Europawahl 2024 Wer für Deutschland antritt
Naomi Webster-Grundl und Jasmin Nimmrich
Im Juni wird das Europäische Parlament neu gewählt. Was bedeutet den deutschen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten die EU persönlich und welche Themen wollen sie in der neuen Legislaturperiode voranbringen? Wir haben sie gefragt.
Am 9. Juni 2024 findet in Deutschland die Europawahl statt. Wir haben die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Parteien, die als Fraktionen und Gruppen im Bundestag vertreten sind, um Interviews gebeten. Hier findet ihr die Antworten, die wir bekommen haben. Für eine bessere Orientierung haben wir die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten den Fraktionen im Europäischen Parlament zugeordnet, denen sie und ihre Parteien in dieser Legislaturperiode angehören. Das Bündnis Sahra Wagenknecht tritt zum ersten Mal zur EU-Wahl an.
Die EU bedeutet für mich zuhause. Und Familie, denn meine Kinder haben vier Großeltern aus vier verschiedenen europäischen Ländern: aus Deutschland, England, Spanien und den Niederlanden. Zudem lebe ich an einem Ort, an dem man mit dem Fahrrad an einem Tag durch vier Länder fahren kann: Deutschland, Belgien, Luxemburg und Frankreich.
Bildung steht hier für mich an Nummer eins. Aber wir können nur die Themen behandeln, für die wir auch eine Zuständigkeit haben. Das ist leider bei diesem Thema nicht der Fall. Ich finde, wir müssten bei der Bildung viel europäischer denken und handeln, indem wir von den besten nationalen Beispielen lernen. Wir müssen auch viel mehr dafür tun, damit Schulabschlüsse und Berufsausbildungen gegenseitig anerkannt werden.
Ich möchte, dass in der Europäischen Union kein Mensch hungern und kein Mensch unter dem Existenzminimum leben muss. Deswegen plädieren wir für einen Mindeststandard bei der Grundsicherung. Es gibt Länder, die haben keinen Mindestlohn und kein Bürgergeld oder etwas Vergleichbares. Da müssen Menschen manchmal von null Euro im Monat leben. Das darf nicht sein.
Ein zweiter Punkt ist: Ich möchte, dass alle Menschen saubere Luft zum Atmen haben. Vor Kurzem hat mir ein italienischer Kollege erzählt, dass die Menschen aus der Poebene in Italien, wo er wohnt, wegziehen, weil die Luftqualität so schlecht ist. Das zeigt: Wir müssen natürlich weg vom Verbrennen von Kohle, Öl und Gas, um die Luftqualität zu verbessern.
Sehr wichtig! Viele der Bereiche, die jungen Menschen besonders wichtig sind, können nicht mehr national geregelt werden. Der Klimaschutz zum Beispiel. Da macht es keinen Sinn, wenn jedes Land eigene Regeln macht. Die Luftverschmutzung macht nicht vor einer Grenze halt. Aber auch Themen wie die digitale Welt oder Fragen von Frieden können wir national nicht mehr vernünftig regeln. Dafür braucht es die Europäische Union, damit wir ein Gewicht in der Welt haben. Zudem eröffnet die EU unglaublich viel Freiheit für junge Menschen: sich entfalten zu können, andere Länder kennenzulernen – sei es im Urlaub oder in einem anderen Land eine Lehre oder Ausbildung zu machen, zu studieren oder zu arbeiten. Und die EU ermöglicht uns natürlich viel mehr Wohlstand, von dem junge Menschen profitieren.
… wäre unser Horizont viel enger und dann müssten wir die EU dringend erfinden.
Heimat. Ich fühle mich in Europa daheim. Ich fühle mich als Europäer. Und ich glaube, dass wir in der Welt, in der wir heute leben, unseren European Way of Life nur erhalten werden können, wenn wir eng zusammenstehen und wenn wir Europa stärken.
