Blog Tag 1 Erinnern, Verstehen, Verantwortung übernehmen
Carolin Hasse
Was bedeutet Auschwitz heute noch? Wie gedenken wir der Schicksale von damals? Und welche Parallelen und Warnsignale sollten wir in unserer Gegenwart aus der Geschichte ziehen? Im Rahmen der diesjährigen Jugendbegegnung werden die Teilnehmenden versuchen, ein paar Antworten auf diese großen Fragen zu finden. Carolin wird die Jugendlichen während der sieben Tage begleiten und hier in ihrem Blog über die Zeit berichten.
Eine Million Menschen. Wie viel ist das eigentlich? Ich habe versucht, mir diese Zahl vorzustellen: die Hälfte der Bevölkerung Hamburgs, die gesamte Einwohnerzahl Kölns oder zweimal die Bevölkerung von Dresden. Doch diese Vergleiche bleiben abstrakt, sie helfen kaum, das unfassbare Ausmaß zu begreifen. Über eine Million Menschen – genauer gesagt 1,1 Millionen Babys, Kinder, Frauen und Männer – wurden im Konzentrationslager Auschwitz auf grausame Weise ermordet.
Diese Zahl ist erschütternd, aber sie allein kann nicht ausdrücken, was wirklich geschehen ist. Hinter ihr stehen individuelle Schicksale, unvorstellbares Leid, Menschen mit Hoffnungen und Träumen. Menschen, die durch das nationalsozialistische Terrorregime ausgelöscht wurden. Für mich – und wahrscheinlich für viele – ist das schwer zu fassen.
Auf der Suche nach Antworten
Ich frage mich: Was bedeutet Auschwitz eigentlich heute noch? Und finde: In einer Zeit, in der Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder Angst vor Angriffen haben müssen und antisemitische Straftaten zunehmen, stellt sich die Frage dringender denn je.
Aber Auschwitz war nicht nur ein Ort des Genozids an Jüdinnen und Juden. Auch Homosexuelle, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen und alle, die nicht in das nationalsozialistische Weltbild passten, fielen dort der Gewalt und Ermordung zum Opfer. Wie gedenken wir heute dieser Schicksale? Und welche Parallelen und Warnsignale sollten wir in unserer Gegenwart aus der Geschichte ziehen?
Ich hoffe, in der kommenden Woche ein paar Antworten auf die Fragen zu finden. Denn gemeinsam mit rund 75 jungen Menschen aus Deutschland, Polen, Tschechien, Ungarn und Frankreich werde ich im Rahmen der internationalen Jugendbegegnung des Bundestages nach Oświęcim fahren – das ist der polnische Name für Auschwitz.
Die Vergangenheit für die Gegenwart verstehen
Bereits seit 1997 lädt der Deutsche Bundestag junge Erwachsene aus Deutschland und seinen Nachbarstaaten ein, sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Diese Begegnungen sollen es ermöglichen, die Vergangenheit besser zu verstehen und Brücken zur Gegenwart zu schlagen, um Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.
Ich bin gespannt darauf, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu treffen – sie setzen sich ehrenamtlich gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus und für eine offene Gesellschaft ein. Unter ihnen ist Mohamad, der sich in Projekten und Gedenkveranstaltungen mit der Geschichte des Holocaust beschäftigt, oder Zoe, die auf Instagram aktiv Aufklärungsarbeit betreibt.
Manche der Teilnehmenden haben Familiengeschichten, die unmittelbar mit Auschwitz verbunden sind: Großeltern, die Auschwitz überlebt haben, Verwandte, die ins Exil flohen, oder Angehörige, die dem NS-Terror zum Opfer fielen. Andere haben keine persönliche Verbindung, fühlen sich aber dennoch verpflichtet, die Erinnerung wachzuhalten und sich gegen das Vergessen einzusetzen.
Zeitzeugengespräche, Gedenkfeier und vieles mehr
In diesem Jahr jährt sich die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 zum 80. Mal. Damals stürmten Soldaten der Roten Armee das Lager und retteten die überlebenden Gefangenen.
Wir werden an diesem bedeutenden 27. Januar an der Gedenkfeier zur Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz teilnehmen. Mehr als 50 Staats- und Regierungschefs sowie einige der letzten Überlebenden des Lagers werden ebenfalls erwartet.
Doch das ist nur ein Teil unseres umfassenden Programms: In den kommenden Tagen werden wir Gedenkstätten besichtigen, die Stadt Oświęcim erkunden und Gespräche mit Zeitzeugen führen. Besonders gespannt bin ich auf ein Treffen Stefania Wernik. Sie wurde im November 1944 in Auschwitz-Birkenau geboren. Welche Geschichten wird sie uns erzählen?
Ich bin sicher, dass die bevorstehende Reise nicht nur bewegend und bereichernd sein wird, sondern auch durch intensive Eindrücke und prägende Begegnungen in Erinnerung bleibt. Hier im Blog werde ich meine Erlebnisse und Gedanken mit euch teilen.
Dann also bis morgen"!
Liebe Grüße,
Carolin