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Erfahrungsberichte Zu wenig Praxis im Studium

Madelina Pipping

Hanna, Charlotte und Meike wollen Lehrerinnen werden. Hier erklären sie, was sie an ihrem Studium gern ändern würden – und warum sie es trotzdem durchziehen.

Lernendes Mädchen von oben vor einem Bücherregal

Ein Kritikpunkt der Studentinnen: Das Studium findet vor allem theoretisch an der Uni statt – und zu wenig praktisch an der Schule. © shutterstock.com/dotshock

Droht uns eine „Bildungs- und Betreuungskatastrophe“, wie Die Linke in ihrem Antrag „Bildung am Limit – Ausbildungsoffensive für mehr Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher“ mahnt? Fest steht: Es mangelt zunehmend an Lehrkräften. Darüber haben wir mit drei angehenden Lehrerinnen gesprochen.

Lehrermangel: keine Überraschung

Im Antrag steht, dass Schätzungen von bis zu 230.000 unbesetzten Lehrerstellen bis zum Jahr 2030 ausgehen. Hanna, Charlotte und Meike überrascht das nicht.

Die drei Studentinnen befinden sich derzeit mitten im Lehramtsstudium in Niedersachsen. Während Hanna und Meike gerade ihren Bachelor machen, ist Charlotte schon im Praxissemester des Masters. Meike ist 24 Jahre alt und studiert die Fächer Deutsch und Geschichte für die Haupt- und Realschule. Hanna ist 22 Jahre alt und studiert die Fächer Deutsch und katholische Religion für die Grundschule und Charlotte, 23 Jahre alt, studiert Mathe und katholische Religion ebenfalls für die Grundschule.

Warum wollen immer weniger junge Leute Lehrer werden?

Besonders in ihrem Praxissemester hat Charlotte gemerkt, dass sich die Arbeit in den Schulen stark verändert hat in den letzten Jahren. Lehrkräfte müssten heutzutage ein großes Spektrum an Bedürfnissen abdecken. Stichwort Sprache: Es gibt viele Schülerinnen und Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, worauf man als Lehrer natürlich Rücksicht nehmen müsse. Auch dass immer mehr Schulen Ganztagsbetreuung anbieten, sei eine neue Herausforderung für Lehrer.

Hanna stimmt zu, zusätzlich bringt sie den Punkt an, dass das Image einiger Schulformen sehr schlecht sei. Haupt- und Realschulen hätten „zu Unrecht einen schlechten Ruf“. Dieser Ruf wirke abschreckend für zukünftige Lehrkräfte und somit entstehe ein Mangel besonders in diesem Bereich. Charlotte fügt hinzu, dass dieses Image auch oft von Eltern verbreitet werde, die ihre Kinder unbedingt auf das Gymnasium schicken wollen.

Die wenigsten wollen an Haupt- oder Realschulen unterrichten

Meike fasst zusammen: „Der Lehrkräftemangel muss differenziert betrachtet werden: Nicht überall mangelt es an Lehrkräften, sondern eher in den Schulformen, die zunehmend erzieherische Fähigkeiten erfordern.“ Hanna ergänzt: In manchen Fächern mangele es stärker an Lehrpersonal als in anderen.

Das deckt sich mit den persönlichen Erfahrungen der drei. Sie kennen besonders viele Studierende, die an Gymnasien oder Grundschulen unterrichten wollen, aber der Anteil fürs Haupt- und Realschullehramt sei sehr gering. Auch die fachliche Differenzierung sei auffällig. Charlotte verweist auf „die Fächer des außerordentlichen Bedarfs“, welche zum Beginn der Bewerbungszeit ausgeschrieben werden – und die Chancen, ein Studienseminar für das Referendariat zu erhalten, vergrößern. „Im Grundschullehramt sind das besonders Fächer wie Kunst, Musik und Sport und im Gymnasiallehramt besonders Mathe und Physik, an denen es mangelt“, merkt Charlotte an.

„Beitrag zur positiven Entwicklung der Kinder“

Anders als viele ihrer Mitstudierenden hat Meike sich für das Haupt- und Realschullehramt entschieden. Warum? Weil sie selbst Realschülerin war. „Alle Studenten, die ich kenne, die später an der Realschule unterrichteten, haben früher selbst eine besucht“, sagt sie.

Meike möchte dazu beitragen, das schlechte Image der Haupt- und Realschule zu überwinden, und „dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler ihren Weg finden“. Hanna unterstreicht, dass es auch ihr besonders wichtig ist, „einen Beitrag zur positiven Entwicklung der Kinder“ zu leisten.

Zu wenig Praxis und keine einheitlichen Regeln – Kritik am Studium

Auch wenn sich für sie viele Erwartungen an das Studium erfüllt haben, kritisieren die Studentinnen einige Punkte. Sie finden, dass der Praxisanteil mit nur einem Praxissemester im Master zu gering ist. Hanna hätte deutlich mehr praxisorientierte Inhalte erwartet und beklagt, dass man „schon drei Jahre studiert hat, bevor man im Master das Praktikum macht“.

Meike fügt diesen Argumenten hinzu, dass sie besonders im Fach Geschichte oft das Gefühl habe, dass die Seminare für den späteren Beruf nicht relevant seien. Auch Charlotte sagt, besonders in Mathe habe sie das Gefühl, sehr viel fachliches Wissen lernen zu müssen, das sie wahrscheinlich in der Praxis gar nicht brauchen werde.

Charlotte bemängelt die unterschiedlichen Regeln in den Bundesländern: „Ich finde es schade, dass es keine einheitlichen Regelungen bezüglich des Studiums gibt“, sagt sie. Das mache es schwerer, später vielleicht in ein anderes Bundesland zu wechseln, um dort zu unterrichten. Hanna findet es schwierig, von jungen Leuten zu erwarten, dass sie so früh schon festlegen müssen, wo sie unterrichten wollen.

„Nie das große Ganze aus den Augen verlieren!“

Diese Kritikpunkte könnten unter anderen die Ursache dafür sein, dass weniger junge Leute als früher überhaupt ein Lehramtsstudium anfangen, glauben Hanna, Meike und Charlotte. Die Studentinnen finde es wichtig, sich vor Beginn des Studiums schon mal mit Lehramtsstudierenden auszutauschen, um zu wissen, was kommt.

Hanna findet ein gutes Schlusswort: „Egal, wie stressig das Studium zwischenzeitlich vielleicht ist, man darf nie das große Ganze aus den Augen verlieren!“ – Und das sei eben das Ziel, später Kinder auf ihrem Weg zu begleiten.

Mitmischen-Autorin

Madelina Pipping

..studiert Public Governance across Borders (eine Mischung aus Internationale Politikwisschenschaften und Management) in Münster und Enschede. Sie liebt es mit Freunden rauszugehen, Sport zu machen und ganz viel Kaffee zu trinken. Ihr tägliches Highlight sind lustige Hunde-Videos im Internet anzuschauen.

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