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Das Bundestagspräsidium vor Ort Politisches Speed-Dating

Marejke Tammen

Wie kann eine ausgewogene Flüchtlingspolitik gestaltet werden? Schränkt KI unsere Persönlichkeitsrechte ein? Und schließen sich wirtschaftliches Interesse und nachhaltiges Handeln eigentlich aus? Diese und viele weitere Fragen haben Schülerinnen und Schüler eines Hamburger Gymnasiums diskutiert – mit dem Bundestagspräsidium vor Ort.

Fotocollage aus sechs Bildern, die fünf Frauen und einen Mann im Gespräch zeigen.

Das Bundestagspräsidium diskutierte in Hamburg aktuellpolitische Themen mit Schülerinnen und Schülern. © DBT / Thomas Imo / photothek

Ganz schön aufregend, dieser Freitagvormittag. Kameras, Mikrofone und Journalisten schwirren durch die Aula des Charlotte-Paulsen-Gymnasiums. Sind alle vorbereitet? Funktionieren die Mikrofone? Steht der Kaffee bereit? Check, check, check. Die Schülerinnen und Schüler sind startklar; ihr hoher Besuch kann kommen.

„Demokratie ist mehr als nur alle vier Jahre zur Wahl zu gehen“, begrüßt der Moderator Admir das Präsidium des Deutschen Bundestages. „Es ist das sich kritische Auseinandersetzen mit schwierigen Fragen.“ Und darum soll es heute gehen. In den nächsten 90 Minuten wollen die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas (SPD), und ihren Vizes Aydan Özoğuz (SPD), Yvonne Magwas (CDU/CSU), Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), Wolfgang Kubicki (FDP) und Petra Pau (Die Linke) über politische Themen diskutieren, die viele bewegen: Künstliche Intelligenz, internationale Politik, Sozialleistungen, Wirtschaft, Rechtsruck und Flüchtlingspolitik. Dafür haben sich die Schülerinnen und Schüler Fragen überlegt, die jeweils an einem der sechs Gruppentische diskutiert werden sollen. Sobald ein Gong erklingt, gehen die Abgeordneten einen Tisch weiter. Politisches Speed-Dating, sozusagen, das in diesem Fall „Präsidium vor Ort“ heißt.

Seit 2023 besuchen die Präsidentin des Deutschen Bundestages und ihre Vizes nacheinander ihre Heimatregionen. Das Ziel: Aktuelle Herausforderungen für Politik und Gesellschaft in den verschiedenen Regionen Deutschlands persönlich kennenlernen. Vom 19. bis 21. September 2024 ging es daher nach Hamburg, in die Heimat von Vizepräsidentin Aydan Özoğuz. Neben zahlreichen Terminen wie dem Besuch der Bahnhofsmission oder einem Treffen mit dem Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Dr. Peter Tschentscher, fand das Präsidium Zeit für Diskussionen mit Schülerinnen und Schülern zu aktuellen politischen Fragen. 

Eine Schülergruppe im Gespräch mit einer Frau mit braunen Haaren.

Speed-Dating mit dem Bundestagspräsidium: 90 Minuten Zeit und sechs große Fragen. © DBT / Thomas Imo / photothek

„Frau Özoğuz, ist es moralisch vertretbar, Israel im aktuellen Konflikt zu unterstützen?“ Eine schwierige Frage. „Wir tragen Verantwortung für den Staat Israel, nicht zuletzt wegen unserer historischen Verbrechen. Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass wir zu Israel stehen, gleichzeitig die Vorgehensweise der Regierung aber auch kritisieren können und nach meiner Meinung auch müssen.“, sagt die Vizepräsidentin.

Gong. Platzwechsel. Wie sehen Sie das, Herr Kubicki? „Ich kann die Frage ganz klar mit ja beantworten. Es ist moralisch vertretbar!“

Zwei junge Frauen im Gespräch mit einer älteren Dame. Eine von ihnen trägt ein dunkelgrünes Kopftuch, die andere offene blonde Haare.