Das Europäische Parlament ist für alle Themen zuständig, die die Menschen innerhalb der Europäischen Union umtreiben. Als Volksvertretung muss die Politik diese Themen ernst nehmen, sie wertschätzen und an Lösungen arbeiten. Da fällt es schwer zu priorisieren. Denn jeder Teil unserer Gesellschaft ist von unterschiedlichen Themenfeldern betroffen und an anderen Dingen interessiert. Wenn ich aber auf die aktuelle Gesamtlage blicke, dann zeichnen sich zwei große Themen für die kommende Legislaturperiode ab. Das eine ist die Sicherung unseres Wohlstandes, denn der Globalisierungswettbewerb, besonders mit der Volksrepublik China, ist enorm. Daher müssen wir hier vor Ort in Europa Arbeitsplätze sichern und die ökonomische Stärke der Europäischen Union aufrechterhalten. Nur dann können wir in der Welt von morgen unseren Aufgaben gerecht werden. Das zweite, noch wichtigere Thema ist neben der Sicherung des Wohlstandes die Sicherung des Friedens - zumindest in der Europäischen Union. Wenn wir schon nicht erreichen können, dass in der Ukraine Frieden herrscht, dann müssen wir zumindest sicherstellen, dass der Krieg nicht weitere Kreise zieht. Daher brauchen wir einen europäischen Pfeiler der Verteidigung. Wir müssen uns gemeinsam militärisch so stark machen, dass es niemand wagt, uns herauszufordern, und so den Frieden sichern.
Im wirtschaftlichen Bereich ist es enorm wichtig, dass wir auf den europäischen Binnenmarkt vertrauen können. Denn er sichert unsere ökonomische Stärke und bringt uns auch in Deutschland enorme wirtschaftliche Vorteile, weil Produkte, die in Deutschland produziert werden, in ganz Europa verkauft werden können, ohne dass dafür Zölle fällig werden. Unser gemeinsamer Binnenmarkt ist unsere Wohlstandsgrundlage und diese müssen wir stärken. Daher wünsche ich mir unter anderem einen Energiebinnenmarkt, also für Strom, Gas und Wasserstoff. Um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen, brauchen wir neue Energieträger und dafür sind europäische Märkte notwendig. Und ich wünsche mir auch einen digitalen Binnenmarkt. Wenn heute junge Start-ups neue Apps entwickeln, dann sind diese oftmals nur für einen Markt, also beispielsweise nur für Deutschland, Polen oder Tschechien zugänglich. Digitale Anwendungen, die von Start-ups entwickelt werden und unser aller Leben vereinfachen, sollten also mit ihrem Erscheinen für den gesamten europäischen Markt zugänglich sein. Ich vertraue und hoffe auf den Ausbau des europäischen Binnenmarktes, der verbunden werden muss mit einer Entbürokratisierung, damit Wirtschaft und Wohlstand wirklich wachsen können.
Ich glaube, dass sich die Interessen und Sorgen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht so stark unterscheiden von Personen fortgeschrittenen oder mittleren Alters. Es gibt also meiner Meinung nach keine speziellen jungen Themen, sondern nur Themen für uns alle, die wir im Europäischen Parlament behandeln. Der Krieg in der Ukraine betrifft alle, und auch die Frage, ob wir unseren Wohlstand halten werden können, geht alle etwas an. Was schon wichtig war und weiter wichtig bleiben wird, ist der Green Deal, der eine Ökologisierung Europas und Klimaschutzmaßnahmen in Europa möglich macht. Dies muss nun Realität werden, sodass der Klimaschutz auch im Alltag ankommt. Was sich aber ändern sollte oder sogar muss, ist aber die Form, in der Politik kommuniziert und verständlich wird. Hier sollten wir jugendgerechter und barrierefreier werden, damit die Demokratie auch in Zukunft weiter funktioniert.
…müssten wir sie gründen. Und in der heutigen Zeit müssen wir sie verteidigen gegen die radikalen Kräfte, die die Zusammenarbeit infrage stellen und den Nationalismus wieder propagieren.
Europa bedeutet für mich zuhause. Ich bin in Gelsenkirchen geboren und habe als Kind und Jugendliche im Ruhrgebiet erlebt, was Strukturwandel für die Menschen und ihre Region bedeutet. Das Ruhrgebiet ist das pulsierende Industrie-Herz Europas, es vereint viele verschiedene kulturelle und soziale Hintergründe. Das hat mich immer fasziniert. Im Studium habe ich mein Erasmussemester in Edinburgh gemacht und war Sprecherin der Federation of Young European Greens, der Europäischen Grünen Jugend. Für das Friedensprojekt Europa, das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenwachsen dieses wunderbaren Kontinents bin ich dankbar, und ich will dieses Europa gestalten. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt uns, dass Frieden in Europa niemals etwas Selbstverständliches ist.
