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Konstituierende Sitzung des ersten Deutschen Bundestages „Dem Frieden der Welt dienen“

Nachdem im Mai 1949 die Bundesrepublik Deutschland durch die Verkündung des Grundgesetzes gegründet worden war und im August 1949 die erste Bundestagswahl stattgefunden hatte, fand im September 1949 die konstituierende Sitzung des ersten Deutschen Bundestages in Bonn statt. Wer war dabei, wer wurde in welches Amt gewählt und welche Ziele hatte sich der erste Deutsche Bundestag gesteckt?

Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt die Eröffnung der ersten Sitzung des ersten Deutschen Bundestages 1949 in Bonn.

Alterspräsident Paul Löbe eröffnete am 7. September 1949 die konstituierende Sitzung des Deutschen Bundestages. © Picture Alliance / dpa /dpa bundesbildstelle

Die konstituierende Sitzung des ersten Deutschen Bundestages fand am Mittwoch, 7. September 1949, in dem von Architekt Hans Schwippert in wenigen Monaten neu errichteten Plenarsaal statt - einem Anbau zu der zum Bundeshaus ausgebauten ehemaligen Pädagogischen Akademie. Der Gebäudekomplex der ehemaligen Hochschule bildete als sogenanntes Bundeshaus den Kern des sich entwickelnden Parlaments- und Regierungsviertels.

Die erste Sitzung des Deutschen Bundestages begann um 16:05 Uhr. Das Orchester der Stadt Bonn spielte zur Eröffnung die Ouvertüre „Weihe des Hauses“ von Ludwig van Beethoven. Unter den Gästen befanden sich als Vertreter der Alliierten, also der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, die Hohen Kommissare John Jay McCloy (USA), Brian Robertson (Großbritannien) und André François-Poncet (Frankreich), der päpstliche Visitator Bischof Aloysius Muench, die Direktoren des Frankfurter Wirtschaftsrates (das oberste Organ der amerikanisch-britisch besetzten Zone), die elf westdeutschen Ministerpräsidenten sowie der Regierende Bürgermeister Berlins, Ernst Reuter. Von den Masten vor dem Bundeshaus wehten die Flaggen der elf westdeutschen Bundesländer und Berlins sowie die schwarz-rot-goldene Flagge. An der Stirnseite des Plenarsaals trug ein weißer Vorhang die in Gold gestickten Wappen der Bundesländer und Berlins.

Laut Westdeutscher Zeitung seien die Bonner zu tausenden zum Bundeshaus geströmt, um die Konstituierung des ersten Deutschen Bundestages mitzuerleben. Auf Außentribünen vor der gläsernen Seitenwand des Plenarsaals konnte man die Geschehnisse im Plenarsaal über Lautsprecher mitverfolgen. Wer auf den Tribünen keinen Platz fand, konnte auf der Rheinpromenade der Eröffnungssitzung per Lautsprecherübertragung lauschen.

Die Titelseite der Westdeutschen Zeitung vom 8. September 1949 trug die Überschrift „Die Geburt der Bundesrepublik Deutschland“.

Die Westdeutsche Zeitung titelte am Tag nach der konstituierenden Sitzung des ersten Deutschen Bundestages „Die Geburt der Bundesrepublik Deutschland“. © Westdeutsche Zeitung / 2018 ULB Bonn + ULB Münster

Die Abgeordneten

Dem ersten Deutschen Bundestag gehörten nach der Wahl vom 14. August 1949 insgesamt 410 Abgeordnete an. Darunter zu Beginn der Wahlperiode 28 Frauen, was einem Anteil von 6,8 Prozent entsprach. Das Durchschnittsalter aller Abgeordneten betrug 50 Jahre. Viele Mitglieder des ersten Deutschen Bundestages verfügten über parlamentarische Erfahrungen: So hatten drei Bundestagsabgeordnete bereits der Weimarer Nationalversammlung 1919/20 angehört. 29 Abgeordnete waren Mitglied des Reichstages bis 1933 gewesen, sechs gehörten dem Länderrat der amerikanischen, 40 dem Zonenbeirat der britischen Besatzungszone an. 56 Abgeordnete waren Mitglied im Wirtschaftsrat für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, 34 hatten dem Parlamentarischen Rat angehört.

