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Fraktionsmeinungen Demokratie fördern – aber wie?

Ist die Demokratie in Deutschland gefährdet? Was tun Sie für politische Bildung? Wir haben Mitglieder des Familienausschusses aus allen Fraktionen befragt.

CDU/CSU
Portrait der Abgeordneten

Katja Leikert (CDU/CSU) © Tobias Koch

Was meinen Sie: Ist die Demokratie in Deutschland gefährdet?

Ich sehe die Demokratie als solches in unserem Land in einem guten Zustand. Demokratie hält unterschiedliche Meinungen aus und setzt sich im Ernstfall gegen sie zur Wehr. Allerdings ist Demokratie auch nicht selbstverständlich und muss gegen extremistische Strömungen aller Art immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Rassistische Anschläge wie der Amoklauf vom 19. Februar 2020 in Hanau oder die Reichsbürgerbewegung machen deutlich, dass wir stets wachsam sein müssen.

Was kann man tun, um gerade junge Menschen für die Demokratie zu begeistern?

Trotz der zunehmenden Politisierung junger Menschen engagieren sich immer weniger Menschen in Parteien. Die Parteien sind aber der Motor unserer Demokratie. Unsere Aufgabe als Politiker muss es daher auch sein, mehr junge Menschen zu erreichen und für politisches Engagement in demokratischen Parteien zu begeistern, zum Beispiel über Social Media oder Diskussionsrunden mit Schülerinnen und Schülern. In einer zunehmend komplexen Welt müssen wir politische Zusammenhänge verständlich erklären – und nicht zuletzt müssen wir gute Politik machen, von der Kommune bis zum Bundestag.

Das Demokratiefördergesetz soll helfen, Demokratie zu stärken und Extremismus zu bekämpfen. Was kritisieren Sie am Gesetzentwurf?

Das Ziel des Gesetzes wird schon heute von zahlreichen anderen Institutionen wie zum Beispiel politischen Stiftungen oder der Bundeszentrale für politische Bildung erfüllt. Zudem wird kein ausreichendes Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung von den geförderten Institutionen verlangt. Es wird daher nicht sichergestellt, dass die Mittel nicht an extremistische oder am Rande der Gesellschaft stehende Organisationen fließt. Ich kann außerdem nicht erkennen, dass das Gesetz Meinungspluralität fördert. Projekte gegen Linksextremismus oder Islamismus gibt es kaum. Dabei dürfen wir auch auf diesem Auge nicht blind sein. Überdies ist die Umsetzung des Gesetzes mit 200 Millionen Euro Steuergeldern pro Jahr viel zu teuer – gerade jetzt, da alle Bürgerinnen und Bürger den Gürtel enger schnallen müssen.

Wie engagieren Sie persönlich sich für Demokratie und politische Bildung?

Ganz grundsätzlich: Ich trete zu demokratischen Wahlen an und setze mich für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ein. Und etwas konkreter: Ich bin häufig vor Ort an Schulen zu Diskussionen und lade regelmäßig Schülerinnen und Schüler sowie Bürgerinnen und Bürger aus meinem Wahlkreis zu Informationsfahrten in den Deutschen Bundestag ein. Hier lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus erster Hand die Arbeitsweise des Parlamentes kennen und die Diskussionsrunden mit den Besuchergruppen sind immer ein Highlight in meinem Kalender. Im Wahlkreis organisiere ich Veranstaltungen und informiere über aktuelle politische Themen, außerdem suche ich aktiv den Kontakt zu Unternehmen, Institutionen, Vereinen und ehrenamtlichen Initiativen. Dieser regelmäßige Austausch ist mir sehr wichtig.

SPD
Portrait der Abgeordneten

Leni Breymaier (SPD) © Fionn Große

Was meinen Sie: Ist die Demokratie in Deutschland gefährdet?

Ich zögere, sage dann aber trotzdem klar: Ja. Demokratie ist kompliziert, sie braucht ihre Zeit, Kompromisse müssen erklärt werden. Im Moment sehen wir, dass es Gruppen wie die Reichsbürger gibt, die ganz offen gegen unsere Verfassung, gegen unsere Demokratie agieren. Wir sehen, dass Rassismus und Antisemitismus zunehmen, dass Menschen sich sexistisch und homosexuellenfeindlich äußern. Deshalb: Ja, die Demokratie ist gefährdet und muss immer neu verteidigt werden.

