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Organspende Jede Sekunde zählt

Maximilian Gerhards

Jeden kann es treffen: Man braucht die Niere, Leber oder etwa das Herz eines verstorbenen Menschen, um selbst weiter leben zu können. Doch gibt es zu wenige Spender. Denn wer keinen Organspendeausweis hat, kommt nicht in Frage. Das könnte sich demnächst ändern.

Was in diesem Spezialbehälter wohl drin ist? Vermutlich wird es Leben retten. © dpa

Zahl der Spender steigt

Die Zahl der Organspender in Deutschland ist 2018 leicht gestiegen. Bis Oktober 2018 konnten 2.340 gespendete Organe erfolgreich transplantiert werden. Im gesamten Jahr 2017 waren es gut 300 weniger. Doch weiterhin warten sehr viele Menschen auf Spenderorgane wie Herz, Leber und Niere. Es kommen stetig weitere hinzu.

Am 14. Februar haben nun alle Fraktionen bis auf die der AfD als ersten Schritt einer Änderung des sogenannten Transplantationsgesetzes zugestimmt. Das Transplantationsgesetz regelt seit 1997 die Spende, Entnahme und das Übertragen von menschlichen Organen, Organteilen und Geweben in den Krankenhäusern.

Drei sterben pro Tag

Zehntausend – so viele schwerkranke Menschen warten in Deutschland derzeit auf ein Spenderorgan. Für viele dauert das Warten zu lange. Jeden Tag sterben im Schnitt drei Menschen, weil sie nicht rechtzeitig eine neue Niere, ein Herz oder etwa eine Lunge transplantiert bekommen. Um das zu ändern, hat der Bundestag am 14. Februar eine Gesetzesänderung beschlossen – und diskutiert außerdem darüber, wie man mehr Menschen dazu bringen kann, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen.

Was gilt zurzeit?

Wie ist es aktuell geregelt, wenn ein Mensch auf ein Organ wartet? Momentan gilt die sogenannte Entscheidungslösung. Wer möchte, kann sich aktiv dafür entscheiden, nach dem Tod Organe anderen Menschen zu spenden. Es ist auch möglich, nur bestimmte Organe zu spenden oder Angehörige zu benennen, die im Fall der Fälle darüber bestimmen sollen. Diese Entscheidung ist freiwillig.

Wer sich entschieden hat, dokumentiert das auf einem Organspendeausweis und trägt diesen fortan bei sich. 35 Prozent der Deutschen haben das Kärtchen in der Tasche. Hat jemand keinen Ausweis, werden nach dem Tod die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person gefragt.

Das Gehirn muss tot sein

Organe können erst entnommen werden, wenn ein Arzt den Gehirntod festgestellt hat. Dann wird der restliche Organismus durch intensive Maßnahmen künstlich aufrechterhalten, um die Entnahme von Organen möglich zu machen. Lebendspenden gibt es in Deutschland nur bei Nieren oder Teilen der Leber, ganz selten auch Teilen der Lunge, des Dünndarms oder der Bauchspeicheldrüse – und nur unter strengen Auflagen.

Das Gehirn muss tot sein

Organe können erst entnommen werden, wenn ein Arzt den Gehirntod festgestellt hat. Dann wird der restliche Organismus durch intensive Maßnahmen künstlich aufrechterhalten, um die Entnahme von Organen möglich zu machen. Lebendspenden gibt es in Deutschland nur bei Nieren oder Teilen der Leber, ganz selten auch Teilen der Lunge, des Dünndarms oder der Bauchspeicheldrüse – und nur unter strengen Auflagen.

Beauftragter für Organspende

Damit soll es den Kliniken einfacher gemacht werden, Organe zu transplantieren, und zwar organisatorisch und finanziell. So sollen Transpantationsbeauftragte eines Krankenhauses von all ihren weiteren Tätigkeiten befreiet werden, damit sie sich voll und ganz der Organspende widmen kann. Die Freistellung soll den Krankenhäusern laut Gesetz erstattet werden.

Außerdem soll der Transplantationsbeauftragte "Zugang zu den Intensivstationen erhalten, alle erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotenzials erhalten und hinzugezogen werden, wenn wenn Patientinnen und Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen".

Parlamentarier fühlen vor

Ende November 2018 führten die Abgeordneten außerdem bereits eine Debatte über eine mögliche Neuregelung der Organspende. Die Parlamentarier wollten sich darüber austauschen, wie mehr Menschen angeregt werden können, ihre Organe zu spenden. Eine Entscheidung sollte noch nicht getroffen werden. Der Austausch im Plenum diente als Grundlage, um mögliche Gesetzentwürfe auszuarbeiten.

