US-Präsidentschaftswahlen 2024 „Wenn alle an sich selbst denken, ist noch lange nicht an alle gedacht“
Marejke Tammen
Bei der Präsidentschaftswahl in den USA am 5. November 2024 hat erneut der konservative Republikaner Donald Trump gewonnen. Doch was genau bedeutet das für uns in Deutschland? Darüber haben wir mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), gesprochen, und wir haben ihn gefragt, welche Auswirkungen das Wahlergebnis auf die Arbeit des Deutschen Bundestages haben wird.
Die Umfragen vor den Präsidentschaftswahlen in den USA sahen alle ein sehr knappes Rennen voraus. Deshalb war ich zwar enttäuscht, aber nicht so sehr überrascht. Der klare Ausgang zeigt aber, dass das kein Betriebsunfall der Geschichte ist. Die Mehrheit der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner wollte Trump. Und das hat Auswirkungen auf die ganze Welt.
Ich bin kein Amerikaner und kein Wähler in den USA, aber ich habe in den vergangenen Monaten viele damit genervt, dass wir uns in Deutschland und Europa auf eine Wiederwahl von Trump einstellen müssen. Insofern war das auch für mich ganz persönlich bitter. Ich habe zwar darauf gedrängt, aber dennoch sind wir viel zu unvorbereitet. Das könnte sich jetzt rächen.
Michael Roth (SPD) ist seit 1998 Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Seit 2021 ist er der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, zuvor war er Staatsminister für Europa beim Bundesminister des Auswärtigen und der Beauftragte der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit.
Ich habe dafür geworben, dass wir als Europäer mehr Verantwortung für Frieden, Sicherheit und Freiheit auf unserem Kontinent übernehmen. Denn es ist ja so: Unsere Sicherheit und Freiheit in Deutschland hängen sehr stark von einem militärischen Schutzschirm ab, den die Vereinigten Staaten finanzieren, organisieren und vorhalten. Und Trumps Botschaft ist da sehr deutlich, wenn er sagt: Kümmert Euch selbst um Eure eigenen Probleme. Das bedeutet, dass wir uns noch viel stärker engagieren müssen, um die Ukraine in ihrem Freiheitskampf zu unterstützen. Und wir müssen uns als europäischer Teil in der Nato sicherheitspolitisch stärker aufstellen. Das heißt, mehr in Verteidigung, Abschreckung, Wehrhaftigkeit zu investieren. Nur so können wir unsere liberale Demokratie und bunte Gesellschaft vor der Gewalt anderer Staaten schützen.
Ich prangere nicht allein uns an. Das ist ein kollektives Versagen Europas. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens: Viele sagen, dass die USA derart stark sind, dass wir das über kurz oder lang gar nicht kompensieren können. Man hat es daher erst gar nicht versucht, weil man wusste, die Aufgabe ist einfach sehr groß. Das ist, wie wenn man einen Marathon laufen möchte, aber nach den ersten fünf Kilometern schon aufgibt, weil man erkennt, dass man die übrigen 37 Kilometer sowieso nicht schafft.
Zweitens gibt es diese etwas naive Hoffnung: „So schlimm wird es schon nicht kommen.“ So nach dem Motto: Wir haben doch schon die ersten vier Jahre Trump überstanden, dann werden wir auch seine zweite Amtszeit überstehen. Aber das Problem ist: Der Trumpismus wird bleiben, diese Bewegung hat ja auch hier bei uns in Deutschland und Europa ihre Fans. Und, das dürfen wir nicht vergessen: Im Gegensatz zur ersten Amtszeit von Trump haben wir einen furchtbaren Krieg, der schon längst zu Gunsten Russlands ausgegangen wäre, wenn sich nicht die USA so stark engagiert hätten.
Ja, die Haushaltslage. Nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich und andere europäische Länder kämpfen mit erheblichen Haushaltsschwierigkeiten. Die Kassen sind weitgehend leer. In solchen Zeiten haben Politikerinnen und Politiker manchmal Angst, Prioritäten zu setzen und mutige Wege zu beschreiten.
Das stimmt. Deshalb habe ich zum Beispiel vorgeschlagen, dass wir – ähnlich wie bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie – einen schuldenfinanzierten Fonds auf EU-Ebene etablieren. Damit könnte man den Staaten, die über erhebliche finanzielle Schwierigkeiten verfügen, dabei helfen, sich verteidigungs- und sicherheitspolitisch besser aufzustellen. Auf diese Weise könnten wir auch die Ukraine noch besser unterstützen. Viele meinen immer, der Krieg in der Ukraine sei ein regionaler Konflikt. Aber auch unsere Freiheit und Sicherheit werden derzeit in der Ukraine verteidigt. Denn wenn die Ukraine als freies Land fällt, dann wird es keinen Frieden in Europa geben, dann drohen weitere Kriege.
Auf den ersten Blick klingt die „America First“-Botschaft sehr vernünftig. Aber wenn alle nur an sich selbst denken, ist noch lange nicht an alle gedacht. Dafür ist unsere Welt viel zu sehr vernetzt und miteinander verwoben. Wir haben es mit so vielen globalen Bewährungsproben und Krisen zu tun, die uns alle berühren – ob das der menschengemachte Klimawandel ist, weltweite Armut, Pandemien oder auch Kriege wie beispielsweise der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. All das berührt uns gleichermaßen.
Wenn sich die USA im Zuge von Trumps „America First“-Politik weiter zurückziehen und sich stärker auf die eigenen Probleme konzentrieren, dann ist es für uns natürlich schwierig. Es erschwert den Austausch mit US-amerikanischen Parlamentariern. Man kann schließlich nur mit Menschen reden, die das auch wollen. Und da dürfen wir uns nicht wichtiger machen, als wir tatsächlich sind. Wir sind nur eine Mittelmacht, wir können gegenüber Trump nur im „Team Europa“ Wirkung erzielen.
Trump ist ein Deal-Maker, den man nicht allein mit Nettigkeiten überzeugen kann. Wir brauchen eine geschickte Mischung aus Selbstbewusstsein, aus Stärke – aber nicht in Worten, sondern in Taten – und der Bereitschaft, ihm etwas anzubieten. Mir ist aber noch wichtig zu betonen, dass sich der Trumpismus nicht allein auf der Wiederwahl von Trump gründet. Denn die Republikaner haben auch die Wahl in beiden parlamentarischen Kammern, im Senat und im Repräsentantenhaus, gewonnen. Das heißt: Unsere unmittelbaren Ansprechpartner im Kongress sind jetzt mehrheitlich auch Trumpisten.
Ja, natürlich. Aber nicht von deutscher Seite, sondern von den USA. Ich habe noch nie ein nachlassendes Interesse des Deutschen Bundestages an transatlantischen Beziehungen festgestellt.
Da wir nur gemeinsam stark sind, müssen wir sicherlich auch in unseren Beziehungen zu anderen Parlamenten, nicht zuletzt auch mit unseren französischen Kolleginnen und Kollegen, verstärkt darüber reden, wie wir mit Trump umgehen. Denn noch einmal: Es wird keinen deutschen Sonderweg geben können, sondern nur einen europäischen Weg.