Rauchen Weg mit der Werbung?
Linke und Grüne wollen Werbung für Tabakprodukte komplett verbieten. Nun hat der Bundestag dazu Experten befragt. Die meisten sind pro Verbot, doch es gab auch Gegenargumente.
Plakate in Deutschland
Im Jahr 2004 haben sich Bundesregierung und Bundestag gegenüber der Weltgesundheitsorganisation verpflichtet: Sie wollten ein "umfassendes Verbot aller Formen von Tabakwerbung" erlassen, spätestens bis 2010. Im Fernsehen, im Internet und in Zeitungen und Zeitschriften ist Tabakwerbung in Deutschland bereits verboten. Alle anderen EU-Staaten, zuletzt Bulgarien, haben mittlerweile auch die Plakatreklame für Tabakprodukte verboten – vor allem, um Jugendliche zu schützen. Nur in Deutschland hängt sie immer noch.
Die Bushäuschen
Und zwar wegen der Bushäuschen und anderer "Stadtmöblierungen". Die bezahlt nämlich nicht unbedingt der Steuerzahler, sondern die Werbeindustrie. Im Gegenzug darf sie Plakate aufhängen und Tabakwerbung bringt nun mal viel ein.
Grüne und Linke wollen dies nicht länger hinnehmen. Vor der Sommerpause haben sie einen Gesetzentwurf sowie einen Antrag eingebracht, um Zigarettenwerbung zu verbieten. Am 10. Dezember sprachen sich im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sechs von acht Sachverständigen für die Vorlagen aus.
Jeder vierte raucht
Dass die Raucherquote mit 25 Prozent in Deutschland deutlich höher liege als in vergleichbaren Industrieländern, stellte Dr. Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung fest. Das bedeutet: Jeder vierte Erwachsene raucht. Der Wissenschaftler erklärte das auch damit, dass in den Vergleichsländern weitreichende Beschränkungen für Werbung gelten würden. Studien für Jugendliche sehen zwar mittlerweile etwas besser aus (10 Prozent Raucher unter den 12- bis 17-Jährigen), die Quote schnellt dafür bei jungen Erwachsenen ordentlich nach oben (30 Prozent der 18- bis 25-Jährigen).
Zigarettenverband: Totalverbot geht nicht
Gegen ein umfassendes Werbeverbot wandte sich hingegen Jan Mücke, Vertreter des Deutschen Zigarettenverbands e.V. Sein Argument: Das wäre verfassungswidrig. Weil ein vollständiges Verbot der Werbung die Freiheit der Unternehmen beschränken würde. Das beste Mittel, um Kinder und Jugendliche von der Zigarette fernzuhalten, sei die "fehlende Verfügbarkeit" – sprich: die Tatsache, dass Menschen unter 18 keine Tabakwaren kaufen dürfen.
Auch Jurist ist skeptisch
Aus juristischer Sicht sprach sich Prof. (em.) Dr. jur. Christoph Degenhart von der Universität Leipzig ebenfalls gegen ein Totalverbot aus. Er befürchtet, dass Vorstöße für ein Totalverbot auch in anderen Bereichen Verbote und Reglementierungen nach sich ziehen würden. Es sei nicht Aufgabe des Staates, so Degenhart, einzelne Erwachsene vor sich selbst zu schützen. Auch er sieht in einem Werbeverbot eine Beschränkung der Grundrechte.
Werbung verleitet
Prof. Dr. Reiner Hanewinkel vom IFT-Nord Institut für Therapie- und Gesundheitsförderung gGmbH sprach sich hingegen für ein umfassendes Werbeverbot aus. Zahlreiche Studien würden belegen, dass Tabakwerbung Menschen dazu verleiten könne, mit dem Rauchen anzufangen. Hanewinkel würde am liebsten auch Tabaksticks und E-Zigaretten verbieten.
Auch Werbung für E-Kippen verbieten
Auch Dr. Tobias Effertz von der Universität Hamburg stimmte den Verbotsforderungen zu. Nach Schätzung des Wissenschaftlers kostet das Rauchen jedes Jahr 97 Milliarden Euro. Alle Sozialversicherungszweige könnten davon profitieren, wenn das Rauchen insgesamt weiter zurückgedrängt werden würde. Auch Effertz glaubt, dass Außenwerbung und Kinowerbung Jugendlichen und Heranwachsenden zum Rauchen verleitet.
Er würde gerne ebenfalls die Werbung für E-Zigaretten verbieten, denn da sei ja auch Nikotin drin. Prof. Dr. Daniel Kotz von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf sieht das genauso, denn nach seiner Ansicht ist die Tabakwerbung eine wichtige Ursache für den anhaltend hohen Tabakkonsum in Deutschland.
Jede fünfte Krebserkrankung wegen Tabak
Tabakkonsum sei das größte vermeidbare Krebsrisiko unserer Zeit, stellte Dr. Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg fest. Allein in diesem Jahr könnten 85.000 Krebsneuerkrankungen und damit jede fünfte Krebserkrankung auf das Rauchen zurückgeführt werden. Mons hält ein Werbeverbot ebenfalls für erforderlich, denn die Werbung werde ja nicht nur von erwachsenen Rauchern, sondern auch von Jugendlichen wahrgenommen und befördere den Einstieg.
Wenn ihr die Argumente der Experten noch mal ausführlich hören wollt, schaut euch hier das Video an.
(DBT/ah)