Ehrenamt Was brauchen Freiwillige?
Freiwillige Feuerwehr, Pfadfinder, FSJ – in Deutschland gibt es viele Ehrenamtliche, doch sie wünschen sich mehr Unterstützung. Der Unterausschuss für Bürgerschaftliches Engagement hat sich mit ihren Wünschen befasst.
Der 5. Dezember ist der Internationale Tag des Ehrenamts. Weltweit wird an diesem Tag freiwilliges Engagement der Bürgerinnen und Bürger geehrt. In Deutschland engagieren sich bundesweit rund 29 Millionen Menschen ehrenamtlich. Dabei bringen die Freiwilligen sich in Sportvereinen, Kultur, Bildung, in der Nachbarschaftshilfe oder bei Hilfsorganisationen wie dem Technischen Hilfswerk (THW) ein.
Ein Unterausschuss fürs Ehrenamt
Dass Menschen sich unentgeltlich einbringen und Aufgaben in der Gesellschaft übernehmen, ist wichtig – auch für die Demokratie. Denn wer sich ehrenamtlich engagiert, übernimmt Verantwortung und gestaltet mit. Damit das funktioniert, brauchen die Ehrenamtlichen aber die richtigen Rahmenbedingungen. Deswegen gibt es den Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement, der zum Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gehört.
Wie steht es um den Freiwilligendienst?
Der Unterausschuss beschäftigt sich beispielsweise mit Gesetzesvorhaben, die ehrenamtliche Tätigkeiten betreffen. Im September ging es in einem öffentlichen Fachgespräch im Unterausschuss um das Thema Freiwilligendienst. Viele junge Menschen machen nach der Schule einen Freiwilligendienst, in Deutschland oder in anderen Ländern. Die Freiwilligen engagieren sich dabei beispielsweise im sozialen, kulturellen oder ökologischen Bereich, oft auch im Sport.
Befürchtete Mittelkürzungen
In dem Fachgespräch ging es unter anderem um die Mittelkürzungen, die der Haushaltsentwurf 2023 der Bundesregierung im Bereich Ehrenamt, insbesondere beim THW, zu diesem Zeitpunkt vorsah. Ende November 2022 wurde der Haushalt übrigens vom Bundestag beschlossen. In der sogenannten Bereinigungssitzung war zuvor entschieden worden, das Ehrenamt beim THW doch zu stärken.
„Freiwilligendienst gibt festen Rahmen“
Elf Prozent der Schulabsolventen hätten sich im Jahr 2021 für einen Freiwilligendienst entschieden, sagte Kira Bisping, Sprecherin des Bundesarbeitskreises Freiwilliges Soziales Jahr. Das seien 52.331 junge Frauen und Männer gewesen. Die wichtigsten Einsatzorte seien hierbei nach wie vor Kitas, Krankenhäuser und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, so Bisping.
Sie betonte, dass ein Freiwilligendienst in unsicheren Zeiten jungen Menschen einen festen Rahmen und Orientierung geben könne. Sie wünsche sich, dass die Politik die Arbeit der Freiwilligen erleichtere, etwa indem der Nahverkehr kostenlos genutzt werden könne.
Verpflichtendes Engagement?
In dem Fachgespräch ging es auch um die Frage, ob man Engagement womöglich verpflichtend gestalten solle – etwa wie es früher beim Zivildienst der Fall war. Sowohl Bisping als auch der Sachverständige Claudio Jax lehnten diese Idee ab. Jax schlug stattdessen vor, dass man neue Wege gehen könnte, um das Freiwilligenjahr bei jungen Leuten bekannter zu machen. So sei es denkbar, dass jeder Mensch zum Ende der Schullaufbahn ein Schreiben des Bundespräsidenten erhalte, das dazu einlade, sich ein Jahr für die Gesellschaft einzusetzen. Jax appellierte an die Abgeordneten, Budgetkürzungen in einer Zeit der Herausforderungen mit Pandemie, Krieg und Inflation abzuwenden.
„Hoher Nutzen für die Gesellschaft“
Der ehemalige Freiwillige Ben Rating betonte den hohen Nutzen des Freiwilligendienstes für die Gesellschaft und für die Persönlichkeitsentwicklung. Er war für den Sprecher*innenrat Freiwilliges Ökologisches Jahr im Unterausschuss. Die Dienste ermöglichten den jungen Leuten eigenständig zu werden und Verantwortung zu übernehmen. So werde der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt. Rating machte auch darauf aufmerksam, dass sozial Schwächere oft aus finanziellen Gründen von einem Engagement absehen würden. Deshalb wünschte er sich, dass Freiwilligendienste finanziell besser ausgestattet würden.
„Sportstätten offen halten“
Es sei wichtig, in diesen Zeiten Räume für Engagement zu schaffen und Sportstätten offen zu halten und auszubauen, sagte Julia Schneider, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Turnerjugend. Außerdem, so Schneider, brauche es mehr hauptamtliches Personal und Vereine müssten von Bürokratie entlastet werden, um sich auf den eigentlichen Vereinszweck konzentrieren zu können.
Das ganze Fachgespräch könnte ihr euch hier ansehen.
Nationale Engagementstrategie
Darüber, wie das Engagement insgesamt strategisch ausgerichtet werden kann, tauschten sich die Mitglieder des Unterausschusses am 9. November in einem öffentlichen Gespräch über die „Nationale Engagementstrategie“ aus, über die auch die stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement bei uns im Interview spricht.
Die Bundesregierung plant eine Aktualisierung und Modernisierung der Strategie aus dem Jahr 2010.
„Ehrenamt für die Demokratie unverzichtbar“
Gesellschaftliches Engagement sei systemrelevant, sagte Sven Lehmann, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Er sprach im Unterausschuss über den aktuellen Stand der Strategie und betonte, dass das Ehrenamt für die Demokratie unverzichtbar sei.
Die Koalitionsvereinbarung sehe vor, dass die Strategie gemeinsam mit der Zivilgesellschaft erarbeitet werde. Man wolle deshalb all diejenigen einbeziehen, die sich einbringen möchten. Ziel der neuen Strategie müsse es sein, „bürgerschaftliches Engagement krisenfest zu machen“ gegenüber Krieg, Inflation Energieknappheit, Klimawandel oder der Corona-Pandemie.
„Augenhöhe mit Zivilgesellschaft“
Dass die neue Engagement-Strategie nur gemeinsam gelingen könne, unterstrich auch Dr. Lilian Schwalb, Geschäftsführerin des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Um Vorhaben umzusetzen, müsse man sich im Vorfeld darauf verständigen, „was bei der Strategie herauskommen soll“.
Man brauche einen „niedrigschwelligen und transparenten Prozess auf „Augenhöhe mit der Zivilgesellschaft“, sagte Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Dafür müssten sich die 30 Millionen Engagierten und die Organisationen einbezogen fühlten.
„Bisherige Erfahrungen nicht wiederholen“
Ursula Krickl vom Deutschen Städte- und Gemeindebund plädierte dafür, einen offenen Prozess zu schaffen. Sie kritisierte, dass man die Erfahrung von 2009/10 nicht wiederholen dürfe. Damals seien falsche Erwartungen geweckt worden und anschließend seien eine Fülle von Ideen aus der Gesellschaft nicht in der Strategie aufgegriffen worden. Bürgerschaftliches Engagement betreffe die Zivilgesellschaft in ihrem Kern und diese müsse deshalb unbedingt beteiligt sein.
Mehr über das Fachgespräch lest ihr hier.
(Mira Knauf)