Video-Projekt „Unsere Generation ist gefragt“
Malte und seine Freunde haben Video-Interviews mit ihren Eltern zur Deutschen Einheit geführt und damit beim Wettbewerb „Umbruchszeiten“ gewonnen. Die Idee hat ein schimpfender Fremder in ihnen geweckt.
Du bist 17. Als du geboren wurdest, war Deutschland längst wieder ein Land. Warum interessiert dich die Geschichte seiner Teilung?
Das ist eine gute Frage – denn ehrlich gesagt war das Schulfach Geschichte für mich immer eher zweitrangig. Das Interesse für die Thematik kam ganz anders zustande.
Nämlich?
Wir haben im Rahmen einer Studienfahrt die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen besucht. Dort war früher einmal unter anderem ein Stasi-Gefängnis, also ein Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Für meine Freunde und mich war das eine sehr bewegende Erfahrung. Und das nicht nur, weil uns die Führung sehr beeindruckt hat. Sondern weil uns dort ein anderer Besucher begegnet ist, der sehr emotional auf diesen Ort und auch auf uns reagiert hat.
Was hat er denn zu euch gesagt?
Er hat sich darüber beschwert, dass wir nicht richtig zuhörten und dem Thema nicht den gebührenden Respekt erweisen würden. So haben wir das eigentlich gar nicht wahrgenommen. Trotzdem hat diese Begegnung uns die Augen dafür geöffnet, wie bedeutsam das Thema auch heute noch für viele Menschen ist. Das ist hängengeblieben und hat am Ende dazu geführt, dass wir uns intensiver damit beschäftigt haben.
Du hast dann mit zwei Freunden ein Video für den Wettbewerb „Umbruchszeiten“ aufgenommen. Dafür habt ihr mit euren Eltern gesprochen. Wie unterschiedlich waren diese Gespräche?
Unsere Eltern haben ganz unterschiedliche Perspektiven auf das Thema – das war das Spannende daran. In meiner Familie, die schon immer in Westdeutschland lebte, hat die Teilung Deutschlands nie eine große Rolle gespielt. Meine Eltern hatten keinen direkten Bezug zur DDR. Meine Mutter war nur einmal mit ihrer Klasse für einen Tagesbesuch in der DDR, aber das war’s dann auch schon. Bennos Vater dagegen hat in der DDR gelebt. Und Moritz‘ Eltern sind nach der Wende aus beruflichen Gründen nach Ostdeutschland gezogen.
Was war für dich besonders spannend an dem Projekt, was hast du gelernt?
Wie wichtig es ist, dass wir Beziehungen zwischen Ost und West aufbauen, um Vorurteile und Abneigungen abzubauen. Ich habe da zum Beispiel ein Bild im Kopf, von dem Bennos Vater erzählt hat: Er war gerade in den Westen gezogen und ist hier in eine Fußballmannschaft eingetreten. Diese ganz normalen sozialen Beziehungen musste er erst mal neu knüpfen und da trafen schon ganz unterschiedliche Lebenserfahrungen und Kulturen aufeinander, obwohl sie ja eigentlich alle aus einem Land kamen. Aber dann hat das Fußballspielen dabei geholfen, sich positiv zu begegnen und richtig kennenzulernen.
Ihr fragt euch in eurem Video, ob die Einheit bei allen in Deutschland angekommen ist. Zu welchem Schluss kommt ihr?
Im Video formulieren wir es so: Einheit ist vielmehr Umbruch. Was wir damit meinen ist, dass die Einheit, von der wir heute sprechen, noch gar nicht richtig abgeschlossen ist. Sie ist ein Prozess über Generationen hinweg. Wir müssen die Grenzen, die es Jahrzehnte lang gab, Stück für Stück in den Köpfen der Leute aufbrechen. Da ist besonders unsere Generation gefragt.
Was denkst du: Was kann man heute tun, damit Deutschland noch besser zusammenwächst?
Wir können Projekte aufbauen, die Begegnungen schaffen. Wir bleiben auf jeden Fall an dem Thema dran. Aktuell organisieren wir Zeitzeugen-Tage an unserer Schule, bei denen Eltern und Großeltern von ihren Erlebnissen berichten.
Außerdem wollen wir eine Anpassung des Lehrplans erreichen, weil wir eben glauben, dass dieses Thema viel lebendiger wird, wenn man es noch mal anders behandelt als nur anhand des Lehrbuchs.
Parallel dazu sind wir dabei, eine Städtepartnerschaft zwischen unserer Heimatstadt Nordhorn und Reichenbach im Erzgebirge zu knüpfen. Da wollen wir Schüleraustausche organisieren. Ich glaube, es liegt wirklich in unserer Hand, eine tatsächliche Einheit zu schaffen.
Zur Person
Malte ist 17 und geht in die 12. Klasse des Evangelischen Gymnasiums Nordhorn. Mit seinen Freunden Benno und Moritz hat er das Video-Projekt „Auf dem Papier vereint, entzweit im Leben“ umgesetzt und damit beim Wettbewerb „Umbruchszeiten“ gewonnen.
Über „Umbruchszeiten“
Für den Wettbewerb „Umbruchszeiten“ haben sich insgesamt 1.278 Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren mit der Zeit des Mauerfalls und der Wiedervereinigung beschäftigt. Sie haben Filme, Podcasts, Texte, Instagram-Kanäle, Zeitschriften, Theaterstücke und Comics dazu gestaltet. Auf umbruchszeiten.de könnt ihr euch die Beiträge anschauen. Ins Leben gerufen haben den Wettbewerb die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer.
(jk)