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Corona Wie ernst ist die Lage?

Eric Matt

Der Bundesgesundheitsminister hat seit dem Frühjahr mehr Befugnisse im Kampf gegen das Corona-Virus. Die hatte ihm das Parlament eingeräumt. Soll die Sonderregel weiter bestehen? Ja, meinte die Mehrheit der Experten im Bundestag.

Die Corona-Pandemie bestimmt noch immer unseren Alltag, zum Beispiel, wenn wir die Corona-App benutzen. Aber rechtfertigt das einen Ausnahmezustand?picture alliance/Bodo Marks/dpa

Corona, Corona, Corona: Seit Monaten halten wir Abstand zu anderen Menschen, können nicht mehr uneingeschränkt verreisen und tragen Masken in der Bahn oder beim Einkaufen, um das Virus nicht zu verbreiten. Aber nicht nur der Alltag jedes Einzelnen hat sich verändert, sondern auch die Politik. Die rief im Frühjahr bei steigenden Infektionszahlen kurzerhand eine Art Ausnahmezustand aus und räumte dem Gesundheitsminister mehr Befugnisse ein.

Jetzt sind die Zahlen niedriger und es werden Forderungen nach einer Aufhebung des Ausnahmezustandes lauter. Eine gute Idee? Um dies zu beraten, hörte der Gesundheitsausschuss am 9. September Experten aus Medizin und Rechtswissenschaft an und beriet über zwei Antrage der Opposition.

Wie war das nochmal?

Kurzer Rückblick: Im Frühjahr waren die Corona-Fallzahlen in Deutschland besonders hoch. Im April infizierten sich am Tag über 6000 Menschen mit COVID-19. Deshalb versuchten die Politiker, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Das Ziel: Das Gesundheitssystem sollte nicht überlastet sein mit zu vielen schwerkranken Menschen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Deshalb stellte der Bundestag am 25. März 2020 offiziell eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ fest.

Dann kam der Sommer und die Situation beruhigte sich wieder. Das Gesundheitssystem wurde bisher nicht überlastet und derzeit ist nur noch ein geringer Anteil der Bevölkerung infiziert. Derzeit infizieren sich circa 2000 Menschen deutschlandweit pro Tag – aktuelle Zahlen findet ihr übrigens sehr gut aufbereitet hier auf der Seite des Robert-Koch-Instituts.

Was genau wurde geändert?

Es war das sogenannte Infektionsschutzgesetz, dass der Bundestag im März änderte. Es dient dazu, „übertragbaren Krankheiten vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern“. Die neuen Regelungen sehen vor, dass vor allem das Bundesministerium für Gesundheit Verordnungen ohne Zustimmung des Parlamentes erlassen kann. Außerdem kann das Ministerium selbstständig entscheiden, wie medizinische Hilfsmittel, beispielsweise Desinfektionsmittel oder Arzneimittel, bereitgestellt und verteilt werden.

Was will die FDP?

Die Fraktion der FDP fordert nun in einem Antrag, den Ausnahmezustand zu beenden. Sie verweist auf die derzeitig geringe Anzahl an Erkrankten, weshalb eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr wahrscheinlich sei und es des Ausnahmezustandes nicht mehr bedürfe. Daher sollten die Kompetenzen dem Parlament wieder zurückgegeben werden.

Was sagen Experten dazu?

Zu dem Vorschlag befragten die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses mehrere Experten. Thorsten Kingreen, Professor für Rechtswissenschaft, sagte, dass die zuletzt wieder steigenden Fallzahlen zwar besorgniserregend seien, man aber nicht mehr von einer systematischen Gefährdung des Gesundheitssystems sprechen könne. Seine Sorge: Wenn man weiter von einem Ausnahmezustand ausginge, obwohl es keinen mehr gäbe, könne das gegen das Grundgesetz verstoßen.

Sein Kollege Ferdinand Wollenschläger, der ebenfalls Rechtswissenschaft lehrt, ist anderer Auffassung. Seines „Erachtens nach besteht aktuell keine Pflicht zur Aufhebung“ des Ausnahmezustandes. Auch wenn die Infektionszahlen derzeit relativ gering seien, bestehe die Gefahr, dass dies sich schnell ändern könne. Dann stünde auch wieder das Gesundheitssystem vor großen Aufgaben. Daher könne man auch aus rechtlicher Sicht den Ausnahmezustand weiter aufrechterhalten.

Virus-Experten: Die Lage bleibt ernst

Ähnlich sahen es die geladenen Virologen und Mediziner: Christian Drosten, der Leiter der Virologie des Berliner Krankenhauses Charité, vermutet, dass die Infektionen gegen Ende des Jahres wohl erneut ansteigen und zu neuen Herausforderungen führen werden. Seine Einschätzung ist, „dass sich die Grundsituation nicht verändert“ habe und es daher noch immer des Ausnahmezustandes bedürfe. Auch die Gesellschaft für Virologie (GfV) sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) rieten von einer verfrühten Aufhebung der nationalen epidemischen Lage ab.

Durch den nahenden Winter, die bevorstehende Grippesaison und die bereits jetzt schon steigenden Corona-Zahlen sei es wichtig, dass das Bundesgesundheitsministerium noch immer über besondere Kompetenzen verfüge. Nur so könne man schnelle Entscheidungen treffen und der Bevölkerung gezielt helfen.

Die ganze Debatte könnt ihr euch hier im Video anschauen. Dabei ging es auch um einen Antrag der Grünen. Ihre Forderung: die Einrichtung eines "Pandemierates". Dieses unabhängige, wissenschaftliche Gremium würde aus ihrer Sicht dabei helfen, das „Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaft und Forschung“ zu stärken. Ebenso würde es „Verschwörungsideologien und Desinformationskampagnen die Grundlage“ entziehen.

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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