Die Schülerinnen und Schüler haben aktuelle politische Fragen für das Bundestagspräsidium mitgebracht. © DBT / Thomas Imo / photothek

Anderer Tisch, anderes Thema: Petra Pau sitzt zwischen zwei Schülern und spricht mit ihnen über den aktuellen Rechtsruck. „Ich habe das, was wir gerade erleben, auch schon einmal in den 90er Jahren erlebt. Das macht mir große Sorgen.“ Die Vizepräsidentin schaut in betroffene Gesichter. „Deshalb braucht es Bildung und Prävention. Ich muss wissen, warum zum Beispiel mein Nachbar fastet. Und gleichzeitig muss ich frühzeitig erkennen, wenn sich ein Mensch radikalisiert.“

Auch von Vizepräsidentin Yvonne Magwas möchten die Schülerinnen und Schüler wissen, wie sich ein Erstarken rechtspopulistischer Strömungen in Deutschland verhindern lässt. „In Sachsen bin ich mit dieser Frage täglich konfrontiert. Bildung, auch Medienbildung, und kritisches Hinterfragen zum Beispiel von Inhalten auf Social Media muss in den Schulen und den Elternhäusern anfangen. Denn es sind immer mehr junge Leute, die die AfD unterstützen“, sagt Magwas und fügt schnell hinzu: „Und ich habe dennoch große Hoffnung in die Jugend, denn mehrheitlich wählt sie anders.“

Blick auf zwei Schülerinnen und Schüler in einer Diskussion.

Ein Stück Plenarsaal in Hamburg: die Schülerinnen und Schüler konnten mit dem Bundestagspräsidium über das diskutieren, was sie in ihrem Alltag beschäftigt. © DBT / Thomas Imo / photothek

Welche Rolle spielt Social Media beim Erstarken des Rechtspopulismus? Diese Frage haben die Schülerinnen und Schüler mit Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt diskutiert. Eine Schülerin erzählt, dass sie es als sehr erschreckend empfindet, wie viel Hetze in den sozialen Medien betrieben wird.

Göring-Eckardt stimmt zu und betont, dass der digitale Raum kein rechtsfreier Raum sei und unsere Demokratie auch im Netz verteidigt werde. Zum Abschluss hat die Gruppe noch einen Rat an Politiker. Auf TikTok aktiv sein, „auch, wenn das vielleicht peinlich ist“.

Eine Gruppe aus knapp 30 Schülerinnen und Schülern mit sechs älteren Menschen steht zusammen für ein Gruppenbild.

Gruppenfoto mit den Schülerinnen und Schülern und der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Carola Veit nach 90 Minuten voller anstrengender, aber auch spannender Diskussionen. © DBT / Thomas Imo / photothek

Nach 90 Minuten gongt es zum letzten Mal. Zeit für ein Fazit – wie war’s? „Ich finde es schade, dass wir so wenig Zeit hatten. Wir hatten nur zehn Minuten pro Diskussion und da sind manche Sachen einfach zu kurz gekommen. Aber eigentlich finde ich das ein super Projekt“, resümiert Noah. Deborah hatte es sich ganz anders vorgestellt: „Ich dachte, jetzt kommt dieses lange Gerede, wo die Politiker die ganze Zeit um den heißen Brei reden. Aber ich fand, es kamen verschiedene Meinungen und Diskussionen heraus.“ Und auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ist zufrieden: „Ihr habt wichtige Themen gewählt – das sind alles auch Themen, die wir regelmäßig im Bundestag diskutieren. Es ist gut, wenn ihr euch einmischt und uns eure Erwartungen und Ideen mit auf den Weg gebt. Die Politik von morgen müssen wir gemeinsam anstoßen."

dialogP

Mit Abgeordneten über politische Themen diskutieren? Das ist im Rahmen des Formats dialogP möglich – ein Projekt des Kumulus e.V., der auch Träger der Juniorwahl ist.
Lehrerinnen und Lehrer können ihre Klassen für das Projekt hier anmelden und mit etwas Glück findet das politische „Speed-Dating“ schon bald an eurer Schule statt.

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