Regierungsbefragung Bundeskanzler Olaf Scholz steht Rede und Antwort
Naomi Webster-Grundl und Jasmin Nimmrich
Von der Lieferung der Taurus-Marschflugkörper, den neuesten Enthüllungen im Wirecard-Skandal bis zum Umgang mit einem erstarkenden Rechtsextremismus – zum ersten Mal in diesem Jahr stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Regierungsbefragung den Fragen der Abgeordneten.
Zu Beginn der 90-minütigen Regierungsbefragung am 13. März 2024 berichtete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aus der aktuellen Sitzung des Bundeskabinetts. Die Bundesregierung habe weitreichende Entscheidungen zum Bürokratieabbau getroffen, die der richtige Weg für Tempo und Innovation in der Bundesrepublik seien. „Bürokratieentlastung ist eine der großen Aufgaben der Bundesregierung“, betonte er. Außerdem habe die Bundesregierung Vorschläge für ein weiteres Rentenpaket vorgelegt, dessen Ziel es sei, das Rentenniveau langfristig zu stabilisieren.
Auch auf den in der Ukraine herrschenden Krieg kam der Bundeskanzler in seiner einleitenden Ausführung zu sprechen: „Wir müssen alles dafür tun, damit die Ukraine sich gegen den russischen Angriffskrieg verteidigen kann.“ Er erklärte, Deutschland mache mehr finanzielle Unterstützung für die Ukraine möglich, als alle anderen Länder in Europa, und diese finanzielle Unterstützung sei auch weiter notwendig. Dabei betonte er jedoch, dass jede Entscheidung besonnen abgewogen werden müsse. Der Einsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten in der Ukraine sei eine Grenze, die er als Bundeskanzler nicht überschreiten werde.
CDU/CSU erkundigt sich nach Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern
Die erste Frage aus dem Plenum kam von Reinhard Brandl (CDU/CSU), der wissen wollte, was die wirkliche Erklärung dafür sei, dass sich Kanzler Scholz weigere, den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine zu liefern. Olaf Scholz erklärte, er sehe diese Frage als Chance, mit Halbwahrheiten, die in der Öffentlichkeit kursierten, aufzuräumen. Es handele sich bei Taurus um eine weitreichende Waffe, bei der er es nicht für verantwortbar halte, sie ohne die Beteiligung von deutschen Soldaten am Einsatzort verfügbar zu machen. „Ich als Kanzler habe die Verantwortung zu verhindern, dass es zu einer Beteiligung Deutschlands in diesem Krieg kommt“, so Scholz.
Reinhard Brandl fragte nach, was Scholz dazu bewege, der Ukraine im Einsatz der Taurus-Raketen zu misstrauen. Der Bundeskanzler erklärte, dass Deutschland der Ukraine vertraue und deshalb in Europa der mit Abstand größte Lieferant von Waffen sei. Als Begründung für seine Haltung in Bezug auf Taurus nannte er die zu bewahrende Sicherheit Deutschlands: „Es geht darum, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu garantieren. Darauf habe ich einen Eid geleistet, Herr Kollege.“
Bündnis 90/Die Grünen fragt nach Strategien für Datensicherheit
Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) wollte vom Bundeskanzler eine Einschätzung zu den Recherchen zum Wirecard-Skandal und dem ehemaligen Vorstandsmitglied Jan Marsalek, nach dem gefahndet wird, hören. Olaf Scholz erklärte, er könne keine konkrete Aussage treffen, doch er unterstütze alle Bestrebungen zur umfangreichen Aufklärung. Abg. von Notz erkundigte sich zudem, was die Strategien der Bundesregierung zur Datensicherheit seien mit Hinblick auf den jüngsten Abhörskandal bei der Bundeswehr. Olaf Scholz räumte ein, dass die Bundesregierung sich Bedrohungen dieser Art mehr widmen müsse, als es in den vergangenen Jahren der Fall gewesen sei, da die Bedrohungen für Datensicherheit und kritische Infrastruktur sehr hoch seien. „Es wird uns noch viel Anstrengung und noch viele Jahre kosten, mit denjenigen, die uns auf diese Weise bedrohen, mitzuhalten“, so Scholz.
AfD fordert Aussage zu Taurus-Lieferung
Rüdiger Lucassen (AfD) erklärte, dass die AfD-Fraktion die Aussage des Kanzlers unterstütze, dass die Bundesrepublik an keiner Stelle mit einem militärischen Einsatz in der Ukraine verknüpft sein sollte. Dann stellte er die Frage: „Können Sie uns und den Deutschen versprechen, dass es bei ihrem Nein zur Taurus-Lieferung bleibt?“ Zunächst ließ Olaf Scholz den Fragenden wissen, dass er auf die Unterstützung der AfD-Fraktion verzichte. Dann erklärte er, er habe seine Haltung so eindeutig formuliert, da sie in Bezug auf Taurus klar sei. Er unterstrich abermals: „Es ist Russland, das die Ukraine angegriffen hat und es ist unsere verdammte Pflicht, das unschuldige ukrainische Volk bei der Selbstverteidigung zu unterstützen.“
SPD erkundigt sich nach Anstrengungen gegen Rechtsextremismus
Carmen Wegge (SPD) wollte vom Bundeskanzler wissen, welche Bemühungen die Bundesregierung anstrenge, um Deutschland wehrhafter gegen Rechtsextremismus zu machen. Olaf Scholz erklärte: „Die Demokratie ist ein kostbares Gut, sie beschützt uns. Die Demokratie muss deshalb auch wehrhaft sein, nach außen wie nach innen.“ Deshalb gehe die Bundesregierung mit allen Mitteln des Rechtsstaates gegen die Unterhöhlung der Demokratie vor, wie es Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auch in ihrem Paket vorgestellt habe. Wegge wollte zudem und mit Verweis darauf, dass unter Regierungsbeteiligung rechter Parteien in anderen europäischen Ländern besonders Gerichte entmachtet worden seien, wissen, wie Deutschland in dieser Hinsicht resilienter werden könne. Scholz betonte, dass ein gemeinsamer Prozess aller demokratischen Parteien nötig sei, um Gesetze so weiterzuentwickeln, dass sie die Demokratie wehrhafter machten.
FDP geht auf Streik-Auswirkungen bei kritischer Infrastruktur ein
Reinhard Houben (FDP) fragte den Bundeskanzler, ob er finde, dass aufgrund anhaltender Streiks Regelungen zu Ausständen in der kritischen Infrastruktur angebracht seien. Darauf erwiderte Olaf Scholz: „Aus meiner Sicht: Nein, um es sehr klar zu sagen.“ Darüber hinaus betonte er, dass es sich beim Streikrecht um ein demokratisches Recht handele, das seit der Weimarer Republik in der Verfassung festgeschrieben sei. Auf die Nachfrage, ob eine Notversorgung sichergestellt werden sollte, da zum Beispiel militärische Güter mit der Eisenbahn transportiert würden, erklärte Olaf Scholz: „Deutschland ist ein Land, das von der Sozialpartnerschaft geprägt ist. Mit einer Konsequenz: Wir sind das Land in Europa, das von den wenigsten Streiks betroffen ist – oder ziemlich dicht dabei.“ Man könne sich auf die deutschen Gewerkschaften verlassen, sodass durch Streiks weder Menschen noch das Land gefährdet werden würden, so der Bundeskanzler.
Die Regierungsbefragung in voller Länge