Soziales Die unbekannte Wahl
Nikolas Neuhöfer
Sie ist die drittgrößte Wahl in Deutschland, aber kaum einer kennt sie: Die Sozialwahl. Dabei darf man hier sogar schon ab dem 16. Lebensjahr wählen. Was genau es damit auf sich hat, erklären wir euch hier.
Im Jahr 2023 wird gewählt – aber nicht der neue Bundestag (der ist schon 2021 dran), sondern die Sozialparlamente. Die was? – werden jetzt einige von euch denken, nie gehört von diesen Parlamenten. Hier geht's um unser Sozialsystem, konkret um die Renten-, die Kranken-, die Unfall- und die Pflegeversicherung. Wer hier einzahlt – und das ist die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger – darf wählen. Die Sozialparlamente sind die Vertretungen aller, die sozialversichert sind.
Das sind in Deutschland immerhin 51 Millionen Menschen bei gut 83 Millionen Einwohnern. Damit ist die Sozialwahl die drittgrößte Wahl in Deutschland nach der Europa- und der Bundestagswahl.
Unabhängig und selbstständig
Deutschland ist ein sogenannter Sozialstaat. Das heißt, der Staat unterstützt seine Bürger zum Beispiel im Alter oder bei Unfällen und sorgt dafür, dass keine zu große soziale Ungleichheit entsteht. Dazu zahlen Arbeitnehmerinnen udn Arbeitnehmer in die Krankenkasse oder etwa die Rentenversicherung ein.
Diese Institutionen nennt man auch Sozialversicherungsträger. Und jetzt kommt das Besondere: Sie sind selbstverwaltet, also keine staatlichen Einrichtungen, sondern rechtlich selbstständige und vom Staat weitgehend unabhängig. Das heißt auch: alle, die dort versichert sind, können über eine Vertreterversammlung bei Entscheidungen mitwirken.
Wählen mit 16 Jahren
Da natürlich nicht alle überall mitreden und entscheiden können, finden alle sechs Jahre die sogenannten Sozialwahlen statt. Jeder, der Beiträge einzahlt, darf seine Vertreter wählen. Das geht schon ab dem 16. Lebensjahr, wenn man zum Bespiel eine Ausbildung macht. Die gewählten „Selbstverwalter“ machen ihren Job ehrenamtlich, ohne Gehalt.
Halbe halbe
Die Sozialparlamente lassen sich in drei Kategorien unterteilen: In die Verwaltungsräte der gesetzlichen Krankenkassen, die Vertreterversammlungen der gesetzlichen Unfallversicherung und die Vertreterversammlung der gesetzlichen Rentenversicherung.
Und falls jetzt jemandem auffällt, dass hier die Arbeitslosenversicherung fehlt, dann kurz der Hinweis: Dort läuft es etwas anders. Infos dazu gibt es hier.
Die Sozialparlamente bestehen jeweils zur Hälfte aus ehrenamtlichen Selbstverwaltern, also von den Versicherten gewählten Vertretern, und aus gewählten Mitgliedern der Arbeitgeberseite, die bei einer ähnlichen Wahl bestimmt werden. Schließlich zahlen hierzulande nicht nur Arbeitnehmer in die Sozialversicherungen ein, sondern auch deren Arbeitgeber.
Warum ist das wichtig?
Die Sozialwahl ist wichtig, weil in den Sozialparlamenten Entscheidungen getroffen werden, die direkten Einfluss auf die Versicherten haben. Bei den gesetzlichen Krankenkassen entscheiden sie unter anderem darüber, welche Heilverfahren, Präventions- und Reha-Maßnahmen übernommen und bezahlt werden. Ein wichtiges Ziel der Sozialwahl ist es auch, Sachverstand und Bürgernähe mit einzubringen.
"Friedenswahlen"
Die Selbstverwalter der Sozialparlamente werden von den Versicherten ihrer jeweiligen Versicherung gewählt. Die Wahl erfolgt in den meisten Fällen über eine Liste, die von Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertretungen aufgestellt werden. Allerdings gibt es immer häufiger sogenannte „Friedenswahlen“. Dann klären Gewerkschaften vorab unter sich, wer und welche Liste für was kandidiert. Wenn es hierbei zu einer Einigung kommt, gibt es keine „richtige“ Wahl für die Versicherten der Versicherung, weil alle Plätze automatisch besetzt werden können.
Rückblick
Die erste Sozialwahl fand 1953 statt und momentan läuft bis zur nächsten Wahl 2023 die zwölfte Amtsperiode. Die Wahl findet üblicherweise per Brief statt und ist portofrei. Bei den Krankenkassen soll es ab 2023 möglich sein, online abzustimmen. Bei der letzten Sozialwahl 2017 nahmen 15,3 Millionen Versicherte teil, was einer Wahlbeteiligung von 30,26 Prozent entspricht.
Nikolas Neuhöfer
ist 18 Jahre alt und kommt aus Duisburg. In seiner Freizeit engagiert er sich politisch, trifft sich mit Freundinnen und Freunden und liest gerne. Außerdem ist er an seiner Schule als Schülersprecher aktiv und mag es zu reisen. Nikloas redet so viel, dass er selbst im Schlaf nicht damit aufhören kann.