Umfragen Das Parlament in der Pandemie
Ob in Schulen oder Geschäften – überall läuft es anders als vor Corona. Aber was ist mit dem Parlament? mitmischen.de hat bei den Fraktionsspitzen und den Vorsitzenden der Ausschüsse nachgefragt.
Infektionsschutz, Hilfen für die Wirtschaft, Geld für sozial Schwache: Der Bundestag beschloss in den letzten Wochen im Eilverfahren viele Gesetze, um die Corona-Krise in den Griff zu bekommen.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble betonte schon zu Beginn der Pandemie: „Neben den notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz ist oberstes Gebot, die Handlungsfähigkeit des Parlaments zu erhalten“.
Das ist ihm, den 709 Abgeordneten und der Verwaltung bislang gelungen, wie zwei Umfragen von mitmischen.de unter den Fraktionsspitzen und den Vorsitzenden der Ausschüsse zeigen. Dabei sagen nicht nur Mitglieder der Koalitions-Fraktionen, die die Regierung stützen, dass das Parlament relativ reibungslos funktioniert. Auch die Opposition von der AfD- bis zur Linksfraktion vermeldet: es läuft.
Das heißt, die Bundestagsabgeordneten können auch unter widrigen Bedingungen das tun, was ihre Aufgabe ist: Sie streiten über den richtigen politischen Weg und die richtigen Maßnahmen nicht nur in Bezug auf die Pandemie, sie beschließen Gesetze, kontrollieren die Bundesregierung und entscheiden über das Geld, das diese ausgeben möchte.
Mini-Parlament mit strengen Regeln
Das alles funktioniert, da inzwischen auch eine Art Mini-Parlament handeln kann. Im Normalfall muss mindestens die Hälfte aller Abgeordneten im Sitzungssaal sein, damit der Bundestag beschlussfähig ist. Bei insgesamt 709 Abgeordneten sind das 355. Das ist Corona-bedingt jetzt anders. Am 25. März beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit eine Änderung der Geschäftsordnung für die Pandemie-Zeit. Jetzt muss es nur noch ein Viertel sein, also nur noch 178 Mitglieder des Bundestages. So soll zum einen gewährleistet werden, dass der Plenarsaal nicht zu voll ist und der Mindestabstand eingehalten werden kann. Zum anderen soll die Regelung sicherstellen, dass das Parlament auch dann noch Entscheidungen treffen könnte, wenn ein großer Teil der Abgeordneten erkranken würde und in Quarantäne bleiben müsste.
Diese neue Regel gilt aber nur vorübergehend. Sie ist bis 30. September 2020 befristet. Sollte die Krise vorher überstanden sein, könnte der Bundestag sie sofort wieder aufheben. Sollte die Pandemie länger andauern, kann die Regel verlängert werden – aber wieder auf Zeit.
Bei den sogenannten ‚Rumpfsitzungen‘ im Plenarsaal gelten natürlich strenge Hygiene-Vorschriften: Zwischen den Abgeordneten bleiben immer zwei Stühle frei. Das Rednerpult wird für jeden neuen Sprecher desinfiziert. Und auch bei den Abstimmungen im Foyer werden die Abstandsregeln eingehalten.
Video-Schalten und Split-Screens
Auch für die Ausschüsse gilt die geänderte Geschäftsordnung: Ein Viertel der Ausschuss-Mitglieder reicht aus, um Entscheidungen zu treffen. Hier kann das eine Viertel sogar erreicht werden, indem der eine oder die andere per Video-Konferenz zugeschaltet wird.
Viele Ausschüsse tagen nämlich nun mit verkleinerter Besetzung und schalten weitere Mitglieder oder auch externe Experten per Video-Konferenz zu – „hybride Treffen“ nennt man diese Mischung aus realer und digitaler Präsenz. Bei manchen Ausschüssen ist das allerdings wegen besonderer Geheimschutz-Vorgaben gar nicht möglich.
Hier berichten verschiedene Ausschuss-Vorsitzende, wie sie mit der Situation umgehen.
Etliche öffentliche Anhörungen könnt ihr übrigens verfolgen – nicht vor Ort, aber in der Mediathek des Bundestages. Auch wenn die Videos derzeit etwas anders aussehen und sonst, weil statt des Sitzungssaals immer mal der Split-Screen der Video-Konferenz zu sehen ist.
Wie geht es weiter?
Auch wenn die Zahlen der Corona-Ansteckungen derzeit in Deutschland erfreulich langsam steigen, weiß natürlich niemand, ob nicht doch noch eine zweite Welle droht. Deshalb werden nach wie vor weitere Möglichkeiten diskutiert, wie der Bundestag auch künftig mit dieser und anderen Ausnahmesituationen umgehen soll.
Im Gespräch ist sowohl ein „hybrides Parlament“, bei dem Abgeordnete, die nicht an einer Sitzung teilnehmen können, über eine Art Fernbedienung von zuhause aus mit abstimmen dürften, als auch ein noch mal kleineres Notparlament, wie es auch für militärische Notfälle vorgesehen ist. Dafür wäre allerdings eine Grundgesetzänderung notwendig. Und darauf konnten sich die Fraktionen bisher nicht einigen.
„Die anhaltend dynamische Entwicklung macht es notwendig, die Lage täglich neu zu bewerten“, schrieb Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im März an die Abgeordneten. Das ist bis heute so geblieben.
Video-Interview zur aktuellen Lage
Hier seht ihr Patrick Sensburg (CDU/CSU), den Vorsitzenden des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, im Interview mit dem Parlamentsfernsehen zur aktuellen Situation im Bundestag:
(jk)