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75 Jahre erster Deutscher Bundestag Bundestagswahl 1949: Das forderten die Parteien

Marejke Tammen

Der zweite Weltkrieg war vorbei, die Nationalsozialisten besiegt und Deutschland lag in Trümmern – architektonisch wie politisch. Wie also sollte es weitergehen? Eine Frage, die für viel Streitereien zwischen den neuformierten Parteien sorgte. In ihren Wahlprogrammen zur ersten Bundestagswahl 1949 suchten sie nach Antworten.

Collage aus schwarz-weißen historischen Wahlplakaten.

Wahlkampf in Westdeutschland: Auch vor der Bundestagswahl am 14. August 1949 warben die Parteien mit Wahlplakaten um Stimmen. Und ein schlauer Seifenhersteller platzierte seine Werbung dazwischen. © picture alliance / dpa | dpa

Die ersten Jahre der Nachkriegszeit waren geprägt von Hunger, Obdachlosigkeit und Schwarzhandel. Die vier Siegermächte, Großbritannien, die USA, Frankreich und die Sowjetunion, bemühten sich, die staatliche Ordnung, Wirtschaft und Infrastruktur wiederherzustellen. Und auch die demokratischen Parteien wurden wieder aufgebaut. Größtenteils wurden diese von Vertretern der ehemaligen Parteien der Weimarer Republik getragen, die die Zeit des Nationalsozialismus zum Teil im Exil verbracht hatten. Nun, vier Jahre nach Ende des Krieges, nahmen die Parteien ihre Arbeit wieder auf und erstellten politische Programme für die Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949. Auf dem Stimmzettel standen 19 Parteien – unter ihnen auch Parteien, die noch heute im Deutschen Bundestag vertreten sind: SPD, CDU, CSU und FDP.

Ein historischer Wahlzettel auf vergilbten Papier.

Stimmzettel zur Wahl des 1. Deutschen Bundestages 1949. © Stiftung Haus der Geschichte

Soziale Marktwirtschaft vs. Planungsmaßnahmen

Nachdem das Grundgesetz im Mai 1949 verabschiedet und die Bundesrepublik Deutschland somit gegründet worden war, begaben sich die Parteien in einen hitzigen Wahlkampf. Eine Frage dominierte diesen ganz besonders: die nach der Wirtschafts- und Sozialordnung. Die CDU sprach sich in ihrem Wahlprogramm für das System der Sozialen Markwirtschaft aus, da diese einen „Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und der sozialen Gerechtigkeit“ anstrebe. Planungs- und Verteilungsmaßnahmen, wie sie die SPD forderte, lehnten die Christdemokraten entschieden ab. Der Staat müsse zwar den Markt überwachen und bei Missständen eingreifen, dürfe aber die Wirtschaft nicht bevormunden, hieß es auf Seiten der CDU. In seinem Wahlaufruf plädierte der CDU-Vorsitzende Konrad Adenauer für die Fortführung der Sozialen Marktwirtschaft und fand scharfe Worte für die Politik der SPD: „An Ihnen, am Wähler, liegt es am letzten Ende, wie diese Leere ausgefüllt werden soll. Ob mit einer Institution, einem Parlament und einer Regierung, die uns wieder dem Zwang der Staatsallmacht und dem Sozialismus in die Arme führt oder mit einem Bundestag und einer Bundesregierung, denen das Schicksal des Einzelnen, seine Freiheit und sein Wohlergehen oberstes Gesetz ihres Handelns sein wird.“

Ein historisches Wahlplakat in den Farben blau weiß und rot.

Wahlplakat der CDU zur Bundestagswahl 1949. © picture alliance / Ulrich Baumgarten | Ulrich Baumgarten

Während die Christdemokraten der SPD also sozialistische Bestrebungen unterstellte, warf der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher wiederum der CDU vor, kein Konzept gegen die steigende Arbeitslosigkeit zu haben. In SPD-Wahlprogramm hieß es dazu: „Die schuldigen Vertreter der ‚fairen Wirtschaft‘ antworten darauf mit Beschimpfungen der Arbeitslosen, denen sie einreden wollen, es handele sich nur um eine Reinigungskrise. Die Einreihung der Arbeitslosen in den Wirtschaftsprozess, der Aufbau der zerstörten Städte und neuer Produktionsstätten kann nur nach sorgfältiger Planung mit dem Ziel der Bedarfsdeckung geschehen.“ Als Lösung für eine erstarkende Wirtschaft wollten die Sozialdemokraten den Lebensstandard der Bürgerinnen und Bürger verbessern und warben mit Preissenkungen und fairen Löhnen.