Was kann man tun, um gerade junge Menschen für die Demokratie zu begeistern?

Man muss nicht überall drüber schreiben: „Das ist jetzt Demokratie.“ Viel besser ist es, junge Menschen einfach machen zu lassen. Das beginnt schon mit der Wahl von Klassensprecherinnen und Klassensprechern oder damit, dass man im Sport, im Verein, Verantwortung übernimmt.

Die Politik kann Rahmenbedingungen dafür schaffen. Wir diskutieren zum Beispiel gerade darüber, die Kinderrechte im Grundgesetz zu stärken, eine Kindergrundsicherung einzuführen, das Wahlalter zur Bundestagswahl auf 16 Jahre herabzusetzen. Bei den Kommunalwahlen haben wir schon vielerorts das Wahlalter 16. In Baden-Württemberg wurde gerade beschlossen, dass man mit 16 nicht nur wählen, sondern auch für die Gemeinderäte kandidieren kann. So können junge Menschen Demokratie erleben, das Gefühl entwickeln: Man meint mich, meine Begabungen sind hier gefragt.

Das Demokratiefördergesetz soll helfen, Demokratie zu stärken und Extremismus zu bekämpfen. Kritiker sagen, die Ampel-Koalition wolle mit dem Gesetz nur Projekte fördern, die ihrer Weltanschauung entsprechen. Was antworten Sie darauf?

Das halte ich für eine schwierige Ansage. Wir wollen ein demokratisches und vielfältiges Miteinander stärken und uns gegen Radikalisierungen und Polarisierungen einsetzen. Dazu wollen wir möglichst viele und unterschiedliche Initiativen auf allen Ebenen verlässlich fördern.

Natürlich gibt es dafür Regeln. Es muss ein Antrag gestellt werden, es muss nachgewiesen werden, wie die Mittel verwendet werden. Diese Regeln sind für alle gleich. Es geht keineswegs nur in eine Richtung. Im Gegenteil: Es geht ausdrücklich um Vielfalt.

Ich habe das Gefühl, dass die Kritikerinnen und Kritiker eher Skepsis gegenüber der Zivilgesellschaft äußern, also gegenüber denjenigen, die aktiv für Demokratie eintreten. Ich glaube, mit so einer Grundhaltung lässt sich kein gutes, freies, solidarisches Miteinander organisieren.

Wie engagieren Sie persönlich sich für Demokratie und politische Bildung?

Ich bin vielfältig engagiert und war es auch schon, bevor ich in den Bundestag kam. Früher habe ich mich stark in der gewerkschaftlichen Jugendarbeit engagiert. Natürlich wird man als Abgeordnete gerne gefragt, ob man in diesen oder jenen Beirat möchte, ich sitze in verschiedenen Gremien. Aber meine Herzensprojekte, in die ich wirklich viel Leidenschaft stecke, sind zum einen der Frauenverein in meiner Gemeinde und zum anderen der Verein „Sisters“. Dort helfen wir Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, und versuchen parallel, den gesellschaftlichen Ausstieg aus der Prostitution zu erreichen.

Darüber hinaus versuche ich natürlich als Abgeordnete, möglichst viel mit Menschen zu reden und meine Politik zu erklären, auch Kompromisse zu erklären, warum es mal länger dauert oder warum etwas nicht umgesetzt werden kann, was im Wahlprogramm steht, weil wir eben keine absolute Mehrheit haben. Insofern ist eigentlich mein ganzes Leben eine einzige Demokratieveranstaltung.

AfD
Portrait des Abgeordneten

Martin Reichardt (AfD) © Martin Reichardt

Was meinen Sie: Ist die Demokratie in Deutschland gefährdet?

