Corona-Krise „Wir brauchen Soforthilfen für Auszubildende“
Wie leiden Azubis unter der Corona-Krise? Und wie kann man ihnen helfen? Die Bundesregierung plant unter anderem eine Ausbildungsprämie. Yasmin Fahimi (SPD) aus dem Bildungsausschuss erzählt, welche Ideen im Bundestag besprochen wurden.
In Ihrer Bundestagsrede sprachen Sie von einem „Ausbildungsnotstand, auf den wir zulaufen“. Inwiefern leiden Azubis unter der Corona-Krise?
Es zeichnen sich dramatischen Zustände für das kommende Ausbildungsjahr ab. Aber auch diejenigen, die jetzt schon in der Ausbildung stecken und in ihrem Betrieb nichts mehr machen können, haben ein Riesenproblem. Viele haben die große Ungewissheit, ob sie ihre Abschlussprüfungen rechtzeitig machen können. Da brauchen wir dringend kluge, kreative neue Ideen, wie wir helfen können.
Laut Linksfraktion droht Azubis ein Abbruch ihrer Ausbildung. Wer ist davon betroffen?
Davon sind theoretisch erst mal alle Auszubildenden betroffen, deren Betriebe ihre Mitarbeiter im Moment in Kurzarbeit schicken müssen. Das betrifft natürlich vor allem die Gastronomie und die Tourismus-Branche, aber auch Arbeitgeber im Kulturbereich.
Brauchen wir ein „Corona-Sofortprogramm für die Berufliche Bildung“, wie es die FDP fordert?
Ja, wir brauchen Soforthilfen – allerdings nicht so, wie die FDP das fordert. Die FDP schlägt zum Beispiel mehr sogenannte Einstiegsqualifizierungen vor. Ich finde das völlig unangemessen, Schulabgängern, die jetzt einen Ausbildungsplatz suchen, zu sagen: Geht bitte in die Warteschleife – obwohl sie fit und reif für einen Ausbildungsplatz sind. Sie verlieren ja dadurch ein Jahr, übrigens ein Jahr, in dem sie dann auch keine Ausbildungsvergütung bekommen.
Auch eine andere Forderung aus dem FDP-Antrag ärgert mich. Die Fraktion will die Ausbildungsstrukturen „deregulieren“ und „entbürokratisieren“, also regelnde Maßnahmen abschaffen. Das hat mit der Corona-Krise überhaupt nichts zu tun. Die Ausbildung in Deutschland ist gut aufgestellt, und die Ausbildungsbetriebe haben großes Interesse daran auszubilden. Diese Deregulierungsfantasien sind Vorschläge aus der Mottenkiste. Das hat mit konkreter Unterstützung für Ausbildungsbetriebe nichts zu tun. Gute Ausbildungsbedingungen sind eine Stärke unseres Fachkräftemarktes und kein Hindernis.
Welche Soforthilfen wären aus Ihrer Sicht hilfreich?
Wir haben als SPD schon eine Reihe von Vorschlägen in die Verhandlungen mit der CDU/CSU über das Konjunkturprogramm eingebracht. Wir wollen jetzt akut jenen Ausbildungsbetrieben helfen, die nicht mehr wissen, wie sie die Ausbildung noch sicherstellen sollen. Etwa, indem man sie fördert, wenn sie ihre Auszubildenden außerhalb des Betriebs weiter ausbilden. Und indem man Betriebe unterstützt, die sich bereit erklären, solche Auszubildenden zu übernehmen. Für die soll es eine Übernahmeprämie geben.
Für die Auszubildenden selbst würde ich mir noch wünschen, dass wir ihnen zusichern können, dass sie auch wirklich so lange im Ausbildungsverhältnis bleiben können, bis sie ihre Abschlussprüfung gemacht haben – auch wenn die sich noch verzögern sollte.
Nicht nur die Jugendlichen, die aktuell in der Ausbildung sind, haben Sorgen. Schüler, die jetzt ihren Abschluss machen, werden wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu finden. Was tun Sie und Ihre Kollegen dagegen?
Wir wollen die Ausbildungsplätze halten – gerade im kleinen und mittelständischen Bereich, wo viel ausgebildet wird. Auch hier soll es eine Prämie geben: Alle, die das gleiche Niveau an Ausbildungsplätzen halten wie im letzten Jahr, sollen eine Prämie von 2.000 Euro bekommen. Und wer sogar zusätzliche Ausbildungsverträge anbietet, eine Prämie von 3.000 Euro.
Über die Digitalisierung an weiterführenden Schulen ist in der Corona-Krise viel gesprochen worden. Wie sieht es an Berufsschulen aus? Wie weit ist man da in Sachen digitales Lernen?
Ich habe viele Regionen besucht, in denen die Berufsschulen schon unheimlich weit sind – weiter als die allgemeinbildenden Schulen. Das bezieht sich auf die Lernmethoden, auf die Technik – aber digitales Lernen heißt ja nicht nur, dass ich ein Whiteboard und ein mobiles Endgerät zur Verfügung stelle, sondern auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer sich damit auseinandersetzen, welche neuen Lernmethoden damit möglich sind. Da sind Berufsschulen zum Teil schon sehr weit, auch wegen ihrer Nähe zu den Ausbildungsbetrieben. Trotzdem gibt es noch große regionale Unterschiede.
Ich würde mir wünschen, dass wir durch diese Krise noch mal ein größeres Erwachen erleben und da einen deutlichen Schritt vorankommen. Blended Learning ist für mich die Zukunft. Das heißt im Prinzip nichts anderes als Lernen mit gemischten Methoden und Technologien, also eine Mischung aus gutem Präsenz-Unterricht und digital unterstütztem Lernen, das sehr viel individueller auf die einzelnen Schülerinnen und Schüler ausgerichtet sein kann.
Über Yasmin Fahimi
Yasmin Fahimi (52) sitzt für die SPD im Bundestag. Sie ist Obfrau in der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“ und Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Ihr Wahlkreis liegt in Hannover. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.
(jk)