Zum Inhalt springen

Fraktionsmeinungen Digitalministerium: ja oder nein?

Die FDP fordert ein Bundesministerium für Digitalisierung. Und was sagen die anderen? Wir haben Digital-Experten aus allen Fraktionen dazu befragt.

CDU/CSU
Portrait Nadine Schön

Nadine Schön (CDU/CSU), geboren 1983, sitzt seit 2009 im Bundestag. Sie gehört neben dem Ausschuss Digitale Agenda auch den Ausschüssen für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz an. Foto: Tobias Koch

Die FDP-Fraktion fordert ein Digitalministerium. Eine gute Idee?

Wichtig ist, dass die vielen digitalpolitischen Maßnahmen, die in den verschiedenen Ministerien jeweils geplant werden, gut koordiniert werden. Genau das tut die Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Ich finde, dass Dorothee Bär hier einen ausgezeichneten Job macht!

Das Problem an einem Digitalministerium wäre, dass man sicher nicht alle Digitalthemen und -projekte aus den einzelnen Häusern herauslösen könnte. Denn die Digitalisierung betrifft sämtliche Ressorts und zwar in zunehmendem Maße! Viel bliebe nicht mehr übrig. Entscheidend ist in meinen Augen, dass das Silo-Denken in den Ministerien aufgebrochen wird. Dadurch bringen wir mehr Tempo und strategische Kohärenz in die Digitalpolitik in Deutschland.

Oft liest man, Deutschland läge im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung weit zurück. Woran genau kann man das festmachen, warum ist das so und wer ist dafür verantwortlich?

Es kommt ganz darauf an, welchen Bereich man betrachtet. Wenn es um Digitalisierung in der Industrie geht, dann kann der Standort Deutschland sich durchaus sehen lassen. Nicht umsonst ist der Begriff „Industrie 4.0“ in Deutschland geprägt worden und von anderen Ländern übernommen worden. Auch bei der Entwicklung der Blockchain-Technologie durch innovative Startups sind wir vorne mit dabei.

Wirft man aber einen Blick etwa auf den Breitband- und Mobilfunkausbau, dann ist es in der Tat so, dass wir Nachholbedarf haben. Gründe gibt es viele. Angefangen bei zu hohen bürokratischen Hürden für die Kommunen bei der Beantragung von Fördergeldern bis hin zu fehlenden Kapazitäten in der Baubranche für die Verlegung der Leitungen. Bisher ist das Angebot der Nachfrage gefolgt. Dadurch hat man immer das Gefühl, hinterherzuhinken. Das muss sich ändern, gerade im ländlichen Raum.

Was muss jetzt schnellstens geschehen?

Wir müssen in allen Bereichen einen Zahn zulegen. Bei der digitalen Infrastruktur haben wir bereits damit begonnen, die Förderungen zu entbürokratisieren und den Kommunen Berater an die Seite zu stellen, die über die Fördermöglichkeiten informieren. Für die Zukunft müssen wir aus unseren Fehlern lernen und gerade beim 5G-Mobilfunkstandard darauf achten, dass wir hier zu einem schnelleren und vor allem flächendeckenden Mobilfunkausbau in Deutschland kommen. Es darf nicht sein, dass in ländlichen Regionen kein schnelles mobiles Internet zur Verfügung steht, nur weil der Ausbau dort für die Netzbetreiber nicht attraktiv ist. Darauf haben wir auch bei der Ausarbeitung der Ausbauauflagen in der Bundesnetzagentur geachtet.

Beim Thema Bildung müssen wir die Schulen fit machen für die Digitalisierung. Der Bund hat fünf Milliarden Euro für technische Ausstattung zur Verfügung gestellt. Jetzt müssen auch die Länder schnell ihren Teil des Digitalpakts einlösen und Lehrerausbildung und Lehrpläne anpassen. Viele Bundesländer lassen sich da leider zu viel Zeit.

Was sind in Ihren Augen die größten Chancen der Digitalisierung?

Die Digitalisierung bietet viele Chance in den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Eine der größten Chancen liegt sicherlich in der Medizin. Neue Technologien, die auf Basis Künstlicher Intelligenz funktionieren, können unser Leben nicht nur verlängern, sondern vor allem verbessern. Neue bildgebende Diagnoseverfahren oder auch neue Apps zur Erkennung von Hautkrebs mit dem Smartphone, sind hier nur zwei Beispiele dafür, welche Chancen die Digitalisierung in der Medizin bietet. Auch die elektronische Patientenakte wird für einige Verbesserungen sorgen: mehr Transparenz, Erinnerungen an Vorsorgetermine und Impfungen, Verhinderung unnötiger Doppelbehandlungen, besserer Überblick über verordnete Medikamente.

