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Verkehrs-Experte "Gefährliche Kombination"

Tim Oswald

Ist Mopedfahren für 15-Jährige gefährlicher als für 16-Jährige? Zählt das Argument, dass Jugendliche dann mobiler sind? Oder ist die Idee eines Mopedführerscheins ab 15 nur ein Trick? Tim hat sich mit Hendrik Pistor vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat unterhalten.

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Hendrik Pistor vom Verkehrssicherheitsrat: "Mopeds und Roller sind bis zu sechs Mal gefährlicher als Autos. " © PR

Die FDP-Fraktion fordert den Moped-Führerschein mit 15 und erhält Zuspruch von AfD und den Linken. Macht es wirklich so einen großen Unterschied, ob man mit 15 oder 16 fährt?

Die Studien sind nicht eindeutig. In Deutschland gibt es Modellversuche in Bundesländern, in denen Jugendliche schon mit 15 Jahren den Führerschein machen dürfen. Da hat sich kein gravierender Unterschied zu 16-Jährigen gezeigt. Bei den 15-Jährigen wurde nur eine leicht erhöhte Zahl an Verkehrsverstößen im Vergleich zu den 16-Jährigen festgestellt. Das tatsächliche Problem ist jedoch ein anderes.

Welches denn?

Das Problem ist, dass Jugendliche generell zu den gefährlicheren Fahrern gehören. Selbst ein 18-Jähriger fährt viel unsicherer als ein, sagen wir mal, 25-Jähriger. Jugendliche werden nicht nur häufiger in Unfälle verwickelt, sondern sind auch häufiger Schuld.

Woran liegt das?

Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Jugendliche haben ein anderes Risikobewusstsein als Erwachsene. Viele Jugendliche suchen sogar das Risiko, um zu imponieren oder einfach für den Kick. In der Psychologie heißt das "Sensation-Seeking", und das ist im Straßenverkehr nun einmal sehr gefährlich.

Und der andere Grund?

Außerdem haben Jugendliche natürlich weniger Erfahrung als erwachsene Autofahrer und können Gefahren schlechter einschätzen. Statistisch gesehen verunglücken Jugendliche und junge Erwachsene zwei Mal häufiger im Straßenverkehr als der Rest der Gesellschaft.

Das Ganze wäre ja beim Autoführerschein auch ein Problem. Was macht es beim Moped besonders schlimm?

Nach der Zahl der Unfalltoten sind Mopeds und Roller bis zu sechs Mal gefährlicher als Autos. Dies liegt unter anderem daran, dass Mopeds eine schlechtere Fahrphysik haben, sich in Kurven schlechter verhalten, instabiler sind und eine Knautschzone fehlt. Diese Kombination aus gefährlichem Fahrer und gefährlichem Fahrzeug ist fatal.

Zu den Modellversuchen in einigen Ost-Bundesländern und Österreich gab es Studien. Aus diesen geht zwar hervor, dass die Unfallzahlen steigen. Dies wird aber auch damit begründet, dass einfach mehr Mopeds auf der Straße sind.

Das ist genau das größte Problem: Es sind mehr Jugendliche auf der Straße, die etwas Gefährliches machen. Die Frage, die sich die Politik stellen muss, lautet: Rechtfertigt ein angeblicher Gewinn an Mobilität durch den Führerschein mit 15 die Zahl der Verletzten oder Unfalltoten, die es ohne diesen Führerschein eben nicht gegeben hätte?

Sie sagen "angeblich". Gibt es denn diesen Gewinn an Mobilität nicht?

Interessanterweise gibt es den tatsächlich nicht. Die meisten Jugendlichen fahren mit ihren Mopeds pro Woche nur rund 50 bis 70 Kilometer. Wenn Sie das mal auf die einzelnen Tage herunterrechnen, bewegen sie sich oft eher in einem Radius von vielleicht fünf Kilometern. Also alles Ziele, die man auch mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen könnte. Die Jugendlichen haben sich, das zeigt auch die Studie, also gar keine neuen Ziele erschlossen, die sie vorher nicht erreichen konnten. Das Moped bietet ihnen einzig und allein mehr Spaß und Komfort, aber ganz klar nicht mehr Mobilität.

Fordern Politiker den Führerschein mit 15 vielleicht auch, um den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht ausbauen zu müssen?

Ja, das kann man tatsächlich so interpretieren. Das kann als leichtes Geschenk an junge Menschen in Regionen mit schlechter Anbindung gesehen werden. Denn den Politiker kostet es erst einmal nichts, im Gegensatz zum Ausbau des ÖPNV. Mehr ÖPNV wäre aber definitiv die umweltverträglichere und sicherere Lösung.

Im Osten sprechen sich viele Bundesländer für den Führerschein mit 15 aus, während man im Westen eher dagegen ist. Was halten Sie von dem Argument, dass ein "Flickenteppich", also unterschiedliche Lösungen in den Bundesländern, juristische und verkehrstechnische Probleme mit sich bringen?

Gegen diesen "Flickenteppich" gibt es einige Argumente. Zum einen ist da aus moralischer Sicht das Messen mit zweierlei Maß. Wie kann es sein, dass eine Sache in einem Bundesland als so unsicher erachtet wird, dass man sie nicht einführen kann, während man sie im Nachbarbundesland munter einführt? Zweitens bringt das Ganze natürlich auch verkehrstechnische Probleme mit sich. Jugendliche, die im Grenzgebiet leben, laufen ständig Gefahr, einen Verstoß gegen die Verkehrsregeln zu begehen und ohne Fahrerlaubnis zu fahren, wenn sie auch nur kurz ins Nachbarbundesland rüberfahren. Eine einheitliche Lösung wäre deshalb wünschenswert.

Über Hendrik Pistor:

Hendrik Pistor (45) ist Referatsleiter "Junge Kraftfahrer" beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat. Der Verein besteht aus rund 200 Mitgliedern von Ministerien, Unfallversicherungen, Verkehrswachten oder Automobilclubs. Er fördert die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.

Tim Oswald

Portraitfoto von mitmischen-Autor Tim Oswald
Mitmischen-Autor

Tim Oswald

ist Schüler aus Weisenheim am Sand. Seine großen Leidenschaften sind Politik und Engagement. Außerdem liest er gerne, geht joggen und ist fasziniert von fremden Ländern und Sprachen. Seine Freunde machen sich heute noch darüber lustig, dass sein Lieblingsbuch in der Grundschule der Atlas war.

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