Persönlich entscheiden

Die Fraktionen haben in dieser ethisch heiklen und sehr persönlichen Frage die sogenannte Fraktionsdisziplin aufgehoben. Bei alltäglichen politischen Fragen sind die Abgeordneten normalerweise angehalten, im Sinne ihrer Fraktion zu stimmen. Fraktionen führen in der Regel zunächst intern Debatten über politische Themen, die Mehrheit legt die Marschrichtung fest.

Bei der Organspende geht es jedoch um grundlegende ethische Fragen, zu denen viele Abgeordnete persönliche Meinungen haben, die gar nichts mit politischen Richtungen zu tun haben. Jetzt gilt: Jeder Abgeordnete kann und soll nur nach seinem Wissen und Gewissen entscheiden. Daher haben sich Parlamentarier verschiedener Fraktionen zusammengetan, um Vorschläge zu erarbeiten.

Widersprechen möglich

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schlug eine sogeannte "doppelte Widerspruchslösung" vor. Der Plan: Künftig solle jede Person zunächst als Organspender gelten, solange sie zu Lebzeiten oder die Angehörigen nach dem Tod nicht widersprechen. Diese Regelung haben bereits viele europäische Länder eingeführt.

"Sich mit der Organspende auseinanderzusetzen, muss für uns alle zur Selbstverständlichkeit werden. Das sind wir den mehr als 10.000 Menschen schuldig, die voller Hoffnung auf ein Organ warten", sagte Spahn.

"Unnötiges Leiden"

Auch der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach von der SPD sprach sich für diese Lösung aus. Er erinnerte an das "unnötige Leiden" der Menschen, die in Deutschland auf eine Organspende warten. Es sei wichtig, dass "sich jeder mit diesem Thema beschäftigt". Da fast jede Person ein potentieller Empfänger von Spenderorganen sei, sei es richtig, dass auch jeder ein potentieller Spender sein könne.

Wäre das anmaßend?

Eine Gruppe Abgeordneter aus verschiedenen Fraktionen rund um die Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Annalena Baerbock, wandte sich gegen diesen Vorschlag. Sie kritisieren, der Vorschlag des Ministers zwinge den Bürgern einen Willen auf. Er verstoße damit gegen die Menschenwürde und das Selbstbestimmungsrecht. "Bei solch einer persönlichen Entscheidung sollte die Politik nicht anmaßend sein", so Baerbock in der Orientierungsdebatte.

Regelmäßig fragen

Sie selber schlägt vor, dass jeder Mensch verpflichtend die Entscheidung treffen soll. Alle Bürger sollen regelmäßig, wenn sie ihren Personalausweis oder Reisepass erneuern, gefragt werden, ob sie als Organspender zur Verfügung stehen wollen oder nicht. Dadurch würde nahezu jede Person in einem regelmäßigen Abstand mit dem Thema konfrontiert werden. Insbesondere würden die Menschen so weiterhin selbstständig entscheiden können und nicht, wie bei Spahns Vorschlag, von vornherein grundsätzlich als Spender gelten.

Wäre der Druck zu hoch?

Wolfgang Kubicki von der FDP wiederum sprach sich gegen beide Vorschläge aus. Sie würden zu sehr in das Selbstbestimmungsrecht eingreifen. Die Annahme, durch die Widerspruchslösung würden mehr Spenderorgane zur Verfügung stehen, sei falsch. Zudem dürfe der Staat den Bürgern nicht vorschreiben, eine Entscheidung zu treffen. Es seien viele Fragen noch ungeklärt: "Was machen wir denn mit denjenigen, die sagen, ich gebe gar keine Erklärung ab?" Es würde ein zu hoher Druck auf die einzelnen Bürger ausgeübt, sich moralisch so zu verhalten, wie es andere von ihnen erwarten. Der Staat solle stattdessen mehr Werbung und Aufklärung für eine freiwillige Organspende machen.

Hier die Videos

Die Abgeordneten werden weiter debattieren, bis eine Lösung steht, die eine Mehrheit findet. Die komplette Orientierungsdebatte könnt ihr euch hier nochmal im Video anschauen. Die Änderung des Transplantationsgesetzes mit neuen Regeln für die Krankenhäuser ist wiederum beschlossen. Auch dazu findet ihr ein Video in der Mediathek.

Maximilian Gerhards

Mitmischen-Autor

Maximilian Gerhards

studiert Jura

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