Daneben ist es die Alten- und Krankenpflege, die von der Digitalisierung profitieren kann. Hier arbeiten wir bereits mit Hochdruck daran, dass sich die Situation in der Pflege verbessert, durch bessere Bezahlung und mehr Personal. Die Digitalisierung bietet hier die Chance, darüber hinaus durch intelligente Assistenzsysteme, den Pflegekräften die Arbeit zu erleichtern und die Situation in den Krankenhäusern und Pflegeheimen zu verbessern. Davon profitieren letztlich auch die Patienten.

Außerdem sehe ich auch große wirtschaftliche Chancen. Gerade im Bereich Industrie 4.0 erleben wir, dass Unternehmen, die ihre Herstellung aus Personalkostengründen zum Beispiel nach China verlagert hatten, diese nun zurück nach Deutschland holen. Grund hierfür ist der Einsatz von Technologien, die man unter dem Sammelbegriff „smart factory“ zusammenfassen kann. Neue digitale Produktionstechnologien ermöglichen es so zum Beispiel, dass Adidas ein Teil seiner Schuhproduktion nach Deutschland zurückgeholt hat. Roboter und 3D-Drucker werden dort eingesetzt, um noch effizienter neue Schuhmodelle zu entwickeln und zu produzieren. Hier entstehen wieder neue Jobs in Deutschland, für qualifizierte Facharbeiter, IT-Spezialisten und Ingenieure. Auch das ist eine Riesenchance der Digitalisierung.

Sehen Sie auch Risiken? Wie begegnet man denen am besten?

Natürlich gibt es auch Risiken. Wenn Algorithmen uns immer mehr Entscheidungen abnehmen, dann besteht die Gefahr, dass wir die Grundlagen, auf denen die Entscheidungen getroffen werden, nicht mehr verstehen. Das öffnet Tür und Tor für Diskriminierung durch Algorithmen und den Missbrauch durch Unternehmen und Regierungen.

Bestes Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte, ist China. Dort treibt die Regierung das sogenannte social scoring voran. Vom Regime erwünschtes Verhalten wird mit Punkten belohnt und führt zu Vergünstigungen etwa bei Steuern oder Versicherung. Wer hingegen die falschen Internetseiten aufruft oder mit den falschen Freunden kommuniziert, wird bestraft. Das ist das genaue Gegenteil unserer Vorstellung einer freien und demokratischen Grundordnung. Diesen Entwicklungen müssen wir in Europa frühzeitig einen Riegel vorschieben.

Am besten begegnet man diesen Risiken dadurch, dass wir einen ethischen und rechtlichen Rahmen definieren, innerhalb dessen wir digitale Technologien weiterentwickeln und anwenden wollen. Mit der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz beschäftigen wir uns auf Bundesebene mit diesem Thema. Auch auf europäischer Ebene gibt es eine Arbeitsgruppe, die ethische Leitlinien für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz erarbeitet hat. Diese gilt es jetzt umzusetzen.

Dazu müssen wir aber Künstliche Intelligenz auch verstehen. Das bedeutet für uns Normalbürger, dass wir zumindest ein Grundverständnis für die Funktionsweise von Algorithmen entwickeln müssen. Zur Digitalkompetenz, die wir alle erwerben müssen, gehört aber noch mehr: Problemlösung mit digitalen Hilfsmitteln, Informations- und Datenkompetenz, Kommunikation und Kooperation, Sicherheit und Datenschutz sowie die Erstellung digitaler Inhalte. Das sind die Komponenten einer umfassenden Digitalkompetenz, die Bestandteil eines neuen bildungspolitischen Leitbildes in Deutschland werden müssen. Nur dann werden wir in einer globalisierten und digitalisierten Welt auch künftig als mündige Bürger und nach unseren europäischen Werten selbstbestimmt leben können.

SPD

Jens Zimmermann (SPD), geboren 1981, sitzt seit 2013 im Bundestag. Er ist Obmann im Ausschuss Digitale Agenda, außerdem Mitglied im Finanzausschuss und in der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz. Foto: Marlene Bleicher

Die FDP-Fraktion fordert ein Digitalministerium. Eine gute Idee?

Über diese Frage wird schon lange diskutiert. Es hört sich nach einer guten Idee an. Schaut man genauer hin, sieht man aber, dass es ein bisschen komplizierter ist.

Warum?

Auf den ersten Blick ist es total logisch. Alles was mit Digitalisierung zu tun hat, kommt in ein Ministerium. Dann geht es endlich schneller und abgestimmter. Allerdings gibt es mittlerweile kaum ein Thema, das nicht mit Digitalisierung zu tun hat. Wenn es zum Beispiel um einen digitalen Impfpass geht. Wer ist dann zuständig? Das Digitalministerium oder das Gesundheitsministerium oder beide? Ich glaube, ohne die Expertinnen und Experten aus den jeweiligen Ministerien geht es nicht. Deshalb bin ich von einem Digitalministerium nicht überzeugt.

Oft liest man, Deutschland läge im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung weit zurück. Woran genau kann man das festmachen, warum ist das so und wer ist dafür verantwortlich?

Es hat einige Zeit gedauert, bis die Digitalpolitik sich im Parlament verankern konnte. Es gab in den vergangenen Jahren leider auch erhebliche Versäumnisse, etwa beim Auf- und Ausbau der digitalen Infrastruktur. Eine flächendeckende und leistungsfähige digitale Infrastruktur ist die Voraussetzung für den Erfolg der digitalen Gesellschaft. Langsames Netz und Funklöcher müssen endlich der Vergangenheit angehören. Auch im Bereich der digitalen Verwaltung hat Deutschland erheblichen Nachholbedarf. Wichtiger als die Frage, wer dafür Verantwortung trägt, ist die Frage, wie wir den Rückstand jetzt endlich aufholen können. Die Digitalstrategie und die KI-Strategie der Bundesregierung leisten hier wichtige und richtige Weichenstellungen, diese müssen aber fortlaufend weiterentwickelt werden. Das passiert zurzeit leider noch zu wenig. Zudem investiert der Bund 10 bis 12 Milliarden Euro in den Ausbau der flächendeckenden digitalen Infrastruktur. Im Koalitionsvertrag haben wir uns auch darauf verständigt, ein Recht auf ein schnelles Netz zu schaffen.

Was muss jetzt schnellstens geschehen?

Neben der Verfügbarkeit von flächendeckenden digitalen Infrastrukturen muss es vor allem darum gehen, die Menschen fit zu machen für die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft, sie zur digitalen Selbstständigkeit befähigen. Deswegen haben wir den Digitalpakt durchgesetzt, denn digitale Bildung gehört in jedes Klassenzimmer. Digitale Selbstständigkeit betrifft aber alle Generationen gleichermaßen, denn die Digitalisierung wird auch die Arbeitswelt grundlegend verändern.

Was sind in Ihren Augen die größten Chancen der Digitalisierung?

Mit der Digitalisierung können erhebliche Chancen einhergehen, etwa mit Blick auf die Sicherheit beim vernetzten Fahren, bei e-Health oder auch mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Digitalisierung kann auch mehr Transparenz gewährleisten und Voraussetzungen für mehr demokratische Teilhabe an der digitalen Gesellschaft schaffen. Digitalisierung und Vernetzung sind zugleich auch Voraussetzung für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit.

Sehen Sie auch Risiken? Wie begegnet man denen am besten?

Die Digitalisierung kann, wie jede technologische Innovation, auch Risiken mit sich bringen und die freie, offene und demokratische Gesellschaft gefährden. Auch die Digitalisierung braucht Regelungen und politische Gestaltung. Das gilt für den Schutz der Privatsphäre, für die Frage der Verantwortlichkeit von Künstlicher Intelligenz oder aber die Sicherstellung von fairen Wettbewerbsbedingungen und die Verhinderung von Monopolen. Hier liegen auch Europas Chancen im Vergleich zu dem radikalen und libertären Silicon-Valley-Kapitalismus und der kaum regulierten Digitalisierung der Tech-Giganten in den USA und der auf Überwachung und auf Zensur setzenden chinesischen Digitalstrategie. Es braucht politische Gestaltung, damit die Chancen einer digitalen und vernetzen Welt genutzt und die Risiken minimiert werden können. Es muss darum gehen, dass auch die digitale Gesellschaft eine offene und demokratische Gesellschaft bleibt.

AfD
Portrait Joana Cotar

Joana Cotar (AfD), geboren 1973, sitzt seit 2017 im Bundestag. Sie ist Obfrau des Ausschusses Digitale Agenda und der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz. © Joana Cotar

Die FDP-Fraktion fordert ein Digitalministerium. Eine gute Idee?

Das ist nicht nur eine gute Idee, sondern eine der Kernforderungen der AfD-Bundestagsfraktion. Wir wollen, dass die digitalen Kompetenzen in einem eigenständigen Bundesdigitalministerium gebündelt werden.

Warum?

Es gibt eine Digitalstaatsministerin ohne eigenes Budget, eine Abteilung für Digitalpolitik im Kanzleramt, ein Digitalkabinett und einen Digitalrat. In allen Ministerien gibt es unzählige Referate, Abteilungen, Projekte, Kommissionen und Agenturen, die sich um die Digitalisierung kümmern. Alle wollen sie mitreden und niemand hat den Überblick. Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut. Und genau das ist einer der Hauptgründe, warum die Versprechen in Sachen Digitalisierung, die wir seit Jahren hören, nicht umgesetzt werden. Wir brauchen ein Digitalministerium, in dem alle Fäden zusammenlaufen.

Das vorgegebene Ziel, die beste Infrastruktur der Welt bis 2025 zu haben, ist bis jetzt ein frommer Wunsch. Nur eine konkrete Bündelung aller Querschnittsbereiche auf ein koordinierendes Digitalministerium würde Deutschland einen enormen Fortschritt bringen.

