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Forschung Neue Gen-Superkraft?

Lou Antoinette Godvliet

In China kamen 2018 womöglich die ersten Designerbabys zur Welt – und sorgten weltweit für einen Skandal. Wie weit dürfen Forscher in der Gentechnik gehen? Diese Frage führt aktuell auch im Bundestag zu Diskussionen. Lou Antoinette hat sich schlau gemacht.

Frau arbeitet im Labor

Können wir bald dank Gentechnik schlimme Krankheiten heilen? © dpa

Babydesign made in China

In China kamen im November besondere Zwillinge auf die Welt, die für viel Aufregung rund um den Globus sorgten. Grund dafür ist die Aussage eines Forschers, der behauptet, er habe die Gene der Mädchen bei der künstlichen Befruchtung manipuliert.

Nun sollen die beiden immun gegen den Aidserreger HIV sein. Angeblich haben die Forscher dabei die sogenannte Gen-Schere CRISPR/Cas9 für das Experiment verwendet. Die weltweite Empörung war groß: Genmanipulierte Menschen, das ist immer noch ein Tabu.

Debatte in Deutschland

Auch im Bundestag sorgte der Vorfall für große Diskussionen, befördert auch durch einen Antrag der FDP mit dem Titel "Technologischen Fortschritt nicht aufhalten – Neue Verfahren in der Gentherapie einsetzen". Tenor: Wir sollten in Deutschland stärker auf die Chancen neuer Verfahren blicken und "ideologiefrei" an die Sache herangehen. "Mutmaßliche Verfehlungen wie die des chinesischen Forschers dürfen nicht zu einer generellen Verteufelung von Ansätzen wie CRISPR/Cas führen", formulierte Mario Brandenburg (FDP) in der Debatte. Doch dazu später mehr.

Rot oder grün

Doch worum geht es überhaupt genau? Gene enthalten das Erbgut eines Lebewesens und können gezielt manipuliert werden, und zwar mithilfe von diversen Verfahren. Bei der grünen Gentechnik geht es um die Veränderung von Pflanzen, so dass diese zum Beispiel seltener Krankheiten bekommen und eine größere Ernte bringen.

Bei der roten Gentechnik geht es um die Entschlüsselung und/oder Veränderung von Erbmaterial in der Medizin und der biomedizinischen Forschung. Dazu gehören vor allem gentechnisch hergestellte Medikamente oder Impfstoffe, Gentests, um Krankheiten zu entdecken oder auch um Versuche, Menschen mit Hilfe von Gentheraphie oder Genscheren zu heilen.

Die Genschere

Das Verfahren CRISPR/Cas9 wird auch "Gen-Schere" genannt. Der Grund: Es kann die DNA, also die Moleküle, in denen die Erbinformationen verankert sind, an einer gewünschten Stelle trennen. Es ist mit dem Verfahren aber auch möglich, neue Abschnitte in die DNA einzufügen oder ein Gen zu deaktivieren. Das ist vor allem dann hilfreich, wenn ein bestimmtes Gen verantwortlich ist für eine Krankheit oder Störung, die das Leben des betroffenen Organismus negativ beeinflusst. Indem das Gen verändert oder "ausgeschaltet" wird, kann sich diese Krankheit oder Störung gar nicht erst entwickeln.

Auf dem Teller

Gentechnik begegnet uns heute schon im Alltag. Obwohl seit 2012 in Deutschland keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden dürfen (Ausnahme: Forschung), können diese unter bestimmten Bedingungen trotzdem importiert werden. Darunter fallen zum Beispiel Sojabohnen, Raps und Mais. Ein Großteil dieser Pflanzen wird vor allem als Tierfutter genutzt. Wenn sie weiterverarbeitet werden – zum Beispiel zu Rapsöl oder Tofu – sind sie aber auch für die menschliche Ernährung erlaubt.

Der Mensch als Schöpfer?

Robuste Pflanzen und das Ende todbringender Krankheiten? Auch wenn die Ziele unter Umständen erstrebenswert klingen, stecken einige Verfahren der Gentechnik noch voller Risiken. Das CRISPR/Cas9 etwa ist noch nicht perfekt, es können ungewollte Mutationen (also zufällige genetische Veränderung) auftreten. Diese Nebeneffekte sind unvorhersehbar und auch Langzeitfolgen müssen noch untersucht werden, da die veränderten Merkmale über Generationen hinweg weitergegeben werden können.

Ethisch stellt sich für den Bereich der roten Gentechnik die Frage: Darf der Mensch in die Evolution eingreifen – besonders, wenn es um ihn selbst geht? Und wenn ja, wie weit darf man gehen? Die Antworten fallen je nach Weltanschauung und Religion anders aus.

