Zum Inhalt springen

Grundgesetz-Änderung „Kinder und Jugendliche sollten öfter beteiligt werden“

Recht auf Schutz, Förderung und Beteiligung: Die Bundesregierung will die Rechte von Minderjährigen ins Grundgesetz aufnehmen. Lukas hat Susann Rüthrich (SPD) gefragt, was sich dann für Kinder und Jugendliche ändert.

Portraitfoto

Susann Rüthrich (SPD) ist aktuell die Vorsitzende der Kinderkommission. © privat

Frau Rüthrich, Union und SPD wollen Kinderrechte im Grundgesetz verankern. Was sind Kinderrechte? Und bis zu welchem Alter sollen sie greifen?

Kinderrechte gelten für alle, die minderjährig sind – das heißt: für alle unter 18 Jahren. Es geht um den Schutz von Kindern und Jugendlichen; darum, dass ihnen etwa keine Gewalt angetan werden darf. Es geht aber auch um das Recht auf Förderung. Das bedeutet, dass Kinder bestmöglich aufwachsen und gesund sein sollen. Persönlich ist mir das Recht auf Beteiligung besonders wichtig. Kinder und Jugendliche haben einen Anspruch darauf, von den Erwachsenen gehört und ernstgenommen zu werden. Das wird oft vergessen. Mein Lieblingskinderrecht – und auch das haben Erwachsene oft nicht auf dem Schirm – ist das Recht auf Spielen.

Wie wird es sich konkret auf das Leben von Kindern und Jugendlichen auswirken, wenn Kinderrechte im Grundgesetz stehen?

Das wird bedeuten, dass alle anderen Gesetze damit in Einklang stehen müssen und sich die gesamte Gesellschaft daran halten muss.

Sie haben das Recht auf Beteiligung betont. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Kinder und Jugendliche sollten öfter beteiligt werden. Ein Bürgermeister in meinem Wahlkreis hat beispielsweise den Kindern mehrere Baugründe für einen neuen Spielplatz gezeigt und gefragt, welcher ihnen warum am liebsten wäre. Die Kinder wurden in die Planung einbezogen. Würden Kinder immer beteiligt werden – zum Beispiel auch im Baurecht oder in der Gesundheitspolitik –, dann würden die Entscheidungen vielleicht manchmal anders aussehen. Im Übrigen sieht man ja auch gerade an den Fridays-for-Future-Demonstrationen: Kinder gehen auf die Straße, weil sie in Fragen der Klimapolitik eben bisher nicht gehört wurden.

Kritiker der Grundgesetzreform sagen, diese habe rein symbolischen Charakter. Schließlich seien Kinder genau wie alle anderen schon durch die Grundrechte geschützt und bräuchten also keine Extrarechte. Wie sehen Sie das?

Mit diesem Argument könnte man auch Artikel 3 des Grundgesetzes streichen, in dem es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau geht. Frauen sind, soweit ich weiß, ja auch Menschen und wären demnach also ausreichend grundrechtlich geschützt. Es hat aber einen Sinn, warum der Staat auf die Gleichberechtigung hinwirken muss, eben um bestehende Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Genauso ist es bei den Kinderrechten: Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene, sondern sie haben bestimmte Förderansprüche. Sie können sich bisher nicht so selbstverständlich beteiligen wie Erwachsene, sie können sich auch nicht selbst um ihren Schutz kümmern. Dazu sind wir alle verpflichtet.

Können Kinder dann überhaupt ihre Rechte selber geltend machen, zum Beispiel vor Gericht, oder müssten das nicht letztendlich auch die Eltern machen?

Stimmt genau. Letztendlich sind es die Eltern oder in wenigen anderen Fällen die Vormünder, die die Kinderrechte einklagen könnten. Kinderrechte zu stärken heißt also, Eltern darin zu unterstützen, das Beste für ihre Kinder zu erreichen. Ich denke da beispielsweise an Kinder mit Behinderung. Oft haben diese es sehr schwer, ins Schulsystem integriert zu werden. Kinder sollten aber nicht das Recht auf irgendeine Förderung haben, sondern das Recht auf die beste Förderung.

Im Moment beschäftigt sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe damit, einen Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes bis Ende 2019 auszuarbeiten. Wie könnte so ein Vorschlag konkret aussehen?

Das Entscheidende für mich ist – und da sind sich auch viele Experten einig –, dass alle Bereiche gleichermaßen erwähnt werden. Das heißt: Recht auf Schutz, Förderung, Ausstattung und Beteiligung. Wie das dann genau formuliert wird und an welche Stelle man die Kinderrechte ins Grundgesetz schreibt, ist die Aufgabe von den Juristen, die sich damit gerade befassen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, welchen Vorschlag sie uns unterbreiten werden.

Seit 1992 gilt in Deutschland die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, in der bereits Kinderrechte festgeschrieben sind. Können Sie sich zusätzliche Rechte vorstellen, die im Grundgesetz verankert werden sollen?

Damit wäre man natürlich besonders innovativ und tatsächlich gibt es Ideen für Kinderrechte, die an die heutige Zeit angepasst sind. Mit Blick auf die Digitalisierung gibt es beispielsweise Diskussionen zu bestimmten digitalen Rechten. Wenn wir uns den Klimawandel anschauen, könnte man über ein Recht auf eine intakte Lebensumgebung nachdenken. Es würde mich aber wundern, wenn solche Rechte im Grundgesetz festgeschrieben werden würden. Ich weiß auch nicht, ob das so zielführend wäre. Sinnvoller wäre es sicher, solche Dinge in anderen Gesetzen unterzubringen.

Sie sind die Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestages – das ist ein Gremium, das sich um die Belange der Kinder und Jugendlichen kümmert. Wie können sich Mädchen und Jungen an Sie wenden? Wo können Sie weiterhelfen?

Wir freuen uns immer, wenn sich Kinder direkt bei uns melden. Das Einfachste ist natürlich, anzurufen, die Nummer lautet 030 227 30551, oder eine Mail zu schreiben, und zwar an kinderkommission@bundestag.de. Wir haben schließlich den Auftrag, die Belange derer in den Bundestag einzubringen, die selber gar nicht wählen dürfen. Grundsätzlich finde ich aber: Kinder und Jugendliche sollten sich leichter an den Bundestag wenden können. Es sollte eine kindgerechte Anlauf- oder auch Beschwerdestelle für sie geben, so dass sie leichter eine Petition oder ihre Anmerkungen einbringen können.

Zur Person:

Susann Rüthrich ist die Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion und derzeit auch die Vorsitzende der Kinderkommission. Sie hat Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte studiert und ist seit 2013 Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Rüthrich ist 41 Jahre alt und lebt mit ihrem Partner, ihren drei Kindern und ihrem Hund zusammen. Ihr Wahlkreis ist Meißen in Sachsen.

Du hast auch Lust, bei uns mitzumischen?

Schreib für uns!

Mehr zum Thema