Wir behandeln fast alle Themen im Parlament, aber die Frage ist: Haben wir auch die Gestaltungsmacht, um in den Bereichen etwas zu entscheiden? Und da ist das Europäische Parlament als EU-Institution an die EU-Verträge gebunden, die genau festlegen, wo das Parlament mitentscheiden kann. Nehmen wir etwa die Außen- und Sicherheitspolitik: Diese Kompetenz liegt gemäß den Verträgen ausschließlich in der Hoheit der EU-Mitgliedstaaten. Das EU-Parlament nutzt natürlich alle ihm zur Verfügung stehenden Instrumente und formuliert seine Position. Die Entscheidung liegt am Ende aber bei den nationalen Regierungen. Das müssen wir ändern. Das EU-Parlament muss außerdem endlich das Initiativrecht bekommen, damit auch wir EU-Abgeordnete und nicht nur die EU-Kommission Gesetzesvorschläge einbringen können. Das Initiativrecht ist Kernkompetenz eines jeden nationalen Parlaments.
Diese Legislaturperiode wird die entscheidende Phase für das Erreichen unserer Klima- und Umweltziele bis 2030 sein. Mit dem Green Deal haben wir in den vergangenen fünf Jahren bereits Vieles auf den Weg gebracht, aber wir können jetzt nicht auf halbem Weg stehenbleiben, in einer Zeit, in der die USA und China massiv in grüne Technologien investieren. Wir brauchen dringend einen Green Deal 2.0, um den Klimawandel zu bekämpfen und bis 2040 Klimaneutralität in der Industrie zu erreichen. Gerade hier zeigt sich, dass wir europäisch denken müssen. Ich werde mich für eine echte Infrastruktur-Union einsetzen, die Europa mit Wasserstoffnetzen und Glasfaserleitungen, mit Stromtrassen und Schienen verbindet. Und wir müssen einem Green Deal 2.0 eine starke soziale Komponente geben. Denn wenn wir bei konkreteren Maßnahmen die soziale Ausgewogenheit garantieren, stärken wir auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Junge Menschen mischen sich ein und wollen Europa mitgestalten. Und wir setzen uns dafür ein, dass Jugendliche und junge Erwachsene in Zukunft noch besser an politischen Prozessen beteiligt werden. Deshalb ist die Einführung des Wahlrechts ab 16 Jahren in Deutschland für die Europawahl ein großer Erfolg. Denn bei der Europawahl geht es um nicht weniger als die Frage, wie wir gemeinsam als Europäerinnen und Europäer die vielen drängenden Probleme unserer Zeit lösen wollen. Die wachsenden Spannungen in der Welt, soziale Ungerechtigkeit, der technologische Wandel und die Klimakrise als Katalysator all dessen zeigen doch eindrücklich, dass wir mehr tun müssen, als nur den bestehenden Wohlstand zu erhalten. Mit unserem heutigen Handeln bestimmen wir über die Arbeitsplätze von morgen. Europa zu stärken ist also eine Grundvoraussetzung für das Wohlstands- und Sicherheitsversprechen für zukünftige Generationen von Europäerinnen und Europäern. Und damit ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit.
… wäre Deutschland wirtschaftlich und kulturell ärmer und hätte weniger Gewicht in der Welt und auf den Weltmärkten. Dank der EU gewinnt Deutschland mehr an Sicherheit. Vor allem aber hat die europäische Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg für unsere heutige Freiheit und Demokratie gesorgt. Diese Integration, die für Wohlstand und Frieden sorgt, möchte ich erhalten und vertiefen.
Für mich ist die Europäische Union das bedeutendste Friedensprojekt der Welt, aufgebaut auf den Trümmern zweier grauenvoller Weltkriege. Die EU ist aber zudem eine erfolgreiche Wirtschaftsunion, verbunden in einem grenzenlosen Binnenmarkt, um den Wohlstand aller Mitglieder zu mehren. Und nie zu vergessen, sie ist eine Rechtsstaatsgemeinschaft, die alle Mitglieder verpflichtet, die Menschenrechte zu achten und das Persönlichkeitsrecht zu verteidigen. Das ist auch eine der herausragenden Voraussetzungen, um Mitglied in der Union zu sein und gegebenenfalls zu werden.
