Beteiligung Ein Bürgerrat soll Vertrauen in die Demokratie stärken
Eric Matt
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble möchte Bürgerinnen und Bürger direkter in die Politik einbinden. Ein Bürgerrat soll Anfang 2021 loslegen.
In Deutschland leben über 83 Millionen Menschen. Sie können nicht alle über jede politische Frage entscheiden. Um dennoch alle mit ihrer Stimme einzubeziehen, hat sich unser Land vor langer Zeit für die Staatsform der repräsentativen Demokratie entschieden.
Das Wort Demokratie bedeutet „Herrschaft des Volkes“. Das Volk "herrscht", indem es entscheidet, wer das Land regieren soll. Dazu wählen die Bürger Abgeordnete in den Bundestag, die auch Volksvertreter genannt werden. Diese Abgeordneten entscheiden dann mit Mehrheit, wer Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin wird. Und sie entscheiden stellvertretend für das Volk über Gesetzentwürfe, den Bundeshaushalt und einiges mehr. Die Parlamentarier repräsentieren die Interessen der Bürger.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gibt der repräsentativen Demokratie jetzt einen neuen Impuls. Sein Plan: Über sogenannte Bürgerräte möchte er Bürgerinnen und Bürger enger in politische Prozesse einbinden.
Was genau ist geplant?
Für den Bürgerrat sollen 160 Bürgerinnen und Bürger im Losverfahren ausgewählt werden. Ziel dabei ist es, die gesamte Bevölkerung abzubilden. Der Bürgerrat soll also möglichst vielfältig werden.
Die 160 ausgewählten Teilnehmer sollen sich an drei Wochenenden Anfang des kommenden Jahres treffen und intensiv zu einem Thema beraten. Dabei stehen ihnen Experten zur Seite, die dabei helfen können, komplexe Zusammenhänge zu bearbeiten und dazu eine Diskussion zu führen. Die Ergebnisse sollen dann in einem Bürgergutachten zusammengefasst werden.
Worum geht’s konkret?
Das Thema des Bürgerrats: „Deutschlands Rolle in der Welt“. "Wie stehen wir zu Militäreinsätzen im Ausland?", könnte etwa eine Frage sein, über die sich die Teilnehmer Gedanken machen.
Seine Ergebnisse wird der Bürgerrat dann den Abgeordneten des Bundestages vorstellen, damit diese sie bei zukünftigen Debatten und Entscheidungen berücksichtigen können.
Neues erproben
Nicht erst im Zuge der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in den letzten Monaten wird darüber diskutiert, ob das Vertrauen der Menschen in die Demokratie abnimmt. Schon länger sorgen sich Politiker und Experten, dass manche Bürgerinnen und Bürger politischen Institutionen gegenüber misstrauischer werden. Die Bindung zwischen Wählern und Gewählten sei schwächer geworden, sagt Schäuble. Deshalb müsse man jetzt neue Dinge erproben und parlamentarisches Neuland beschreiten, um die Demokratie zu stärken. Ein Bürgerrat könnte so ein Weg sein – eine Möglichkeit der direkten Teilhabe innerhalb der repräsentativen Demokratie.
Die Idee eines bundesweiten Bürgerrates wurde von dem Verein „Mehr Demokratie e.V.“ initiiert. Im vergangenen Jahr erarbeitete ein solches Gremium bereits Vorschläge für die Politik. Einer davon: Mehr Bürgerräte zu berufen!
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.