Oft liest man, Deutschland läge im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung weit zurück. Woran genau kann man das festmachen, warum ist das so und wer ist dafür verantwortlich?

Zum einen liegt es an der schlecht funktionierenden Online-Kommunikation zwischen Behörden und Öffentlichkeit, zum anderen am hinkenden Breitbandausbau. Es klafft eine digitale Lücke zwischen Stadt und Land. International sind uns andere Länder in diesen Bereichen weit voraus.

Die digitalpolitische Ausrichtung der Bundesregierung ist dafür verantwortlich. Aufgrund des überwiegenden Projektcharakters der Digitalisierungsmaßnahmen der Bundesregierung entwickelt sich Deutschland allmählich auf internationaler Bühne zur peinlichen Lachnummer und zum Symbol für politische Provinzialität.

Was muss jetzt schnellstens geschehen?

Die Bundesregierung darf nicht nur leere Versprechungen machen, sie muss endlich handeln! Die Digitalisierung beeinflusst unsere Arbeits- und Lebenswelt branchenübergreifend in grundlegender und nachhaltiger Weise. Der Wirtschaftsstandort Deutschland muss zukunftsfit gemacht werden. Ein koordiniertes Vorgehen der Politik und eine schnelle Umsetzung der notwendigen Maßnahmen hat daher oberste Priorität.

Wir brauchen eine Entbürokratisierung auf allen Ebenen. Wir brauchen endlich eine digitale Infrastruktur, die den Namen verdient. Wir brauchen den Netzausbau, damit man zum Beispiel auf einer Bahnfahrt durchgehend telefonieren und surfen und auch auf dem Land große Mengen an Daten verschicken kann. Wir brauchen die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. In anderen Ländern sind Behördengänge längst überflüssig. Wir müssen uns viel intensiver mit den Themen Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Blockchain und Co. beschäftigten. Wir müssen unsere Schüler besser ausbilden und auch die Erwachsenen in Sachen Digitalisierung schulen. Wir müssen Firmengründungen sehr viel einfacher machen, die Finanzierung von Start-Ups sicherstellen und auch hier dringend Bürokratie abbauen. Wir müssen uns endlich ernsthaft um das Thema Cybersicherheit kümmern, und, und, und.

Was wir dagegen nicht brauchen, sind Upload-Filter, Zensur, Beschneidung der Meinungsfreiheit im Netz, die totale digitale Überwachung, wir brauchen keine 1-Stunden-Löschfrist, die kein Mensch leisten kann, keine Rundfunklizenzen für YouTuber und keine Kriminalisierung von Anonymisierungsdiensten.

Was sind in Ihren Augen die größten Chancen der Digitalisierung?

Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind mannigfaltig. Die Vernetzung mit gesicherten Daten im Gesundheitsbereich als auch die Umsetzungsmöglichkeiten der KI (Künstliche Intelligenz) und IoT (Internet of Things) spielen dabei zum Beispiel eine große Rolle. Die Digitalisierung wird unsere Sozial- und Arbeitsordnung nachhaltig verändern, sie kann uns mehr Freiheiten verschaffen, mehr Zeit, sie vernetzt die Welt, sie macht uns flexibler und unabhängiger, auch im Job. Das passiert aber nur, wenn wir die Veränderungen aktiv mitbegleiten, Innovationen fördern, bereit sind, auch mal Risiken einzugehen. Und wenn wir uns den sozialpolitischen Fragen stellen, die damit verbunden sind.

Sehen Sie auch Risiken? Wie begegnet man denen am besten?

Natürlich sehen wir auch Risiken. Der Faktor „menschliche Arbeit“ spielt dabei eine große Rolle. Denn gerade die KI wird viele Berufe überflüssig machen. Hier müssen wir uns fragen, wie wir damit umgehen. Ein lebenslanges Lernen muss und wird die Folge sein. Durch die ständige Vernetzung und Erreichbarkeit nimmt der Stress zu. Hier muss flexibel und eigenverantwortlich gedacht werden. Das Thema Cybersecurity stellt uns vor ganz neue Herausforderungen, hier müssen wir viel mehr investieren, um uns verteidigen zu können. Hackbacks und Angriffe lehnen wir als AfD dabei ab.

Das Thema Datenschutz ist ein großes Thema. Wir sehen die Tendenz, dass die Bundesregierung immer mehr Überwachung der Bürger will. Sicherheitslücken, Backdoors, Quellen-TKÜ, Vorratsdatenspeicherung – dem Wunsch nach dem gläsernen Bürger erteilt die AfD eine klare Absage. Auch die Bevormundung von Bürgern im Internet nimmt zu. Durch die Einführung immer neuer Normen durch die Bundesregierung und die EU werden Freiheitsrechte zunehmend beschnitten – Netzwerkdurchsetzungsgesetz, DSGVO und EU-Urheberrecht sind nur beispielhaft zu nennen. Dem stellen wir uns vehement entgegen, denn wir stehen für die Freiheit im Internet.

FDP
Portrait Manuel Höferlin

Manuel Höferlin (FDP), geboren 1973, war von 2009 bis 2013 Abgeordneter und ist es seit 2017 wieder. Er ist Obmann im Ausschuss Digitale Agenda, außerdem Mitglied des Ausschusses Inneres und Heimat und der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz. Foto: Foto: Christian Kuhlmann/5Gänge

Ihre Fraktion fordert ein Digitalministerium. Warum?

Ganz einfach: Die Digitalisierung – oder besser die digitale Transformation – ist die größte gesellschaftliche Umwandlung seit der industriellen Revolution. Sie verändert unser Leben grundlegend: Sie verändert die Art wie wir leben, lernen, arbeiten, miteinander agieren und kommunizieren. Und: Der digitale Wandel findet weltweit statt. Leider geht dieser Wandel in vielen anderen Ländern, auch innerhalb der EU, schneller voran als bei uns. Dadurch besteht die große Gefahr, dass andere Länder – sollten wir diesen Rückstand nicht aufholen können – den Menschen und den Unternehmen zukünftig bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen bieten können als wir. Damit das nicht passiert, darf unsere Bundesregierung die digitale Transformation nicht weiter als Nebenjob betrachten und sie größtenteils verschlafen. Sondern sie muss sich jetzt mit aller Kraft darum kümmern, dass der Rückstand aufgeholt wird. Ich bin der Überzeugung, dass dies nur mit einem eigenen Digitalministerium gelingen wird.

Um was soll sich dieses Ministerium genau kümmern?

Die Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Lebensbereiche und damit auch alle Politikfelder betrifft. Genau das ist bei uns das Kernproblem: Gerade weil es sich bei der digitalen Transformation um eine Querschnittsaufgabe handelt, sind in der Politik oft verschiedenste Akteure beteiligt, zum Beispiel verschiedene Fachabteilungen aus unterschiedlichen Ministerien. Da es aber bisher keine übergeordnete Instanz gibt, die diese Zusammenarbeit wirklich koordiniert und die Umsetzung federführend verantwortet, bleiben viele Projekte schon vor der Umsetzung stecken und versanden letztlich in langwierigen Abstimmungsprozessen. Das ist der Hauptgrund, warum wir in Deutschland in so vielen Bereichen der Digitalisierung so weit zurück liegen.

Deshalb fordern meine Fraktion und ich schon lange ein Bundesministerium für Digitalisierung und Innovation (BMDI), das die gesamte digitale Transformation in allen Politikfeldern koordiniert und federführend verantwortet. Dafür soll das Ministerium einen dreisäuligen Unterbau erhalten: In der ersten Säule geht es um die wichtigsten Zuständigkeiten der Digitalisierungspolitik. Für diese Kernvorhaben muss das Digitalministerium zuständig sein, um treibende Kraft der Digitalisierung zu sein. Die zweite Säule sind die Fachvorhaben der anderen Ministerien im Bereich Digitalisierung. Diese Fachvorhaben soll das Digitalministerium begleiten und im Rahmen einer Gesamtstrategie koordinieren. Die dritte Säule ist ein Think-Tank für digitale Innovationen. Die technischen Entwicklungen sind momentan schneller als die Politik. Ziel dieses Think-Tanks ist es, Trends und Entwicklungen im Digitalbereich früher zu erkennen, um schneller darauf reagieren zu können.

Oft liest man, Deutschland läge im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung weit zurück. Woran genau kann man das festmachen, warum ist das so und wer ist dafür verantwortlich?

Am deutlichsten macht sich der Rückstand bei den Grundlagen, der digitalen Infrastruktur, bemerkbar: In vielen Teilen des Landes, vor allem in den ländlichen Regionen, gibt es vielerorts noch immer keinen Zugang zu schnellem Internet oder unzählige Mobilfunklöcher. Eine aktuelle Studie sieht Deutschland beim Ausbau der digitalen Infrastruktur im internationalen Vergleich nur auf Platz 70. Das ist für die führende Industrienation Europas beschämend und inakzeptabel. Ein weiteres Beispiel ist die fehlende Digitalisierung der Behörden und ihrer Bürgerdienste. Während man etwa in Estland ein Unternehmen in wenigen Minuten online gründen kann, muss man in Deutschland selbst für eine Standardangelegenheit wie einen Personalausweis auf die Amtsstube gehen. Das ist verschwendete Lebenszeit. Die Liste ließe sich noch beliebig weiter führen. Verantwortlich dafür ist, wie schon erwähnt, die unkoordinierte Digitalpolitik der Bundesregierung. Zwar haben viele Ministerien für sich genommen gute Ideen und Pläne für die Umsetzung des digitalen Wandels in ihren Bereichen. Aber es fehlt eben an einer echten Gesamtstrategie. Insbesondere mangelt es an klaren Zuständigkeiten, genauen Zeitplänen und ausreichenden Finanzmitteln. Damit diese Hindernisse endlich aus dem Weg geräumt werden können, brauchen wir schnellstens ein Digitalministerium.