Wollen wir auch in Zukunft in Freiheit und Frieden leben, sollten wir uns auch auf den Weg machen eine Europäische Verteidigungsunion sukzessive aufzubauen. Europa muss sich in Kürze schnellstmöglich auf die eigenen Stärken konzentrieren. Die Vereinigten Staaten sind bisher ein wesentlicher Garant für unsere Sicherheit. Jetzt heißt es, selbst deutlich mehr im Rahmen der NATO in militärische Sicherheit zu investieren, die nationalen Armeen deutlich enger miteinander abzustimmen und bestenfalls das militärische Material gemeinsam zu beschaffen. Ganz wesentlich wird dabei auch sein, die überbordende Bürokratisierung einzustampfen. Jede Eventualität zu regeln, würgt die Wirtschaft ab, hemmt Innovation und Erfindergeist und vertreibt die Unternehmen aus Europa. Nicht die Gefahren innovativer Neuerungen wollen wir als Erstes wahrnehmen, sondern die Chancen. Und selbstverständlich muss auch innerhalb der Union konsequent durchgesetzt werden, dass alle Mitglieder ihrer Rechtstaatlichkeit nachkommen. Es ist bedauerlich, dass Ungarn inzwischen ein Mitglied in der EU ist, das dieses Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, dazu gehört die Pressefreiheit, die Rechte von Minderheiten, die Unabhängigkeit der Gerichte, nicht mehr lebt. Sollten sich Mitglieder von den europäischen Werten entfernen, muss die Europäische Union die Stärke haben, durchzugreifen und ihnen das Stimmrecht entziehen. Nur Geld aus dem EU-Topf zu nehmen, ohne die Pflichten zu erfüllen, dürfen wir nicht durchgehen lassen.
Wer ein neues Gesetz bzw. Regeln erlässt, muss dafür mindestens zwei oder drei alte hinterfragen und abschaffen. Eine große Rolle wird zukünftig eine konsistentere Außenpolitik spielen und eine geordnete Sicherheitspolitik.
Sie ist die Voraussetzung, um auch in Europa zukünftig zu leben. Ein Binnenmarkt, die grenzenlose Reisefreiheit, die Möglichkeit zu leben und zu studieren, wo man möchte, bestenfalls die gemeinsame Währung. Diese Freiheiten sind keine Selbstverständlichkeit. Dafür braucht es vor allem die jungen Menschen. Der europäische Gedanke, für Frieden, für wirtschaftliche Prosperität und für Rechtsstaatlichkeit zu stehen, ist so kostbar, dass auch die junge Generation bereit sein muss, diesen zu verteidigen.
… müsste man sie erfinden.
Ohne großen Stress an den Grenzen Freunde besuchen und anderswo Arbeiten können. Und natürlich kein Krieg mehr zwischen den Ländern in der EU. Das bedeutet mir unglaublich viel. Aber es gibt noch viel zu tun. Die soziale Kälte von EU-Kommission & Bundesregierung macht die Reichen immer reicher und treibt immer mehr Menschen aufgrund von steigenden Preisen und Mieten in die Existenzangst. Der friedliche Umgang, den die EU-Staaten untereinander gefunden haben, muss auch Eingang in die EU-Außenpolitik finden. Die Vielfalt, die wir inzwischen möglich ist, müssen wir gegen den Aufstieg der Rechten verteidigen.
Die Frage der sozialen Gerechtigkeit kommt konsequent zu kurz. Für die Armutsbekämpfung und die Schaffung guter Arbeit müssten wir viel mehr tun. Wir haben es mit einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich zu tun. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt eine Finanzpolitik, die kürzt anstatt in die Zukunft zu investieren. Es besteht ein riesiger Investitionsstau bei Zukunftsfragen. Wie finanzieren wir die Armutsbekämpfung, den Klimaschutz, die Digitalisierung, eine moderne Infrastruktur und gute Gesundheit- und Bildung? Dafür müssen wir endlich an die großen Vermögen ran, sie sind in der Krise wie irre gewachsen. Aber das wird im Europäischen Parlament viel zu wenig und auch viel zu unehrlich diskutiert.
Ein zentrales Vorhaben für die Zukunft ist, dass wir eine europäische Industriepolitik entwickeln. Das Ziel muss sein, die industrielle Basis zu erhalten und sie nachhaltig und klimaschonend weiterzuentwickeln. Ein weiteres Herzensthema von mir ist die Frage der Mietenpolitik. Die Wettbewerbsregeln der EU und die Dienstleistungsrichtlinien haben dazu beigetragen, dass der soziale Wohnungsbau massiv zurückgegangen ist. Dies ist ein echtes Problem, da es zu einer Verknappung von bezahlbarem Wohnraum führt. Das müssen wir unbedingt rückgängig machen. Zur Finanzierung der nötigen Investitionen können wir einmal damit anfangen, mit EU-weiten Regelungen Steuerschlupflöcher und Steueroasen zu schließen.
