Konstantin Kuhle (FDP) „Ich habe erst angefangen“
Viktoria Sochor
Der 32-jährige FDP-Politiker Konstantin Kuhle sitzt im Bundestag und kandidiert erneut. Mit Autorin Viktoria reiste er durch seinen Wahlkreis in Südniedersachsen. Warum sie dabei noch Autos lackierten und was Kuhle an seinem Beruf mag.
Ein doppelter Wahlkampf
Die Scheibenwischer bewegen sich gleichmäßig im Takt. „Folgen Sie dem Straßenverlauf“, verkündet die monotone Stimme des Navigationsgerätes, während der Regen immer stärker wird. Die Straße lässt sich nur noch verschwommen durch die Windschutzscheibe erkennen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle sitzt am Steuer, sein Blick ist nach vorne gerichtet und fokussiert.
Eigentlich wollten wir uns an einem seiner liebsten Orte in seinem Wahlkreis in Göttingen treffen, in dem er als Direktkandidat für die FDP bei der Bundestagswahl am 26. September antritt. Stattdessen fahren wir nun aus der Universitätsstadt Göttingen nach Bad Lauterberg im Harz. Denn Kuhles Terminkalender ist voll: zwei Wochen vor der Bundestagswahl im September steht die Kommunalwahl in Niedersachsen an. Für den FDP-Bundestagsabgeordneten, der seit 2018 auch Generalsekretär der FDP Niedersachsen ist, also ein doppelter Wahlkampf.
„Jetzt kommt eine sehr spannende Zeit“
„Ich habe erst angefangen“, erklärt der 32-Jährige mit Blick auf seine politische Laufbahn. Seit 2017 sitzt er im Bundestag, in den er über die Landesliste der FDP eingezogen war. Er ist innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und arbeitet entsprechend im Ausschuss für Inneres und Heimat, zudem im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und in der Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit.
Seine Rolle als Politiker in der Opposition empfindet er nicht als Nachteil; sie sei sehr spannend, sagt er. „Aus der Opposition heraus ist es gelungen, die eigenen Vorstellungen zu konkretisieren.“ Jetzt kandidiert er erneut für das Parlament in Berlin. „In den letzten Jahren habe ich gut verstanden, worauf es ankommt. Jetzt kommt eine sehr spannende Zeit.“ In seiner Partei ist er einer der jüngsten Kandidaten und gilt als aussichtsreicher Politiker.
Zwischen Stadt und Land
Wir fahren durch den Wahlkreis Göttingen in Südniedersachsen. Immer mehr Berge sind zu sehen. Konstantin Kuhles Wahlkreis verläuft zwischen dem Mittelgebirge Harz und der Weser. „Mein Wahlkreis hat ein sehr städtisches und ländliches Gesicht“, erzählt Kuhle. „Dieser Gegensatz im Wahlkreis ist ein Spiegel der deutschen Gesellschaft.“ Er beschreibt das so: Urbaner Raum mit städtischem Flair in Göttingen, wo besonders viele junge Menschen leben. Die Georg-August-Universität Göttingen, die älteste und zweitgrößte Universität in Niedersachsen, und viele Forschungseinrichten prägen das Geschehen in der Stadt, es gibt viele große Unternehmen und eine gute Verkehrsanbindung mit dem Zug und dem Auto.
Kuhle selbst hatte nach seinem Zivildienst in der Altenbetreuung beim Deutschen Roten Kreuz Rechtswissenschaft in Hamburg studiert, einige Monate auch in Paris. Seit 2017 arbeitet er als Rechtsanwalt in Hannover.
"Die Lebensrealität ist eine andere"
Aber auch kleinere Mittelstädte wie Duderstadt und Hannoversch Münden gehören zum Wahlkreis. Es gibt Regionen, die weniger dicht besiedelt sind und es leben viele ältere Menschen dort. „Die Lebensrealität ist hier eine andere“, erklärt Kuhle. Ländliche Regionen müssten attraktiver gemacht werden, indem die Digitalisierung weiter ausgebaut werde, Kindergartenplätze zu Verfügung gestellt und Bildung und Wissenschaft gefördert werden. „Leider lässt die digitale Ausstattung zu wünschen übrig. Es gibt ein Digitalisierungsdefizit“, konstatiert Kuhle. Insbesondere die Corona-Pandemie habe offengelegt, dass es Nachbesserungsbedarf bei Schulen und Bildungseinrichtungen gebe.
„Persönliche Treffen und Austausch“
Der FDP-Abgeordnete, der selbst auf dem Dorf aufgewachsen ist, begann sich sehr früh für Politik zu interessieren. Bereits während der Schulzeit engagierte er sich bei den Jungen Liberalen (JuLis), der Jugendorganisation der FDP. Im Jahr 2005 trat er der FDP bei und engagierte sich im Landesverband Niedersachsen. „Mir macht es einfach große Freude, mich mit anderen über Politik auszutauschen. Es ist reizvoll und spannend“, sagt der 32-Jährige, der von 2014 bis 2018 Bundesvorsitzender der JuLis war und seit 2015 Mitglied im FDP-Bundesvorstand ist.
Die Sitzungswochen der zu Ende gehenden Wahlperiode verbrachte Kuhle überwiegend in Berlin. Bedingt durch die Corona-Pandemie und die parlamentarische Sommerpause ist er nun öfter in seinem Wahlkreis unterwegs. „Seit Mitte Juni bin ich zu 80 Prozent hier“, erklärt er. Die digitalen Veranstaltungen seien eine sinnvolle Ergänzung. „Ich freue mich aber auch wieder über persönliche Treffen und den Austausch“, erzählt der Politiker.
Wahlkampf mit der Spritzpistole
Den sucht er, so oft es möglich ist. Während wir reden, geht unsere Reise weiter. Im südlichen Harz angekommen, ändert sich die Landschaft. Man sieht Berge, die durch den Regen in Nebel getaucht sind. In Bad Lauterberg trifft Kuhle zwei junge Kandidaten, die im September bei der Kommunalwahl für die FDP in Bad Lauterberg antreten werden. Der Wahlkampf wird geplant und diskutiert: Wann sollen Wahlplakate aufgehängt werden? Wie können Erstwähler erreicht werden?
Anschließend besuchen wir den Meisterbetrieb des einen Kandidaten, eine Autolackiererei in Bad Lauterberg. Es riecht nach Farben und Lack, man hört das Zischen der Farbspritzpistolen. Autokarosserien stehen in der Werkstatt verteilt. Konstantin Kuhle unterhält sich mit dem jungen Unternehmer und nimmt auch mal selbst eine Spritzpistole in die Hand.
„Die Demokratie muss sich behaupten“
Nach dem Gespräch mit dem Jungunternehmer geht es für ihn weiter zum nächsten Termin; hier steige ich aus. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Was er sich für die Bundestagswahl wünscht, frage ich noch. „Ich hoffe, dass viele Menschen trotz der Pandemie wählen gehen. Die Demokratie muss sich behaupten“, sagt Konstantin Kuhle, bevor er wieder ins Auto steigt. Für ihn geht es weiter – ins Sauerland.
Viktoria Sochor
ist 20 Jahre alt und studiert Rechtswissenschaften und Politik in Göttingen. Neben dem Schreiben gehört das Fotografieren und Reisen zu ihren Leidenschaften. Das größte Abenteuer erlebte sie, als sie eine einwöchige Zugfahrt durch die kanadische Prärie unternahm.