Unsere Demokratie lebt ja von Meinungsfreiheit und Streitkultur. Wenn man danach geht, dann ist die Demokratie in Deutschland tatsächlich gefährdet – aber anders, als die Bundesregierung glaubt. Laut einer Umfrage des Allensbach Instituts sind nur noch 48 Prozent der Deutschen der Meinung, dass man heutzutage noch frei seine Meinung äußern kann. Es sind also nicht zuerst kleine Gruppen von Links- oder Rechtsextremen, die die Demokratie gefährden, sondern diejenigen, gerade aus dem Bereich des linken Mainstreams, die die Meinungen, die nicht in ihr Weltbild passen, als Gefährdung der Demokratie betiteln.

Heute werden Menschen als Corona- oder Klimaleugner verleumdet. Wenn man sich abweichend über den Krieg in der Ukraine äußert, wird man als Russlandversteher verunglimpft. Und wenn man sich auf die biologische Tatsache beruft, dass es nur zwei Geschlechter gibt, dann wird man als transfeindlich beschimpft. So wird der Meinungskorridor in Deutschland verengt. Diese ganze Cancel Culture ist ein Zeichen für Intoleranz und Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Es gibt ja eigentlich den sogenannten Beutelsbacher Konsens für die politische Bildung. Der besagt unter anderem, dass Themen, die sich kontrovers darstellen, in der Bildung auch kontrovers besprochen werden sollen. Und genau das passiert viel zu selten.

Auch die Forderung nach Frauenquoten im Bundestag und in den Landesparlamenten gefährdet die Demokratie, weil dann Wahllisten nicht mehr nach dem Willen des Volkes generiert werden, sondern nach irgendwelchen vorher festgelegten Kriterien. Nicht ohne Grund haben die Verfassungsgerichte in Brandenburg und Thüringen parlamentsbezogene Quotenregelungen abgelehnt.

Was kann man tun, um junge Menschen für die Demokratie zu begeistern?

Junge Menschen haben gerade die Corona-Zeit hinter sich und haben durchlitten, dass ihre Interessen von der Politik quasi überhaupt nicht wahrgenommen wurden. Sie waren diejenigen, die am meisten unter den Corona-Maßnahmen gelitten haben. Jugendliche haben erlebt, wie Politiker Entscheidungen getroffen haben, die massiv in ihr Leben eingegriffen haben. Und das führt zu Resignation, Ohnmacht und Frust. Nur 57 Prozent der jungen Menschen, die sich im Lockdown einsam gefühlt haben, halten die Demokratie noch für die beste Staatsform. Das ist natürlich etwas, dass uns als Demokraten zu denken geben muss. Deshalb plädiere ich für eine schonungslose Aufarbeitung. Denn durch eine Aufarbeitung dieser für die jungen Leute prägenden Ereignisse kann Vertrauen in die Demokratie wieder zurückgewonnen und gestärkt werden.

Und es gibt natürlich noch viel weitreichendere Themen, die die Jugendlichen direkt betreffen: Die Zustände der Schulen, der Lehrermangel, all das sind Zeichen dafür, dass die Politik sich nicht ausreichend um die Belange der Jugend kümmert. Familienministerin Paus hat ja einen Gleichstellungscheck für alle Gesetze gefordert. Eigentlich wäre es an der Zeit, einen Familiencheck einzuführen, der gleichzeitig ein Check für die Kinder- und Jugendfreundlichkeit unserer Gesetze wäre.

Das Demokratiefördergesetz soll helfen, Demokratie zu stärken und Extremismus zu bekämpfen. Was kritisieren Sie am Gesetzentwurf?

Demokratie lebt von lebendiger Auseinandersetzung, vom argumentativen Streit zwischen den Meinungen. Mit diesem Gesetz will der Staat aber die Gesellschaft nach seinen eigenen moralischen Vorstellungen umformen. Im Programm „Demokratie leben“, dessen Förderung ja durch das Gesetz verstetigt werden soll, wird letztlich eine relativ homogene linke Ideologie finanziert. Das ist aus meiner Sicht an diesem Gesetz hauptsächlich zu kritisieren.

Im Gesetz kommt immer wieder der Begriff Zivilgesellschaft vor. Die Zivilgesellschaft umfasst aber die Gesamtheit des Engagements aller Bürger, in Vereinen, Verbänden und vielfältigen Initiativen. Dort muss Meinungsfreiheit herrschen. Und genau das leistet dieses Demokratiefördergesetz nicht. Mit diesem Gesetz will die Regierung die Grenzen von Regierungspolitik und gesellschaftlicher Diskussion verwischen, zugunsten einer politisch einseitig aufgeladenen Zivilgesellschaft. Es spaltet die Zivilgesellschaft. Sie wird zur Zahlungsempfängerin des Staates und somit von ihm immer abhängiger. Daraus entsteht keine lebendige Demokratie. Das ist vor allem dem eigentlich unpolitischen Teil der Zivilgesellschaft wie Feuerwehr oder Sportvereinen abträglich. Nach unserer Auffassung soll sich der Staat und die Regierung weitestgehend mit politischen Vorgaben aus der Zivilgesellschaft heraushalten. Er sollte die Bürger eher zum kritischen Diskus ermutigen. Daraus entsteht die wehrhafte Demokratie.

Und ein weiter Kritikpunkt: Wir sind unbedingt dafür, dass eine Förderung immer mit einer Extremismus-Klausel verbunden ist. Das heißt, die Institutionen, die gefördert werden, müssen sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Das ist der Grundkonsens, der überall gelten muss. So können extremistische Gruppierungen – von ganz links bis ganz rechts, dem religiösen Extremismus – aus dieser staatlichen Förderung herausgehalten werden, was natürlich wichtig ist.

Wie engagieren Sie persönlich sich für Demokratie und politische Bildung?

Ich bin im Schulförderverein. Ich mache bei mir im Wahlkreis viele Veranstaltungen. Ich lade auch dieses Jahr wieder zum Girls‘ und Boys‘ Day ein. Ich suche also immer das Gespräch mit jungen Menschen. Und natürlich bin ich auch sehr viel in den sozialen Medien unterwegs. Denn wir wissen ja, dass Jugendliche sich bei Facebook, Instagram und TikTok viele Informationen holen. Und da versuche ich, Aufklärung zu betreiben.

FDP
Portrait des Abgeordneten

Martin Gassner-Herz (FDP) © Sanjar Khaksari

Was meinen Sie: Ist die Demokratie in Deutschland gefährdet?

Wir haben eine stabile Demokratie in Deutschland, die von einer starken demokratischen Gesellschaft getragen wird. Aber es ist schon so, dass immer wieder versucht wird, das zu delegitimieren und die Autorität der Demokratie in Frage zu stellen. Hinter dem, was derzeit in der Ukraine passiert, steckt ein Systemstreit, den man teilweise auch in Deutschland findet: Es gibt Menschen, die lieber das Recht des Stärkeren durchsetzen wollen als die Stärke des Rechts. Und dagegen müssen wir uns wehren.

Was kann man tun, um gerade junge Menschen für die Demokratie zu begeistern?

Wichtig ist, dass jeder versteht, dass Demokratie vom Mitmachen lebt. Jeder hat die Möglichkeit, sich einzubringen und auch tatsächlich etwas zu bewirken. Das gilt gerade für junge Leute. Je früher junge Menschen merken, dass das ihre Gesellschaft ist, die sie auch mitgestalten können, desto besser können sie zu starken Bürgerinnen und Bürgern heranwachsen – und desto stärker ist auch unsere Demokratie.

Das Demokratiefördergesetz soll helfen, Demokratie zu stärken und Extremismus zu bekämpfen. Kritiker sagen, die Ampel-Koalition wolle mit dem Gesetz nur Projekte fördern, die ihrer Weltanschauung entsprechen. Was antworten Sie darauf?

Das ist natürlich nicht der Fall. Das Ziel des Gesetzes ist, unser Grundgesetz und die allgemeingültigen Regeln für unser Zusammenleben zu verteidigen gegen die, die das demokratische Prinzip in Frage stellen. Zu einer guten Demokratie gehört selbstverständlich weiterhin, dass man die Regierung auch kritisieren darf. Deshalb ist eine starke Opposition sogar wünschenswert.

Wie engagieren Sie persönlich sich für Demokratie und politische Bildung?

Ich habe mich 20 Jahre lang bei den Jungen Liberalen engagiert. Und bis heute habe ich immer Freude daran, junge Menschen zu ermutigen, sich einzubringen und Verantwortung zu übernehmen, ihnen zu vermitteln, dass sie unsere Gesellschaft mitgestalten können und ihnen ein bisschen unter die Flügel zu pusten.

Die Linke
Portrait der Abgeordneten

Gökay Akbulut (Die Linke) © DBT/Achim Melde

Was meinen Sie: Ist die Demokratie in Deutschland gefährdet?

Ich denke, dass die Demokratie in Deutschland im Vergleich etwa zu den USA gut dasteht, weil wir stabile demokratische Institutionen haben. Dennoch gibt es Gefährdungen. Im Dezember 2022 wurde die „Patriotische Union“ enttarnt. Mitglieder wurden verhaftet, unter anderem eine ehemalige AfD-Abgeordnete. Es gibt bundesweit zahlreiche rechtsextreme Netzwerke. Wir haben die Anschläge in Halle und Hanau erlebt und den Mord an Walter Lübcke. Der Rechtsextremismus ist nach wie vor die größte Gefahr für unsere Demokratie.

Daneben gibt es etwa die Reichsbürger und die Querdenker mit ihren Umsturzfantasien. Diese Gruppen sind zum Teil bewaffnet, sie haben ihre Netzwerke innerhalb der Sicherheitsorgane und innerhalb des Verfassungsschutzes. Und der parlamentarische Arm sitzt hier im Bundestag: Das ist die AfD, der es letztlich darum geht, die Demokratie und den Rechtsstaat in Deutschland zu schwächen und zu destabilisieren.

Was kann man tun, um gerade junge Menschen für die Demokratie zu begeistern?

Wir sehen ja, dass die Generation Fridays for Future sehr demokratiebegeistert ist und auch viele junge Menschen auf die Straße bringt und politisiert. Viele Jugendorganisationen fordern mehr Beteiligung und Mitbestimmung für Jugendliche. Hier muss sich einiges ändern an unserer repräsentativen Demokratie. Wir als Linksfraktion fordern schon lange, dass das Wahlalter bundesweit auf 16 herabgesetzt wird und dass auch ausländische Staatsangehörige, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, wählen dürfen. Wir wollen auch mehr direkte Demokratie, wie zum Beispiel Volksentscheide oder Bürgerräte. Bürgerräte finde ich sehr spannend, weil man kontroverse Fragen mit Bürgerinnen und Bürgern diskutieren kann, die per Zufallsprinzip ausgewählt werden und in diesen Bürgerräten die Politik unterstützen. Und dann geht es natürlich auch darum, die Demokratieförderprojekte fortzuführen, damit Jugendliche vor Ort abgeholt werden, sei es in ihren Wohnorten oder in den sozialen Medien.

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, mehr zu tun, um unsere Demokratie zu stärken.

Das Demokratiefördergesetz soll helfen, Demokratie zu stärken und Extremismus zu bekämpfen. Wie stehen Sie zu dem Gesetzentwurf?

Wir als Linke unterstützen diesen Gesetzesentwurf. Die Zivilgesellschaft wartet seit Jahren auf ein starkes Demokratiefördergesetz. Es gibt aber auch viel Kritik, sowohl von uns als Fraktion als auch aus der Zivilgesellschaft heraus.

Ein großes Problem ist, dass die Projekte, die durch dieses Gesetz umgesetzt werden, befristet sind, in der Regel auf zwei oder drei, maximal aber auf fünf Jahre. Das ist ein großes Problem für die Träger, aber auch für die Beschäftigten in diesen Projekten, weil sie keine Planungssicherheit haben. Deswegen fordern wir eine dauerhafte Finanzierung der Projekte. Außerdem wollen wir, dass die Teilnahme von Migrantenselbstorganisationen gestärkt wird. Denn diese sind meist ehrenamtlich organisiert und haben wenig Ressourcen. Es geht darum, dass die Vielfalt der geförderten Organisationen gewährleistet wird.

Und als Opposition fordern wir auch, dass die Zivilgesellschaft bei der Evaluation des Gesetzes mit einbezogen wird, so dass die Politik sich nicht nur selbst feiert, sondern auch konstruktive Kritik und Vorschläge zur Verbesserung des Gesetzes mitberücksichtigt.

Wie engagieren Sie persönlich sich für Demokratie und politische Bildung?

Ich bin sehr aktiv in migrantischen Organisationen, vor allem in kurdischen und türkischen Interessenvertretungen. Da habe ich auch viel Kontakt mit den Jugendorganisationen. Außerdem bin ich bei Mehr Demokratie e.V. aktiv. Da geht es darum, direktdemokratische Instrumente wie Volksentscheide auf Länderebene umzusetzen.

Bündnis 90/Die Grünen
Portrait der Abgeordneten

Schahina Gambir (Bündnis 90/Die Grünen) © Richard Westebbe

Was meinen Sie: Ist die Demokratie in Deutschland gefährdet?

Wir erleben, dass unsere Demokratie von vielen Seiten unter Druck steht. Ob in der Covid-19-Pandemie oder mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine: Demokratiefeinde missbrauchen gezielt Krisen und Nöte, um demokratische Institutionen zu schwächen und Ängste zu schüren. Dafür werden Desinformationen, Feindbilder und Verschwörungserzählungen verbreitet. Insgesamt haben Antisemitismus, Rassismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Queer-Feindlichkeit und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit eine neue Qualität erreicht. Rechtsextreme Kräfte schüren ein Klima der Verrohung und Abwertung von Menschen. Rechtsmotivierte Gewalttaten nehmen zu, darunter die Zahl von Angriffen auf politisch engagierte Menschen. All das gefährdet unsere Demokratie massiv. Dem müssen wir uns entgegenstellen und sie verteidigen. Dabei sind wir alle gefragt.

Was kann man tun, um gerade junge Menschen für die Demokratie zu begeistern?

Grundsätzlich kann man gar nicht früh genug damit beginnen, Kinder und Jugendliche für Demokratie und demokratische Prozesse zu begeistern. Demokratie lebt von den Menschen, die sie tragen. Wer also früh erlebt, dass durch den eigenen Einsatz aktiv mitgestaltet werden kann, wird sich positiv mit Demokratie und demokratischen Prozessen identifizieren. Deshalb sind auch Angebote zur Mitbestimmung und -gestaltung in Schülerinnenparlamenten, Schülerinnenvertretungen oder auch in Sportvereinen sehr wichtig. Kinder- und Jugendbeteiligung sollte an allen Orten des Aufwachsens möglich sein. Dazu gehört für mich auch die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Das Demokratiefördergesetz soll helfen, Demokratie zu stärken und Extremismus zu bekämpfen. Kritiker sagen, die Ampel-Koalition wolle mit dem Gesetz nur Projekte fördern, die ihrer Weltanschauung entsprechen. Was antworten Sie darauf?

Das Demokratiefördergesetz ist ein elementarer Baustein, um Rechtsextremismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nachhaltig entgegenzuwirken. Es unterstützt diejenigen, die sich gegen Demokratie- und Menschenfeindlichkeit engagieren. Der Staat kann das nicht alleine leisten. Er ist auf Menschen, Vereine, Organisationen und Initiativen angewiesen, die sich für ein vielfältiges und gewaltfreies Miteinander einsetzen. Sie stärken, schützen und verteidigen unsere Demokratie und unseren Zusammenhalt jeden Tag.

Wie engagieren Sie persönlich sich für Demokratie und politische Bildung?

Ich habe mich schon früh demokratisch engagiert. Zum Beispiel habe ich in Bielefeld die Grüne Jugend mit aufgebaut. Als Abgeordnete des Deutschen Bundestags habe ich die Möglichkeit mich in vielfältiger Weise für unsere Demokratie einzusetzen: zum Beispiel durch eine antirassistische Politik, die Chancengerechtigkeit herstellt und Teilhabe für alle ermöglicht. Außerdem komme ich in meinem Wahlkreis und auch in Berlin mit vielen Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch. Dieser Kontakt ist mir sehr wichtig, denn Demokratie bedeutet für mich, ansprechbar zu sein, Entscheidungen zu erklären und zusammen Wege zu finden, wichtige Anliegen durchzusetzen.

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