Was muss jetzt schnellstens geschehen?

Zuerst gilt es, die mangelhaften Grundlagen in den Griff zu kriegen, denn damit beschäftigt sich die Bundesregierung schon viel zu lange. Es kann einfach nicht sein, dass wir im Jahr 2019 in Deutschland immer noch darüber diskutieren, wie wir das ganze Land flächendeckend mit schnellem Internet versorgen können. Das hätte schon längst passieren müssen. Denn während bei uns noch hunderte Menschen im Funkloch stecken, wird irgendwo anders auf der Welt ein neues Amazon, Google oder Uber gegründet. Schon deshalb es ist außerdem wichtig, dass wir unseren Unternehmen dabei helfen, sich schneller zu digitalisieren und dass wir Startups besser fördern und unterstützen. Darüber hinaus, das hatte ich bereits erläutert, sollten wir uns auch um die Digitalisierung der Behörden und ihrer Verwaltungsleistungen kümmern. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt, den ich noch nicht angesprochen habe, sind unsere Schulen. Ich fordere, dass diese dringend mit digitaler Technik ausgestattet werden und es müssen bundesweit digitale Lehrkonzepte eingeführt werden. Denn fundiertes Wissen über digitale Prozesse und Technologien wird zukünftig noch viel mehr als heute zu den unabdingbaren Grundlagen eines erfolgreichen Berufslebens zählen. Zwar ist Bildungspolitik eine Aufgabe der Länder, aber mit dem Digitalpakt Schule haben wir zumindest einen ersten wichtigen Schritt zur besseren finanziellen Unterstützung der Schulträger durch den Bund gemacht. Das darf aber erst der Anfang sein. Es gäbe noch so viele weitere Baustellen, zum Beispiel im Bereich Datenschutz und IT-Sicherheit, aber wir müssen schließlich irgendwo anfangen.

Was sind in Ihren Augen die größten Chancen der Digitalisierung?

Zunächst einmal ist es eine Tatsache, dass durch die Digitalisierung mehr Menschen auf dieser Welt einen schnelleren und günstigeren Zugang zu umfassendem Wissen und aktueller Information haben, als jemals zuvor in der Geschichte. Darüber hinaus erleichtert der digitale Wandel auch unseren Alltag, im Privaten wie im Beruflichen. Ich denke da zum Beispiel an das Arbeiten im Home Office oder die Möglichkeit, die Sprechstunde beim Hausarzt per Videochat wahrzunehmen, anstatt erst in die Praxis fahren zu müssen. Aber auch große gesellschaftliche Herausforderungen wie der Klimawandel lassen sich mithilfe digitaler Technologien und Innovationen lösen, zum Beispiel durch neuartige Mobilitätslösungen. Schon an diesen drei Beispielen zeigt sich, dass die digitale Transformation über ein enormes Potential verfügt, das Leben der Menschen im Kleinen wie im Großen zu erleichtern und zu verbessern. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Menschen die Möglichkeit bekommen, an den Chancen des digitalen Wandels teilzuhaben und dann auch von ihnen profitieren können. Dies zu ermöglichen, ist Aufgabe unserer Bundesregierung, die dieser Verantwortung bisher leider nicht gerecht wurde.

Sehen Sie auch Risiken? Wie begegnet man denen am besten?

Selbstverständlich sind mit einer so umfassenden gesellschaftlichen Veränderung wie der digitalen Transformation nicht nur Chancen, sondern auch Risiken verbunden. Wie schon bei der industriellen Revolution werden beispielsweise nicht nur neue Berufsbilder entstehen, sondern auch alte verschwinden. Auch Fake News und Hate Speech sind negative Begleiterscheinungen der digitalen Gesellschaft. Das darf nicht klein geredet oder geleugnet werden. Aber es wäre äußerst töricht, den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als würde der digitale Wandel spurlos an uns vorüber ziehen. Das wird er sicher nicht, ganz im Gegenteil: Wenn wir die Chancen nutzen und die Risiken minimieren wollen, dann müssen wir Problemen aktiv begegnen und den Wandel selbst gestalten. Dazu braucht man einen funktionierenden Plan, dazu braucht man eine funktionierende Strategie. Die Strategie der Bundesregierung, dass jedes Ministerium den Wandel für sich gestaltet, ist klar gescheitert. Das belegen die vielen angesprochenen Baustellen. Die Digitalpolitik der Großen Koalition ist ein großes Chaos. Um dieses zu beseitigen und die digitale Transformation positiv gestalten zu können, brauchen wir dringend das von uns vorgeschlagene Digitalministerium, das den gesamten Wandel koordiniert und federführend verantwortet.

