Hass im Netz „Es ist wie eine Krankheit“
Eric Matt
Über Fake News, Hatespeech und digitale Morddrohungen sprach die Vorsitzende des Ausschusses Kultur und Medien Katrin Budde (SPD) mit mitmischen-Autor Eric.
Frau Budde, kennen Sie den Hashtag #WW3?
Nein, das sagt mir nichts. Ich arbeite allerdings selbst auch nicht mit Hashtags.
#WW3 steht als Abkürzung für World War Three, also Dritter Weltkrieg. Im Zuge der Krise zwischen den USA und dem Iran kursierten unter diesem Hashtag diverse Falschmeldungen im Internet.
Um ehrlich zu sein, müsste mein Tag doppelt so lang sein, um mich mit all diesen Foren und Hashtags beschäftigen zu können.
Hat der Bundestag wegen genau solcher Fälle die Regierung aufgefordert, etwas gegen Fake News, Hassrede und Cyber-Mobbing zu tun?
Ja. In den sozialen Netzwerken werden so viele Informationen verbreitet, dass man gar nicht mehr wirklich darauf reagieren und den Durchblick behalten kann.
Und da muss die Politik ansetzen und eingreifen?
Nicht nur die Politik. Ich würde sagen, dass das inzwischen schon eine gesellschaftliche Aufgabe ist. Diese Probleme ziehen sich vom privaten Bereich jedes einzelnen Bürgers bis hin zu den großen politischen Themen.
Was kann denn jeder Einzelne von uns etwa gegen Hatespeech und Cyber-Mobbing tun?
Da das Internet mittlerweile all unsere Lebensbereiche beeinflusst, denke ich, dass man dort genauso reagieren sollte, wie man das im normalen Leben abseits der digitalen Welt auch tun würde: Man sollte sein Umfeld über Missstände aufklären, konstruktiv mitdiskutieren und auch dagegenhalten.
Haben Sie für unsere Leser Tipps, wie man Fake News erkennen kann?
Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich zu einer Generation gehöre, die jungen Leuten wie Ihnen in diesem Punkt wohl eher keine Tipps geben kann. Sie sind in solchen Fragen oftmals fitter und würden Fake News wahrscheinlich einfacher erkennen, als ich das könnte. Aber bei anonymen Profilen, die immer wieder das Gleiche kommentieren, sollte man vorsichtig sein.
Wie könnte man hier politisch eingreifen?
Derzeit diskutieren wir im Kulturausschuss über eine „Europäische Medienplattform“, also eine öffentlich-rechtliche Plattform. Damit könnte man der Dominanz amerikanischer Unternehmen wie beispielsweise Google entgegenwirken und einen Raum schaffen, in dem unsere Regeln und Standards gelten, was auch zu mehr Datensicherheit führen könnte.
Glauben Sie, dass Soziale Medien politische Radikalisierungen befördern?
Auf jeden Fall. Dafür gibt es ja inzwischen auch Nachweise. Das letzte Beispiel ist der Attentäter von Halle. Auch der hat sich über das Internet radikalisiert, während sein Umfeld im normalen Alltag davon nichts mitbekommen hat.
Braucht es deshalb auch im Internet gewisse Regeln?
Ja und wir haben ja auch schon teilweise welche geschaffen. 2017 wurde beispielsweise gesetzlich geregelt, dass soziale Netzwerke offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach einer Beschwerde löschen müssen. Wer dem nicht nachkommt, muss mit Strafen rechnen.
Was könnte man denn neben Strafen auch bildungspolitisch tun, um die Medienkompetenz der Menschen zu verbessern?
Das Thema muss in den Lehrplänen noch stärker verankert werden. Dafür ist der Digitalpakt ein wichtiger Schritt gewesen. Die Lehrer sollten kompetenter werden und wir müssen mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten. Im Zweifel beginnt das dann schon im Kindergarten.
Wie denken Sie über ein eigenständiges Schulfach „Medienkompetenz“?
Ich persönlich finde das eine gute Idee. An vielen Schulen wird bereits Informatik unterrichtet. Für mich gehören das dort erlernte technische Wissen und die Medienkompetenz ohnehin zusammen. Somit sollte das auch beides unterrichtet werden.
Sie sind seit 1990 Berufspolitikerin. Wie hat sich durch die digitale Welt Ihre alltägliche politische Arbeit verändert?
Die Arbeit hat sich dramatisch verändert. In den ersten zehn bis fünfzehn Jahren meiner Zeit als Abgeordnete in Sachsen-Anhalt habe ich vor allem über die klassischen Medien wie Rundfunk, Fernsehen oder Print kommuniziert. Mit der allgemeinen Nutzung von Smartphones und Tablets und dem Voranschreiten sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Instagram hat sich das komplett verändert. Mittlerweile überschreiten einige Menschen die Grenzen der menschlichen Kommunikation, indem sie Mord- und Hassdrohungen aussprechen.
Und was hat sich speziell in der Wahlkampfphase verändert?
Im Grunde ist es die „doppelte“ Arbeit. Während ich 1990 noch die klassischen Wahlkampfstände betrieb, Flyer verteilte oder von Tür zu Tür lief und Leute ansprach, mache ich heute beides. Politiker dürfen die Bedeutung des Internets nicht vernachlässigen und müssen dort aktiv sein, sollten aber trotzdem noch auf Märkte und öffentliche Plätze gehen, weil ansonsten sofort – und auch zurecht – Kritik laut wird, dass man nicht präsent sei.
Wurde der Wahlkampf denn auch rauer und persönlicher?
Zum Teil war und ist es auch in der analogen Welt persönlich, aber es wird mehr. Anschuldigungen, bösartige Bemerkungen oder Unterstellungen lassen sich im Netz einfacher vervielfältigen. Das ist wie eine Krankheit, die sich ausbreitet und der man wehrlos ausgesetzt ist, weil man ja nicht weiß, wer dahintersteckt.
Ignorieren Sie solche Angriffe einfach oder haben Sie auch schon mal Strafanzeige erstattet?
Was ich schon zur Anzeige gebracht habe, sind Morddrohungen. Aber die sind Gott sei Dank selten. Trotzdem lässt mich das nicht kalt.
Über Katrin Budde
Katrin Budde (54) sitzt seit 2017 für die SPD im Deutschen Bundestag. Sie ist Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien und gehört außerdem dem Verteidigungsausschuss an. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.