Ein historisches Wahlplakat in weiß und rot.

Wahlplakat der SPD, 1949. © picture alliance / Ulrich Baumgarten | Ulrich Baumgarten

Umgang mit Heimatvertriebenen und sozialer Lastenausgleich

Ein weiteres wichtiges Thema im Wahlkampf war der Umgang mit den Heimatvertriebenen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges suchten etwa acht Millionen Menschen aus den ehemaligen deutschen Gebieten - Ostpreußen, Pommern, dem Sudentenland und Schlesien - ihre neue Heimat in der frisch gegründeten Bundesrepublik. Eine große Aufgabe für ein Land, das von Arbeitslosigkeit und Hunger geplagt war. Wie sollte man also mit den Vertriebenen umgehen, die von vielen Deutschen als Eindringlinge und Störenfriede wahrgenommen wurden? SPD, CDU und FDP waren sich einig: Es handelt sich um eine gesamtdeutsche Aufgabe, die sich nur durch eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge lösen lässt. Die SPD schrieb in ihrem Wahlprogramm: „Die Verteilung der Flüchtlinge ist nach den wirtschaftlichen Voraussetzungen über ganz Westdeutschland durchzuführen.“  Im Wahlprogramm der FDP hieß es: „Es spricht nicht gerade für die Richtigkeit des besonders von der CDU/CSU vertretenen föderativen Gedankens der Stärkung der Eigenstaatlichkeit der Länder, wenn diese trotz der offensichtlichen Not der Heimatvertriebenen und einen Finanzausgleich sich nicht verständigen können.“

Mit der Aufteilung der Flüchtlinge ging auch die Idee des Lastenausgleiches einher. Diese Form der Umverteilung sollte der Entschädigung und vor allem der Eingliederung der Millionen Geflüchteten und Kriegsgeschädigten dienen. Bei der Frage, wie genau das Geld verteilt und genutzt werden soll, stritten sich die Parteien. Während die SPD und CDU einen Teil des Geldes in den Bau von Flüchtlingsunterkünften investieren wollte, forderte die FDP einen „individuellen Lastenausgleich“, also eine direkte Auszahlung an die Betroffenen: „Kollektivistische Tendenzen, die darauf abzielen, den Lastenausgleich zu sozialistischen Experimenten zu missbrauchen und bedeutende Mittel des lastenausgleichs-Stocks für die Errichtung von Flüchtlingsindustrien und Wohnungsbausiedlungen in Staatshänden zu verwenden, lehnen wir ab.“

Vergilbte Seiten eines Wahlprogrammes.

Ausschnitt aus dem Wahlprogramm der FDP zur 1. Bundestagswahl 1949. © Friedrich-Naumann-Stiftung

Wahlsieger: CDU

Weitere Themen, die den ersten Bundestagswahlkampf in der Geschichte der Bundesrepublik dominierten, waren unter anderem die Bodenreform, der Wohnungsbau und erste Überlegungen zu einer zukünftigen deutschen Außenpolitik.

Am 14. August 1949 war es dann so weit: 78,5 Prozent der mehr als 31 Millionen Wahlberechtigten strömten in die Wahllokale. Anders als heute konnten die Bürgerinnen und Bürger damals nur eine Stimme abgeben. Das führte dazu, dass im ersten Deutschen Bundestag schlussendlich elf Parteien vertreten waren - unter ihnen auch kleine Parteien wie der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) und die Rheinisch-Westfälische Volkspartei (RWVP). Wahlsieger wurde die CDU mit 139 Abgeordneten, gefolgt von der SPD mit 131 Sitzen und der FDP (52 Sitze). Die erste Sitzung des Bundestages fand am 7. September 1949 statt.

Schwarz-weiß Bild von einer Gruppe Bürgerinnen und Bürger, die vor einem Gebäude stehen und auf eine Anzeigetafel blicken.

Bürgerinnen und Bürger vor einer Tafel, die das Endergebnis der Wahl im Wahlkreis 1 in Hamburg anzeigt. © picture alliance / dpa

Die Wahlprogramme zum nachlesen:

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