Der Supermensch?

AIDS zu verhindern klingt sinnvoll, das werden wenige bestreiten. Aber sollte auch Dickleibigkeit oder die Zuckerkrankheit ausgeschlossen werden? Wäre es nicht auch schöner, wenn mein Kind blaue Augen hätte und nicht dieselben Allergien bekäme wie ich? Am Ende dieser Entwicklung stünde der perfekte Supermensch aus dem Baukasten – aber wer kann sich anmaßen, zu bestimmen, wie dieser nun genau sein soll?

Welche Gesetze?

Das deutsche Gentechnikgesetz (GenTG) bildet einen rechtlichen Rahmen für die Forschung und Nutzung der Gentechnik. Das GenTG bezieht sich bisher ausschließlich auf die gentechnische Arbeit mit Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen wie Viren und Bakterien.

Geht es um den Einsatz gewisser Verfahren der Gentechnik beim Menschen, wären eine ganze Reihe anderer Gesetze im Bereich Medizin betroffen. Ob dort Änderungen nötig oder wünschenswert sind, war unter den Experten im Bundestag umstritten.

Komplizierte Sache

Die Diskussion im Plenum zeigte für Außenstehende, wie kompliziert die Materie ist. Es ging hauptsächlich um drei Bereiche:


• die grüne Gentechnik,
• die rote Gentechnik mit Veränderungen an Ei- und Samenzellen, die über Generationen vererbt werden können (Fachbegriff Keimbahnintervention, nicht erlaubt in Deutschland)
• und die rote Gentechnik mit Therapien, die nur den behandelten Menschen betreffen und keinen Einfluss auf die Nachkommen haben. Fachleute sprechen in diesem Fall von der sogenannten somatischen Gentherapie.

FDP: Konkurrenz aus dem Ausland

Alle Fraktionen waren sich einig: Der chinesische Forscher habe Grenzen überschritten. Ein Eingriff in die sogenannte Keimbahn von Embryonen und somit das vererben der gentechnischen Veränderungen sei Tabu.

Die Liberalen forderten gleichwohl, "die Chancen vor den Risiken in der Entwicklung der Humangenetik zu sehen". Sie fürchten eine "Überregulierung" durch zu strenge Gesetze, die der Gesundheitsförderung und den neuen Technologien im Wege stehen könnte. Mario Brandenburg äußerte die Sorge, dass die Amerikaner oder Chinesen die Genindustrie dominieren könnten und Deutschland nur noch Konsument sei und keine eigene Gestaltung mehr möglich wäre.

Union: Ja, aber...

Stephan Albani (CDU/CSU) betonte, Chancen und Risiken müssten gleichermaßen bewertet werden. Seine Fraktion teile die Begeisterung für neue gentechnische Verfahren, warne jedoch auch vor Fehlern und Risiken "auf der Zielgeraden". Albani signalisierte, seine Fraktion werden den Antrag ablehnen, da er der Union zu weit gehe.

AfD: Ethische Aspekte wichtig

Dr. Götz Frömming (AfD) begrüßte grundsätzlich den Antrag der FDP-Fraktion und sagte, bei somatischen Gentherapieansätzen, zum Beispiel in der Krebstherapie, sei man an der Seite der Liberalen. Kritisch sah er Eingriffe in die Keimbahn des Menschen, dort stünden "ethische Aspekte zunächst an erster Stelle".

SPD: Viele Fragen offen

René Rösepl (SPD) sprach sich gegen den Antrag der FDP aus, dieser sei zu unpräzise, wenn es um die zentralen ethischen Fragen gehe. Ihm sei etwa die Position der FDP nicht klar, wenn es um Eingriffe in die Keimbahn gehe. All dies müsste nun im Ausschuss diskutiert werden.

Linke und Grüne: Weltweit einigen!

Dr. Petra Sitte (Die Linke) zeigte sich offen für die somatische Gentherapie, meinte jedoch, dass dazu kein Gesetz geändert werden müsste. Sie warnte vor nationalen Alleingängen und forderte internationale Vereinbarungen.

Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) forderte ebenfalls ethische Standards auf der Ebene der Vereinten Nationen (UN). Sie verwies zudem auf ausstehende Berichte des Deutschen Ethikrates und des Büros für Technikfolgenabschätzung. Den Teil des FDP-Wahlslogans "Bedenken second" kritisierte Christmann.

Der Antrag wird jetzt im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung weiter diskutiert. Das Video der Debatte findet ihr hier.

Lou Antoinette Godvliet

Mitmischen-Autorin

Lou Antoinette Godvliet

Psychologiestudentin aus Wuppertal

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