19. April 1999 Bundestag bezieht vor 25 Jahren das umgebaute Reichstagsgebäude
Dass der Deutsche Bundestag von Bonn nach Berlin ziehen wird, wurde 1991 mit einer knappen Mehrheit von 338 zu 320 beschlossen. Nach dieser Entscheidung stand fest: Das Parlamentsgebäude in Berlin muss modernisiert werden. am 19. April 1999 war es dann soweit und das Berliner Reichstagsgebäude konnte feierlich eröffnet werden.
„Berlin ist von nun an die politische Metropole Deutschlands; das umgebaute Reichstagsgebäude ist ab heute Sitz des Deutschen Bundestages.“ Mit diesen Worten umschrieb Bundestagspräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) vor 25 Jahren, am Montag, 19. April 1999, das Ereignis, mit dem dieses Datum in die Geschichtsbücher einging: Das deutsche Parlament ist nach Berlin zurückgekehrt. Thierse hatte zuvor aus den Händen des britischen Architekten Norman Foster symbolisch den Schlüssel für das Parlamentsgebäude in Empfang genommen.
Wiederaufbau nach dem Krieg
Nach dem 19. April kam der Umzug des Parlaments vom Bonner Rheinufer an die Spree ins Rollen, das Gros der Parlamentsmitarbeiter zog in der parlamentarischen Sommerpause 1999 in die Hauptstadt um.
Das von 1884 bis 1894 erbaute Gebäude war im Krieg stark zerstört worden. Nach dem Krieg wurde auch die beschädigte Kuppel gesprengt, die der Architekt Paul Wallot entworfen hatte. Den Wiederaufbau des im Westteil der Stadt, aber hart an der Berliner Mauer gelegenen Bauwerks hatte der Architekt Paul Baumgarten bis 1973 übernommen.
Umbau nach der Verhüllung durch Christo
Nach der deutschen Vereinigung beschloss der Bundestag am 20. Juni 1991 in Bonn mit 338 gegen 320 Stimmen, den Sitz von Parlament und Regierung nach Berlin zu verlegen. Norman Foster erhielt den Auftrag zum Umbau des Gebäudes und zur Wiederherstellung einer Kuppel. Im Juni 1995 erregten die Künstler Christo und Jeanne-Claude Aufsehen mit ihrem Projekt der Reichstagsverhüllung. Unmittelbar danach begann der Umbau des Gebäudes.
Das gut dreieinhalb Jahre später wiedereröffnete Reichstagsgebäude, Heimat des Deutschen Bundestages, verfügte über hell belichtete, große Räume und verlieh damit Transparenz und Leichtigkeit. Ein Großteil der historischen Bausubstanz war freigelegt und öffnete den Blick für die Wallot-Architektur mit den Beschädigungen, die ihr der Reichstagsbrand 1933, der Zweite Weltkrieg und die Wiederaufbauarbeiten zugefügt hatten. Die offene Raumstruktur, der freie Zugang zur Kuppel und die Besuchsmöglichkeiten auf der Besucherebene erlauben Einblick in die Arbeit des Parlaments.
„Kritische Selbstvergewisserung“
Wolfgang Thierse sah den Bundestag in Berlin in der Tradition des Bonner Parlamentarismus. „Wir wollen keine neue Ära, keine andere Republik, sondern einen möglichst unaufgeregten, geradezu selbstverständlichen Wechsel von Bonn nach Berlin“, sagte der Parlamentspräsident in der ersten Bundestagssitzung im neuen Plenarsaal nach der Schlüsselübergabe. Die Bundesrepublik werde der föderale, rechtsstaatliche und soziale Bundesstaat sein, der sich in Bonn über Jahrzehnte bewährt habe.
Zugleich forderte Thierse zu einer „kritischen Innenansicht unserer eigenen Geschichte“ auf, die nichts mit selbstgefälliger Rückschau oder gar Geschichtsrevisionismus zu tun habe, sondern mit einer „kritischen Selbstvergewisserung, welches historische Erbe wir gerade in diesem so umstrittenen Gebäude antreten“.
„Dieser Ort lässt keinen Schlussstrich zu“
An Traditionen wie dem Antifaschismus, einem unaufgeregten, bescheidenen Verhältnis zur Nation, dem Streben nach sozialem Ausgleich, der guten Nachbarschaft und dem Interessenausgleich mit den anderen Völkern und Staaten, der europäischen Zusammenarbeit und Integration sowie der Fortentwicklung der Europäischen Union müsse man festhalten, betonte der Bundestagspräsident. Er fügte hinzu: „Dieser Ort ist Geschichte, er lässt keinen Austritt aus ihr, er lässt keinen Schlussstrich zu!“
Thierse dankte dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl, der 1983 gesagt habe, es bleibe als Mahnung festzuhalten, dass die Republik jeden Tag neu erworben werden müsse, „weil die politische Kultur der Freiheit sich nicht von selbst versteht“.
Tatkraft, Fairness und Offenheit
Er dankte dem Architekten Sir Norman Foster, der mit dem Neubau von Plenarsaal und Kuppel innerhalb der historischen Ursprungsarchitektur eine gelungene Synthese geschaffen habe. Sein Dank galt auch seiner Amtsvorgängerin Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU), dem Vorsitzenden der Baukommission des Bundestages Dietmar Kansy (CDU/CSU) sowie allen, die zum Gelingen des Projekts beigetragen hätten.
Foster sagte, er habe bei der Ausschreibung des Wettbewerbs zunächst Zweifel gehabt, ob er als Ausländer für ein so bedeutsames Gebäude die Verantwortung übertragen bekommen würde. Im Nachhinein könne er feststellen, dass der Prozess von Anfang bis Ende von Tatkraft, Fairness und Offenheit aller Beteiligten geprägt gewesen sei.
„Ein Volk ist so groß wie seine Architektur“
Dietmar Kansy zitierte den früheren französischen Präsidenten François Mitterrand mit den Worten: „Ein Volk ist so groß wie seine Architektur.“ Die Verantwortlichen hätten sich darum bemüht, nicht luxuriös oder pompös, sondern würdig und angemessen für ein Verfassungsorgan zu bauen.
Der Bundestag habe nicht nur ein Quartier gesucht in dieser Stadt, sondern mitgestalten wollen als deutsches Parlament. Dies sei gelungen, ohne den Kostenrahmen zu überschreiten.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf bundestag.de.