Die Linke
Portrait Petra Sitte

Petra Sitte (Die Linke), geboren 1960, sitzt seit 2005 im Bundestag. Sie ist Mitglied in den Ausschüssen für Digitale Agenda und Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Sie ist Obfrau in der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz. © Die Linke

Die FDP-Fraktion fordert ein Digitalministerium. Eine gute Idee?

Nicht unbedingt – oder jedenfalls löst das alleine noch nicht die Probleme, die wir haben.

Was spricht dafür beziehungsweise dagegen?

Digitale Themen spielen in jedem Politikbereich eine Rolle, also müssen sie überall mitgedacht werden. Im Moment verfolgt dort jedes Ministerium seine eigenen Vorstellungen, und dazu kommen dann zig Stellen und Gremien, die das alles koordinieren sollen – im Kanzleramt, im Digitalrat, im Digitalkabinett... Was vor allem fehlt, ist eine vernünftige Absprache und eine einheitliche, übergeordnete Strategie. Vielleicht kann ein Digitalministerium dabei helfen, aber wenn nicht jedes Ministerium seinen Beitrag leistet und die Bundesregierung klare Vorstellung zur Gestaltung der Digitalisierung entwickelt, ist es einfach nur ein Gremium mehr, dass sich im Zweifel nicht besser gegen die Interessen in anderen Ministerien durchsetzen kann als das Umweltministerium beim Klimaschutz.

Oft liest man, Deutschland läge im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung weit zurück. Woran genau kann man das festmachen, warum ist das so und wer ist dafür verantwortlich?

Das fängt schon bei den ganz grundlegenden Sachen an, also beim Netz selbst. Wenn man sich die Funklöcher und die fehlenden Glasfaser-Leitungen in Deutschland anguckt und mit anderen Ländern vergleicht, sieht man, was für ein Rückstand da ist. Verantwortlich dafür sind die Regierungen der letzten Wahlperioden, die falsche Weichenstellungen der Vergangenheit nicht korrigiert haben und zu lange darauf gesetzt haben, dass sich die Sache von selbst regelt. Leider muss man sagen – so absurd das aus heutiger Sicht klingt –, dass viele in der Politik lange so getan haben, als wäre das Internet und die damit einhergehenden Änderungen eine vorübergehende Erscheinung. Und dieses Denken hat heute noch Einfluss auf die Gesetzgebung, wie man etwa an den Diskussionen zu Urheberrecht und Upload-Filtern sieht.

Was muss jetzt schnellstens geschehen?

Beim Netzausbau muss der Staat aufhören, das der Privatwirtschaft zu überlassen, und selbst Geld in die Hand nehmen, um Infrastruktur in öffentlichem Eigentum aufzubauen. Was die Digitalisierung insgesamt angeht, da gibt es natürlich viele Baustellen. Aber was wirklich notwendig wäre, wären ein paar klare Grundsatz-Entscheidungen: Ja zur Förderung von Verschlüsselung und zum Schließen von Sicherheitslücken, anstatt das für einen "Cyberkrieg" aufzubrechen. Ja zu einem offenen Zugang zu Wissen statt staatlicher Geheimniskrämerei und dem Bedienen von Geschäftsinteressen.

Was sind in Ihren Augen die größten Chancen der Digitalisierung?

Die größte Chance der Digitalisierung sehe ich dort, wo sie Menschen miteinander in Verbindungen bringen kann, wo sie also Austausch, Verständigung und Kooperation über früher vorhandene Hürden und Grenzen hinweg ermöglicht und den Zugang zu Wissen und Handlungsmöglichkeiten erleichtert. Auch wenn sich hier schon viel geändert hat im Vergleich zu früheren Zeiten, sind die Potenziale noch gewaltig.

Sehen Sie auch Risiken? Wie begegnet man denen am besten?

Das größte Risiko scheint mir die Machtanhäufung, die wir bei privaten Monopolisten wie Google, Facebook, Amazon und so weiter beobachten, und die Gefahr, dass sich das weiter ausweitet und zu einer Privatisierung von öffentlichen Räumen und verschärfter Ausbeutung führt. Um dem zu begegnen, muss man sehr grundsätzlich über die Regulierung solcher Plattformen nachdenken, was sich natürlich nicht nur allein in Deutschland denken lässt. Und wir brauchen ein Bewusstsein dafür, dass es auch öffentliche und demokratisch organisierte, am Gemeinwohl ausgerichtete Alternativen geben kann und wir diesen Weg gehen müssen.

Bündnis 90/Die Grünen
Porträt Dieter Janacek

Dieter Janecek (Bündnis 90/Die Grünen), geboren 1976, sitzt seit 2013 im Bundestag. Er ist Obmann im Ausschuss Digitale Agenda, außerdem Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie und der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz. Foto: Stefan Kaminski

Die FDP-Fraktion fordert ein Digitalministerium. Eine gute Idee?