Ich glaube, gerade junge Menschen sind sich sehr bewusst, dass die EU eine nicht mehr wegzudenkende Rolle spielt, dass Zukunftsfragen nur international zu lösen sind. Zum Beispiel die Frage nach einem funktionierenden digitalen Binnenmarkt oder der Klimaschutz.
Auch bei der Bildung gibt es zahlreiche Fragen, die europaweit gelöst werden müssen. Die jungen Leute, die solche Fragen auf dem Zettel haben, wissen, dass sie unbedingt wählen gehen müssen, um Europa nicht Reichen und Rechten zu überlassen.
…würden wir im nationalstaatlichen Klein-Klein noch mehr gegeneinander arbeiten, wo wir zusammenarbeiten müssen, um die Probleme überhaupt lösen zu können.
Ich bin quasi mit Europa aufgewachsen. Denn mein Vater ist Italiener, meine Mutter ist Deutsche. Insofern bin ich europäisch aufgewachsen und ich habe das immer als eine große Bereicherung in meinem Leben empfunden, dass ich diese Erfahrung machen konnte.
Im EU-Parlament werden viele Themen behandelt. Ich glaube aber, dass manchmal weniger mehr sein könnte. Das EU-Parlament sollte sich auf die Dinge konzentrieren, die das Leben einer großen Mehrheit der Bevölkerung verbessern. So ist es zum Beispiel ein Gewinn, dass wir heute in EU-Länder reisen und dort arbeiten können. Aber diese Freiheit nützt den Menschen wenig, die sich keinen Urlaub mehr leisten können oder als Arbeitsmigranten zu Niedriglöhnen schuften. Daher müssen wir etwa die Konkurrenz um billige Löhne in Europa stoppen. Und dann gibt es viele internationale Konzerne, insbesondere Internet-Konzerne wie Amazon, die kaum Steuern auf ihre Gewinne in der EU zahlen. Bis heute ist dies nicht wirklich unterbunden worden, während gleichzeitig ein Bäcker oder ein Handwerker häufig sehr viel höhere Steuersätze entrichten muss. Hier tut die EU zu wenig.
Wie eben erwähnt: die Bekämpfung von Steuerdumping durch Konzerne. Häufig ist das Problem, wenn man 27 Mitgliedsländer in der EU hat, dass es dann immer eine „Steueroase“ gibt, die nicht kooperieren will. Das reicht aus, um das zu blockieren. Deswegen ist es wichtig, dass Deutschland und Frankreich mit Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen vorangehen. Und ich würde mir wünschen, dass wir Staaten ermöglichen, Kredite aufzunehmen und zu investieren, zum Beispiel in den Umbau der Wirtschaft. Wenn wir versuchen, Umweltpolitik immer darüber zu machen, dass man zum Beispiel die CO2-Preise erhöht und dadurch den Umweltverbrauch teurer macht, dann führt dies zur Ablehnungder Klimapolitik. Denn viele Menschen mit geringen Einkommen können ihr Verhalten ohne Alternativen wie einen guten Nahverkehr kaum ändern. Es wäre zum Beispiel sehr viel sinnvoller, dass wir schnellere Bahnverbindungen innerhalb Europas schaffen, auch zwischen den europäischen Hauptstädten. Solche Dinge werden durch die europäische Schuldenbremsen häufig verhindert. Nur für Rüstung gibt es immer mehr Geld.
Natürlich haben der Klimawandel oder Kriege noch sehr viel länger Auswirkungen auf die heute jungen Generationen. Ich halte aber nichts von der künstlichen Trennung: Politik für junge Leute und Politik für alte Leute. Denn auch Rentenkürzungen, betreffen junge Menschen, denn auch sie werden irgendwann Rentner sein. Also müssen auch junge Leute wissen welche Alternativen es dazu gibt. Europapolitik ist immer auch eine soziale Frage. Denn es macht einen Unterschied, ob ich ein Jugendlicher aus einem Elternhaus bin, der es sich leisten kann, im Ausland zu studieren, oder ob ich ein Jugendlicher aus einem Arbeiterhaushalt bin, der sich keinen Urlaub leisten kann.
… müsste sie sicher erfunden werden. Aber auch wenn es sie gibt, ist nicht alles gut. Man muss sie stetig besser machen.
E wie Europawahl
Wie funktioniert die Europawahl?
Das Europäische Parlament ist die einzige direkt gewählte transnationale Versammlung der Welt, also eine Volksvertretung, die über Ländergrenzen hinweg zusammenarbeitet. Doch wie läuft so eine europaweite Wahl genau ab? Und über was entscheiden die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes eigentlich?