfahren die jungen Medienmacher vom Leiter des Parlamentssekretariats, Thomas Hadamek.
Der hat in dieser Wahlperiode ziemlich viel zu tun: Noch ein halbes Jahr bis zur Wahl und schon jetzt habe der Bundestag doppelt so viele Vorlagen angenommen und bearbeitet wie in der gesamten Legislaturperiode davor: rund 27.500. Bevor eine Vorlage, wie zum Beispiel ein Gesetzentwurf oder ein Antrag, im Bundestag behandelt wird, wird sie zunächst im Parlamentssekretariat geprüft und bekommt eine Nummer.
Recht haben reicht nicht
Erwartet haben viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor allem neue Eindrücke, Meinungen und Blickwinkel, erzählen sie in den Pausen. So wie die 18-jährige Anna. Die Schülerin aus Traunstein in Bayern war während der Recherche für ein Zeitungsprojekt auf den Workshop gestoßen. An Politik und Journalismus reizt sie vor allem die Aktualität und die Möglichkeit, im Gespräch den eigenen Horizont zu erweitern.
Gelegenheit dazu bietet die Gesprächsrunde mit der Schirmherrin der Veranstaltung, Bundestagsvizepräsidentin Dagmar Ziegler. Die SPD-Abgeordnete kennt Stadt wie Land aus eigener Anschauung. Ihr ländlich geprägter Wahlkreis liegt im Nordwesten Brandenburgs, gleichzeitig lebt Ziegler in Berlin. „Was bedeuten für Sie gleichwertige Lebensbedingungen?“, will eine Teilnehmerin wissen. Zieglers Antwort: „Die Grundversorgung muss an jedem Ort gewährleistet sein.“ Kulturelle Angebote zählten dabei ebenso dazu wie der Hausarzt in der Nähe und Kitas sowie Grundschulen.
Und welche Rolle spielt der ÖPNV? Wie kann Wohnen ökologischer werden? Und warum muss in Deutschland alles so kompliziert sein? Die Fragen der Jugendlichen sind mindestens so vielfältig, wie die Orte, aus denen sie zugeschaltet sind. Außer Antworten gibt ihnen Ziegler auch noch einen Tipp mit auf den Weg: „Seien Sie immer offen, seien Sie neugierig auf neue Erfahrungen und Eindrücke, die andere Ihnen mitteilen.“ Und vor allem: „Recht haben reicht nicht.“ Es gehe darum, Recht zu bekommen und dafür brauche es Mehrheiten.
Jugendliche diskutieren mit Abgeordneten
Wie sieht die Arbeit in den Ausschüssen des Bundestages aus? Und wo unterscheiden sich die Positionen der Fraktionen beim Workshop-Thema? Darüber sprechen die Jugendlichen mit Mitgliedern zweier Ausschüsse: dem Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen sowie dem Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur.
„Die Ausschüsse haben vor allem die Aufgabe, Entscheidungen, die im Plenum getroffen werden, vorzubereiten“, erklärt der Grünen-Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur Cem Özdemir. (Mehr über den Bauausschuss erfahrt ihr im Interview mit der Vorsitzenden Mechthild Heil von der CDU/CSU-Fraktion).
Auf dem Bildschirm und aus ihren Wahlkreisen zugeschaltet sind Michael Donth (CDU/CSU), Kirsten Lühmann (SPD), Oliver Luksic (FDP), Andreas Wagner (Die Linke) und Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grünen). In Drei-Minuten-Statements sagen sie, was ihnen wichtig ist. Die Themen reichen von der sogenannten Mietpreisbremse über Radverkehr in der Stadt bis hin zu schnellem Internet und App-gesteuerten Fahrdiensten. Digitale Handzeichen, Mikro auf, und los geht's mit der Fragerunde.
Ein echtes Highlight, findet Mohamed-Amin, 18 Jahre, aus Frankfurt am Main, „da wir hier durch rege Diskussion in spannende Situationen gekommen sind, die wohl jeder mit der Politik von heute assoziieren würde.“ Damit meint er: Redezeit überziehen, telefonieren während andere reden oder Kopfschütteln. Der Schüler, der bei der Jugendpresse Hessen im geschäftsführenden Vorstand sitzt, hat auf dem Bildschirm alles sehr genau verfolgt.
Jetzt geht’s ans Schreiben
Zahlreiche Video-Schalten liegen am Freitag hinter den Jugendlichen. „Den ganzen Tag in Online-Meetings zu sitzen ist zwar anstrengend, das war es aber wert“, sagt Lima. Für sie und die anderen heißt es diese Woche: Schreib-Phase. Bis Freitag haben sie Zeit, um an ihren Beiträgen zu arbeiten. Danach geht die Magazinausgabe in den Druck. Auf Papier und zum Anfassen – so dass vom Jugendmedienworkshop mehr als nur Screenshots bleiben.