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Blog Tag 3 Die Reise beginnt

Carolin Hasse

Die Jugendbegegnung 2025 führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in diesem Jahr in die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz in Polen.

Drei Personen beugen sich über Dokumente, die auf einem Tisch ausgebreitet sind.

Die Teilnehmenden der Jugendbegegnung spüren gemeinsam der Vergangenheit nach. © DBT/Stella von Saldern

Es ist kurz vor acht, als ich an unserem Treffpunkt ankomme. Vor dem Hotel, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jugendbegegnung ihre erste Nacht in Berlin verbracht haben, herrscht geschäftiges Treiben. Koffer, Taschen und Proviantpakete stapeln sich, während die jungen Erwachsenen in kleinen Gruppen beisammenstehen. Der Reisebus lässt auf sich warten, doch die Verzögerung stört niemanden. Stattdessen wird die Gelegenheit genutzt, um das Kennenlernen von gestern fortzusetzen. „Wie war nochmal dein Name?“, fragt jemand. Und: „Von wo bist du gekommen?“ Bei über 70 Teilnehmenden dauert es eben, bis alle miteinander ins Gespräch kommen.

Endlich rollt der blaue Doppeldeckerbus vor – mit leichter Verspätung, aber zur allgemeinen Erleichterung. Die Müdigkeit einer kurzen Nacht sitzt vielen doch in den Gliedern, und im Bus werden die Sitze schnell zu improvisierten Schlafplätzen. Es ist etwas eng, stickig – doch einer der Teilnehmenden kommentiert: „Der Ort, zu dem wir fahren, steht nicht für Komfort.“ Nach dieser Bemerkung verstummen die Beschwerden.

Mehrere junge Menschen stehen mit Koffern vor einem blauen Reisebus, die Umgebung ist winterlich.

© DBT/Stella von Saldern

Erste Eindrücke von Polen

Gegen 11 Uhr erreichen wir unseren ersten Halt – einen Parkplatz in Polen, kurz hinter der Grenze. Der Winter hat hier noch Spuren hinterlassen: Matschiger Schnee liegt in schattigen Ecken, die Straßen sind mit Streugut bedeckt. Aber die Sonne scheint und taucht die Landschaft in ein blasses Licht. Weiter geht es; vorbei an Feldern, polnischen Kiefernwäldern und hin und wieder an den auffälligen Logos von Fast-Food-Ketten wie McDonald’s und KFC.

Im Bus ist es inzwischen ruhig. Manche unterhalten sich, viele schlafen. Acht Stunden nach unserer Abfahrt rollen wir pünktlich um 16:30 Uhr auf das Gelände der internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz (IJBS). Der erste Eindruck erinnert an ein Schullandheim: ein zentraler Hof, ein kleiner Garten, gemütliche Ecken im Inneren.

Ein Ort der Hoffnung

Judith Hoehne-Krawczyk, Pädagogin in der IJBS, begrüßt uns herzlich. „Dies ist ein Ort der Hoffnung“, sagt sie. Ihre Worte wirken nach, während sie mir von der Gründung der IJBS erzählt. Der Ort entstand 1986 auf Initiative der Aktion Sühnezeichen, um junge Menschen aus aller Welt zusammenzubringen – im Zeichen von Frieden und Völkerverständigung.

Ein älterer Herr spricht zu vielen jungen Leuten, die in Stuhlreihen vor ihm sitzen.

© DBT/Stella von Saldern

Am Abend treffen wir dann Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees. Bereits vor der Reise hatte ich die Gelegenheit, ihn zu interviewen. Nun spricht er direkt zu den Jugendlichen: „Sie sind die Stimme der Überlebenden“. Er hofft, dass die jungen Generationen die Geschichten der letzten Zeitzeugen weitertragen – eine wichtige Aufgabe.

Erwartungen und Ängste

Vor der morgigen Besichtigung des Stammlagers Auschwitz und Auschwitz-Birkenau widmen wir uns der Vorbereitung. Die Teilnehmenden teilen ihre Erwartungen, Ängste und Gedanken. Giovanna, die morgen das erste Mal zur Gedenkstätte Auschwitz kommt, erzählt, dass sie gespannt, aber auch unsicher ist, was sie sich vor dem Besuch empfinde. „Vielleicht muss man erst vor Ort sein, um seine Gefühle einordnen zu können“, meint sie.

Andere, die Auschwitz bereits besucht haben, berichten von ihren Erfahrungen und erzählen, was sie damals zum Weinen brachte: gemalte Bilder von inhaftierten Kindern oder die Fotos der Häftlinge mit geschorenen Köpfen, die zeigen, wie den Menschen jedes Stück Würde und Menschlichkeit genommen wurde.

Zum Abschluss des Abends werden Begriffe gesammelt, die die Jugendlichen mit Auschwitz verbinden. Die Worte – notiert auf rosafarbenen Karten – werden an eine Tafel gepinnt: „Hass“, „Gewalt“, „Hoffnung“ und „Tod“ stehen dort. Daniel, der das Wort „Hass“ gewählt hat, erklärt: „Ich meine nicht nur den Hass der Täter, sondern den Hass einer ganzen Gesellschaft. Ohne diesen Hass wäre Auschwitz nie möglich gewesen.“

Leute sitzen in einem Stuhlkreis, in der Mitte liegen Bilder und Zettel.

© DBT/Stella von Saldern

Gemeinsam auf dem Weg

Die Offenheit der Gruppe beeindruckt mich sehr. Einige der Teilnehmenden erzählen, dass in ihren Familien häufig über den Zweiten Weltkrieg und die Shoah gesprochen wird. Zoe, die Nachfahrin von Holocaust-Überlebenden ist, berichtet jedoch, dass das Thema in ihrer Familie eher verdrängt wird. „Das Trauma zeigt sich bei uns im Schweigen“, erklärt sie. Wenn sie versucht, über die Vergangenheit zu sprechen, reagieren ihre Verwandten oft mit den Worten: „Das war damals, Schluss, aus!“ und lenken das Gespräch abrupt auf das Wetter.

Es ist beruhigend zu wissen, dass niemand in der Gruppe mit seinen Gefühlen allein bleiben muss. Jeder kann hier jemanden finden, mit dem er seine Ängste und Erwartungen teilen kann. Ich hoffe, dass diese Gespräche dabei helfen werden, die Eindrücke und Erlebnisse morgen in der Gedenkstätte Auschwitz zu verarbeiten.

Bis morgen!

Carolin

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