Interview zu Wahlmanipulation „Die Gefahr einer Wahlmanipulation ist sehr gering“
Marejke Tammen
Nicht mehr lange, dann wird ein neuer Bundestag gewählt. Doch wie sicher ist die Stimmabgabe am 23. Februar eigentlich? Was schützt vor Wahlmanipulation? Und welche Strafen haben mögliche Täter zu erwarten? Darüber haben wir mit dem Politikwissenschaftler Dr. Aiko Wagner von der Freien Universität Berlin gesprochen.

Dr. Aiko Wagner ist Politikwissenschaftler und arbeitet und forscht an der Freien Universität Berlin. © David Ausserhofer
Die Gefahr einer Wahlmanipulation ist sehr gering. Das zeigen verschiedene Forschungsprojekte. Im internationalen Vergleich sind die Wahlen in Deutschland sehr integer. Das spiegelt sich auch im Vertrauen der Bevölkerung wider. Die meisten Bürgerinnen und Bürger vertrauen auf eine ordnungsgemäße, faire und regelkonforme Durchführung der Wahl.
Ja, davon ist auszugehen. Dafür muss man sich nur vor Augen führen, dass es allein in Berlin mehr als 2.000 Wahlbezirke gibt. Das heißt: Um das Wahlergebnis zu beeinflussen, müssten sehr viele Wahllokale manipuliert werden.
Wenn wir in der Forschung von Wahlmanipulation sprechen, dann meinen wir in der Regel die Manipulation bei der Auszählung der Stimmzettel. Fasst man den Begriff aber etwas weiter, dann kann man darunter auch die Manipulation des Zulassungsprozesses verstehen. Das haben wir zuletzt in Belarus gesehen; dort wurden bestimmte Kandidaten gar nicht erst zur Wahl zugelassen. Grundsätzlich muss man jedoch zwischen Wahlmanipulation und Einflussnahme unterscheiden.
Eine Einflussnahme findet im Vorfeld der Wahl statt. Dabei geht es darum, die Meinungen von Bürgerinnen und Bürgern in eine bestimmte Richtung zu lenken. Besonders gut eignen sich dafür die sozialen Medien, denn auf Plattformen wie Instagram oder TikTok lassen sich schnell Fake News und Desinformationen verbreiten. Wahlmanipulation hingegen meint das aktive Manipulieren an der Wahlurne oder beim Auszählen der Stimmen.
Zum einen müssen die Wahlhelferinnen und -helfer, also die Menschen, die die Stimmzettel auszählen, eine Schulung machen. Darin lernen sie unter anderem verdächtiges Verhalten frühzeitig zu erkennen. Zum anderen gilt bei der Auszählung der Stimmzettel das Mehraugenprinzip. Das heißt: Die Stimmzettel werden von mindestens zwei Wahlhelfenden ausgezählt. Und dann gibt es auch noch externe Wahlbeobachter. Dabei handelt es sich um Experten von internationalen Organisationen, die bei der Wahlvorbereitung, -durchführung und Stimmenauszählung genau zuschauen.
Nein, da sehe ich keinen Zusammenhang. Was natürlich passieren kann, sind unabsichtliche Fehler. Die passieren überall da, wo Menschen arbeiten. Und wenn die Zeit knapper wird, in der Dinge erledigt werden müssen, für die sonst mehr Zeit zur Verfügung steht, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo irgendwer einen Fehler macht. Aber dass dadurch systematisch Probleme bei der Sicherheit der Wahl auftauchen, das glaube ich nicht. Dafür sind die Behörden in Deutschland zu erfahren und professionell.
Das ist tatsächlich etwas schwierig. Mit Sicherheit lässt sich immer nur sagen, dass man keine Wahlmanipulation beobachten konnte. Denn: Wenn Wahlmanipulation stattfinden sollte, dann würde es an unzähligen Stellen auffallen. Das Nicht-Auffallen spricht daher eher dafür, dass es nicht passiert ist. Die Nicht-Manipulation kann man nicht beweisen.
Aber das sind alles nur indirekte Erwägungen, denn ein systematisches Verfahren zur Überprüfung von Wahlmanipulation gibt es noch nicht. Zwar gibt es mathematische Verfahren, mit denen versucht wird, Wahlmanipulation mithilfe von Zahlenkombinationen und -verteilungen aufzudecken, aber das wird in Deutschland noch nicht flächendeckend angewendet.
Mir ist nicht bekannt, dass es Versuche gab, den Ausgang einer Wahl zu manipulieren. Es gab zwar bei der letzten Landtagswahl in Sachsen den Fall, dass Stimmzettel der Briefwahl zugunsten der Partei „Freie Sachsen“ manipuliert wurden. Aber dabei handelte es sich lediglich um etwas mehr als 100 Stimmzettel. Einfluss auf das Wahlergebnis hatte das nicht.
Bereits der Versuch einer Wahlmanipulation ist in Deutschland strafbar. Wer die Feststellung des Wahlergebnisses behindert, stört oder fälscht, muss mit mindestens einer Geldstrafe, in manchen Fällen sogar mit einer Freiheitsstrafe mit bis zu fünf Jahren rechnen. Die potenziellen Strafen sind auf jeden Fall hoch.
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