Interview zu Ausbildungshilfen „Azubis müssen sich keine Sorgen machen“
Flexible Berufsberatung und digitalere Berufsschulen – das will die FDP in der Corona-Krise für die Ausbildung tun. Warum er von einer Ausbildungsprämie nichts hält, erklärt Jens Brandenburg im Interview.
Müssen sich Azubis wegen der Corona-Krise Sorgen um ihren Abschluss machen?
Nein. Im Moment tun Betriebe, Berufsschulen und Kammern alles dafür, dass Auszubildende ihre Ausbildung erfolgreich abschließen können. Sie sorgen zum Beispiel dafür, dass ausgefallene Prüfungen nachgeholt werden können und dass Berufsschulunterricht so weit wie möglich wieder stattfinden kann. In Einzelfällen kann es natürlich zu Verzögerungen kommen. Aber niemand hat Interesse daran, dass Ausbildungen abgebrochen werden.
Werden Jugendliche, die jetzt ihren Schulabschluss machen, Schwierigkeiten haben, für das kommende Ausbildungsjahr einen Platz zu finden?
Das hängt sehr von der Branche ab. Beispielsweise die Veranstaltungsbranche ist natürlich jetzt sehr krisengebeutelt. In anderen Branchen werden aber weiterhin händeringend Fachkräfte gesucht: in der Pflege zum Beispiel und in vielen Handwerksberufen. Auch die Gastronomie und Hotellerie erholt sich allmählich ein bisschen. Das lässt sich noch nicht absehen, aber mir haben viele Betriebe berichtet, dass sie trotz der Krise auch im kommenden Ausbildungsjahr wieder Auszubildende einstellen wollen. Sie wissen, dass sie jetzt in Ausbildung investieren müssen, um nicht in den nächsten Jahren ohne Fachkräfte dazustehen.
In einem Antrag schlagen Sie vor, mehr sogenannte Einstiegsqualifizierungen zu ermöglichen. Was ist das?
Das ist ein Instrument, das sich an die richtet, die trotz Ausbildungssuche keinen Platz gefunden haben. Wir sagen, es ist besser, für diese Jugendlichen einen Praktikumsplatz anzubieten als sie in schulischen Maßnahmen zu parken. Denn so können sie sich schon mal in einem Betrieb behaupten. Das war in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Viele von den jungen Leuten werden nach dem Praktikum von dem Betrieb in eine Ausbildung übernommen.
Kann das für Schulabgänger, die eigentlich in die Ausbildung starten wollen, eine befriedigende Lösung sein? Immerhin verlieren sie dadurch ein Jahr.
Es ist ja nur der Plan B. Plan A sollte auf jeden Fall sein, einen regulären Ausbildungsplatz zu bekommen. Aber wenn das eben nicht klappt, dann ist die Einstiegsqualifizierung eine gute Lösung. Die Jugendlichen werden während ihres Praktikums vergütet. Und wenn sie nach sechs oder zwölf Monaten für eine volle Ausbildung übernommen werden, dann können sie das Praktikum dafür auch anerkennen lassen. Das ist also keine verlorene Zeit.
Was sollte ein „Corona-Sofortprogramm für die Berufliche Bildung“, wie Ihre Fraktion es fordert, außerdem noch beinhalten?
Uns ist wichtig, die Berufsorientierung stärker in den Blick zu nehmen. In der Corona-Zeit waren kaum Berufsberater an den Schulen. Es ist wichtig, dass wir auch kurzfristig für den aktuellen Ausbildungsjahrgang eine gute Berufsorientierung anbieten. Vor allem digitale Angebote können und müssen jetzt alle Schülerinnen und Schüler erreichen.
Das würden wir gerne ergänzen mit einem „Digitalpakt 2.0“ für die beruflichen Schulen, um sicherzustellen, dass digitale Bildung dort stattfinden kann. Wichtig ist eine moderne Ausstattung, aber genauso wichtig sind die pädagogischen Ansätze und die Lehreraus- und -weiterbildung.
Als drittes Element möchte ich noch die internationalen Austauschprogramme nennen: Erasmus+ als europäisches Programm steht ja nicht nur Studierenden, sondern auch Auszubildenden offen. Das wird zu wenig genutzt und sollte stärker beworben werden, weil das für junge Auszubildende wirklich eine hervorragende Gelegenheit ist, Auslandserfahrungen zu sammeln.
Aber können diese Austausche denn aktuell überhaupt stattfinden?
Natürlich wurde aufgrund der Reisebeschränkungen erst mal vieles abgesagt. Die Auslandsaufenthalte fallen deshalb aber nicht aus, sie laufen einfach später an. Wir gehen davon aus, dass die Reisebeschränkungen jetzt sukzessive wieder aufgehoben werden und man sich in den nächsten Monaten wieder freier bewegen kann.
Die Bundesregierung plant eine „Ausbildungsprämie“, das heißt, Betriebe, die im nächsten Ausbildungsjahr Ausbildungsplätze erhalten oder sogar neue schaffen, sollen Geld dafür bekommen. Eine gute Idee?
Nein. Das ist ein teures Programm, das vielen Betrieben kleine Beträge überweist. Aber am Ende hat das kaum einen Effekt für die Auszubildenden selbst. 2.000 Euro werden nicht darüber entscheiden, ob ein Unternehmen einen Ausbildungsplatz anbieten kann oder nicht. Das wird schnell verpuffen.
Besser wäre es gewesen, das Geld zu investieren in eine moderne Berufsorientierung, um alle Schülerinnen und Schüler zu erreichen, und in einen Digitalpakt, der alle Berufsschulen technisch auf den aktuellen Stand bringt.
Über Jens Brandenburg
Jens Brandenburg, 34, ist Unternehmensberater und sitzt für die FDP im Bundestag. Dort ist er Obmann im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie in der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
(jk)
Lest hier, welche Schwerpunkte die SPD beim Thema Ausbildung in der Corona-Krise setzen möchte: