Kathrin Vogler (Linke) „Jetzt liegt der Ball beim Bundestag“
Impfpflicht: ja oder nein? Und wenn ja: wie? mitmischen.de hat die Obleute aller Fraktionen im Gesundheitsausschuss befragt. Kathrin Vogler (Die Linke) meint, eine verpflichtende Impfung könnte nötig sein, um etwa Schulschließungen zukünftig zu verhindern.
Die Frage, ob es eine Corona-Impfpflicht geben soll, wird derzeit überall heiß diskutiert. Wie steht Ihre Fraktion dazu?
Wir haben in der Fraktion unterschiedliche Meinungen dazu, ob eine allgemeine Impfpflicht die Antwort auf die Probleme der Corona-Pandemie ist. Allerdings stimmen wir darin überein, dass es sehr wichtig ist, dass möglichst viele Menschen sich impfen lassen, damit wir zum Beispiel im nächsten Herbst die Schulen und Kitas offen halten können.
Am 26. Januar haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen stundenlang im Plenum diskutiert. Hat diese Debatte geholfen, das Thema voranzubringen?
Zumindest hat sie die unterschiedlichen Positionen deutlich gemacht und gezeigt, wo es Übereinstimmungen gibt und mit welchen Kolleginnen und Kollegen man sich möglicherweise für gemeinsame Entwürfe zusammentun könnte.
Vor allem war aber auch wichtig, dass die Debatte den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit gegeben hat, sich viele verschiedene Positionen anzuhören und darüber nachzudenken, unter welchen Gesichtspunkten man dieses Thema betrachten kann.
In der Regel bringen im Bundestag die Fraktionen Anträge ein. Bei diesem Thema soll es aber Anträge von Abgeordneten geben, die sich in Gruppen zusammenschließen, auch über Fraktionsgrenzen hinweg. Eine gute Idee?
Ich bin der Meinung, dass das eigentlich der Job der Bundesregierung gewesen wäre, uns einen Gesetzentwurf vorzulegen, über den wir dann in den Fraktionen, in den Ausschüssen und schließlich im Plenum hätten diskutieren und entscheiden können. Es ist ja so, dass Gesetzentwürfe im Laufe des Verfahrens immer noch geändert werden, wir Abgeordneten hätten uns also noch ausreichend einbringen können.
Ein Entwurf der Regierung hätte die ganze Debatte und das Verfahren sicherlich schneller in Gang gebracht. Außerdem hat die Regierung ganz andere Möglichkeiten, sich vorab mit den Landesregierungen und den Vertretern der Städte und Kommunen abzustimmen. Gerade bei diesem Vorhaben ist das sehr wichtig, denn es muss ja vor Ort auch umsetzbar sein.
Aber die Bundesregierung hat sich anders entschieden. Und jetzt liegt der Ball beim Bundestag und wir Abgeordneten müssen diese Arbeit so gut es geht erledigen.
Wie ist denn Ihre persönliche Meinung: Brauchen wir eine allgemeine Impfpflicht?
Ich bin der Auffassung, dass das sehr sorgsam diskutiert und abgewogen werden muss. Wir reden hier über verschiedene Grundrechte, die von dieser Frage berührt sind. Natürlich berührt eine allgemeine Impfpflicht das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, denn es müssten sich ja Leute impfen lassen, die das nicht wollen. Zum anderen aber berührt die Situation, die wir jetzt mit viel zu wenig Geimpften haben, auch wichtige Grundrechte. Da will ich nur mal beispielhaft das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Bildung nennen. Oder auch das Recht auf Bewegungsfreiheit, das Recht, sich kulturell zu betätigen. Das alles müssen wir einschränken, weil nicht genug Menschen geimpft sind. Deshalb komme ich zu dem Schluss, dass eine Impfpflicht notwendig sein könnte, um Impfquoten zu erreichen, die ausreichen, um auch für Menschen, die gesundheitlich besonders gefährdet sind, eine sichere Bewegung zu ermöglichen. Und um auf zukünftige Schließungen und quarantänebedingte Ausfälle in Kitas und Schulen verzichten zu können.
Würden Sie eine Impfpflicht ab 18 befürworten oder, was ja auch vorgeschlagen wurde, nur für die Älteren, etwa ab 50?
Wenn, dann muss man alle Erwachsenen einbeziehen. Denn wenn es darum geht, möglichst viele Infektionen zu verhindern, dann ist es gerade die Gruppe der 18- bis 29-Jährigen, in der wir noch lange nicht genug Impfungen haben. Ich finde, wir sollten das dann für alle gleich ausgestalten, um nicht neue Ungerechtigkeiten aufzumachen.
Das Thema Corona wird den Gesundheitsausschuss in den nächsten Wochen sicher noch stark beschäftigen. Welche Fragen sind Ihnen jenseits einer eventuellen Impfpflicht noch wichtig?
Mir ist wichtig, dass wir wahrnehmen, dass die Situation im Gesundheitswesen, die wir jetzt beklagen, nicht nur durch die Corona-Pandemie entstanden ist, sondern vorher schon akut war. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern waren schon vorher überlastet, ihre Arbeitsbedingungen waren schon vor der Pandemie nicht zumutbar.
Wir müssen außerdem die Pandemie als weltweites Geschehen erkennen. Ich kann nicht akzeptieren, dass die reichen Länder den Markt an Impfstoffen leerkaufen, während in Afrika noch nicht mal jeder Zehnte die Chance auf eine einzige Impfung hatte. Ich bin dafür, dass für Medikamente und Impfstoffe während der Pandemie die Patente aufgehoben werden, also der Eigentumsschutz der Erfinderinnen und Erfinder, weil der Patentschutz dazu beiträgt, dass wir besonders in den ärmeren Ländern nicht genug Impfstoffe haben. Da müssen wir dringend nacharbeiten.
Über Kathrin Vogler
Kathrin Vogler wurde 1963 in München geboren. Sie hat Soziologie studiert und war zuletzt Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung, bevor sie 2009 für Die Linke in den Bundestag einzog. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.
(jk)