Eröffnung durch Alterspräsident Paul Löbe

Paul Löbe (SPD) war von 1920 bis 1924 und von 1925 bis 1932 Präsident des Reichstages der Weimarer Republik. Er eröffnete als Alterspräsident die erste Sitzung des Deutschen Bundestages. Er verwies in seiner Rede auf die Erwartungen der Menschen an das neue Parlament: „Was erhofft sich das deutsche Volk von der Arbeit des Bundestages? Dass wir eine stabile Regierung, eine gesunde Wirtschaft, eine neue soziale Ordnung in einem gesicherten Privatleben aufrichten, unser Vaterland einer neuen Blüte und neuem Wohlstand entgegenführen (…)“. Und: „Indem wir die Wiedergewinnung der deutschen Einheit als erste unserer Aufgaben vor uns sehen, versichern wir gleichzeitig, dass dieses Deutschland ein aufrichtiges, von gutem Willen erfülltes Glied eines geeinten Europa sein will.“

Wahl des ersten Präsidiums

Im Anschluss an die Rede des Alterspräsidenten wählten die Abgeordneten in geheimer Abstimmung mit großer Mehrheit auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion den hessischen Bundestagsabgeordneten und vormaligen Präsidenten des Wirtschaftsrates Dr. Erich Köhler (CDU) zum ersten Bundestagspräsidenten. Er erhielt 346 der abgegebenen 402 Stimmen (81,1 Prozent). Nach der Amtsübernahme des neuen Bundestagspräsidenten wurden seine beiden Stellvertreter, Prof. Dr. Carlo Schmid (SPD) und Dr. Hermann Schäfer (FDP) per Akklamation gewählt. Gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung benannten die Fraktionen, die nicht im Präsidium vertreten waren, jeweils einen Schriftführer: Gustav Gundelach (Kommunistische Partei Deutschlands), Heinz Matthes (Deutsche Partei), Anton Freiherr von Aretin (Bayernpartei), Dr. Herwart Miessner (Deutsche Konservative Partei - Deutsche Rechtspartei), Otto Pannenbecker (Zentrumspartei) und Alfred Loritz (Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung).

Der Bundestagspräsident formulierte in seiner Antrittsrede Grundsätze für das zukünftige Handeln der Abgeordneten: „(…) Wir wollen dienen den Armen und Bedürftigen, wir wollen die Selbstsucht in Schranken halten, und wir wollen den Schwachen vor dem Starken schützen. Indem wir so handeln, werden wir auch im tiefsten Sinne eine der grundlegenden Bestimmungen des Grundgesetzes erfüllen, nämlich dem Frieden der Welt zu dienen.“

Der erste Bundestag nimmt die Arbeit auf

Den Ausführungen des Bundestagspräsidenten folgte der letzte Satz der 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven. Daran schloss sich eine kurze Antragsberatung an: Die KPD-Fraktion beantragte, dass der Bundestag in seiner konstituierenden Sitzung eine Stellungnahme zum Demontageproblem – als Ausgleich für erlittene Kriegsschäden demontierten die Alliierten industrielle Anlagen in Deutschland und überführten diese in ihre jeweilige Heimat – beschließen möge.

Von Seiten der SPD-Fraktion wurden für die nächste Arbeitssitzung drei Entschließungsanträge, in denen insbesondere die Einstellung der Demontagen, die Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik und die Verlegung der Bundesorgane von Bonn nach Frankfurt gefordert wurde, angekündigt. Alle Anträge wurden zur Kenntnis genommen und an den Ältestenrat überwiesen, der den Termin für ihre weitere Beratung festlegen sollte. 

Um 18.18 Uhr schloss Bundestagspräsident Köhler die Sitzung des ersten Deutschen Bundestages der Bundesrepublik Deutschland.

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