In der Theorie hört sich ein Digitalministerium gut an, ob es aber tatsächlich weiterhilft, ist fraglich. Besser wäre es, die Digitalisierung im Bundeskanzleramt anzusiedeln, aber richtig! Also ernsthaft steuernd – und nicht wie aktuell mit einer Staatsministerin für Digitalisierung, die zwar engagiert für digitale Themen kämpft, aber keine wirkliche Macht hat.

Warum zweifeln Sie an dem Sinn eines Digitalministeriums?

Natürlich wäre es charmant, wenn wir hier in Berlin ein schickes Gebäude hätten, an dem ein Schild klebt, auf dem “Bundesministerium für Digitalisierung” steht. Das könnte vielleicht Vertrauen schaffen, dass sich die Regierung um Digitalthemen endlich mal ernsthaft kümmert. Ob die Zusammenarbeit in der Bundesregierung aber allein mit einem repräsentativen Namen besser wird, ist stark zu bezweifeln. Was nützt ein Digitalministerium, wenn Digitalprojekte weiterhin in der Abstimmung mit den anderen Ministerien stecken bleiben? Digitalpolitik wird immer Querschnittsaufgabe sein, aber es braucht jemanden, der die Richtung vorgibt. Am besten wäre hier das Kanzleramt.

Oft liest man, Deutschland läge im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung weit zurück. Woran genau kann man das festmachen, warum ist das so und wer ist dafür verantwortlich?

Egal ob digitale Verwaltung oder LTE-Abdeckung, Deutschland ist hier nicht gut aufgestellt. Wir haben bei der Digitalisierung kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Es fehlt eine klare Priorisierung der Projekte innerhalb der Regierung. Wir brauchen eine Instanz mit Richtlinienkompetenz, die dafür sorgt, dass die Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind, zueinander passen und eine große gemeinsame Linie verfolgt wird. Die sehr konkreten Handlungsempfehlungen der Internet-Enquete-Kommission des Bundestages von 2013 wurden seitens der Regierung schlicht ignoriert, die Digitale Agenda der Bundesregierung 2014 war kaum mehr als eine Stoffsammlung ohne klare Richtung und die eher blumigen Ankündigungen diverser Digitalgipfel haben uns auch nicht weiter gebracht.

Was muss jetzt schnellstens geschehen?

Das im Herbst 2018 von der Bundesregierung als „Umsetzungsstrategie“ vorgelegte Sammelsurium aus 111 Einzelvorhaben hilft leider auch nicht weiter, wenn es für die Projekte keine konkreten Budgets und keine konkreten Kennzahlen oder Ziele gibt. Und wir brauchen endlich ressortübergreifende Leitprinzipien, eine einende Vision, wie wir in einer digitalen Gesellschaft gut und gerne miteinander leben wollen.

Was sind in Ihren Augen die größten Chancen der Digitalisierung?

Grundsätzlich ist die Digitalisierung das Versprechen, die Welt mittels Daten, durch Vernetzung und Automatisierung der Datenverarbeitung besser verstehen und steuern zu können. Es geht also im Prinzip darum, genauer, schneller und umfassender in die Welt eingreifen zu können. Probleme, die wir mit dem bisherigen Wissen nicht lösen können oder zum Teil – etwa durch Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung – auch erst geschaffen haben, können wir mit Hilfe der Digitalisierung vielleicht besser lösen. Besonders spannend und vielseitig verwendbar erscheinen dabei Technologien wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und das Internet of Things.

Sehen Sie auch Risiken? Wie begegnet man denen am besten?

Natürlich bringt die Digitalisierung auch Risiken mit sich. IT-Giganten wie Amazon oder Google werden immer wertvoller und mächtiger. Diesen Monopolisierungstendenzen in der digitalen Wirtschaft müssen wir viel stärker entgegentreten, bis hin zur Zerschlagung großer Digitalkonzerne. Wir sehen, wie sich Hass und Hetze im Netz rasend schnell verbreiten. Wie autoritäre Regime die Digitalisierung nutzen, um ihre Bevölkerung immer stärker zu kontrollieren – ein Blick nach China genügt. Mit einem starken Datenschutz müssen wir sicherstellen, dass Menschen nicht dauerüberwacht werden – weder von staatlicher Seite noch von Unternehmen. Ein bislang völlig unterschätztes Thema ist der Strom- und Ressourcenverbrauch durch die Digitalisierung. Wir brauchen effizientere Rechenzentren, müssen deren Abwärme besser nutzen, beispielsweise um Gebäude zu heizen. Endgeräte müssen langlebiger und reparierbar sein – hier müssen wir die Hersteller stärker in die Pflicht nehmen.

Mehr zum Thema