Innenminister Seehofer „Stolz auf unseren Lösungsvorschlag“
Bei der Regierungsbefragung am Mittwoch stellten die Abgeordneten Horst Seehofer (CSU) fast ausschließlich Fragen zu dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria auf Lesbos.
Sie kommen mittwochsmorgens direkt aus dem Kanzleramt in den Bundestag: Die Mitglieder der Bundesregierung, die in den Regierungsbefragungen den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Kurz zuvor saßen die Regierungsmitglieder noch mit den anderen Ministern und der Bundeskanzlerin am Tisch. Sie können also aktuell aus dieser wichtigen Runde (genannt Bundeskabinett) berichten.
Am Mittwoch erschien Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, im Bundestag. Er berichtete, die „Frage von Lesbos“ sei im Bundeskabinett diesen Mittwoch nicht behandelt worden. Vielmehr sei es um die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes, um das Elterngeld- und Elternzeit-Gesetz und um den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit gegangen.
Doch die Abgeordneten hatten zu keinem dieser drei Themen Gesprächsbedarf. Das zentrale Thema war der Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria und die Frage, wie Deutschland darauf reagieren solle. Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten vor Kurzem zugesagt, rund 1.500 Flüchtlinge von griechischen Inseln nach Deutschland zu holen. Dabei soll es um Familien gehen, die bereits als schutzberechtigt anerkannt sind und deren Identität überprüft werde.
AfD: „Europäische Lösung funktioniert nicht“
Immer wieder betonte Seehofer im Bundestag, dass er eine europäische Lösung anstrebe, was die Verteilung der obdachlos gewordenen Flüchtlinge aus Moria angehe. Die AfD hielt dagegen: „Diese europäische Lösung funktioniert überhaupt nicht – nicht mal bei 1.500, geschweige denn bei größeren Mengen von Flüchtlingen.“ Die anderen EU-Länder hätten kein Interesse daran, Menschen aufzunehmen.
„Wollen wir als Deutsche die anderen zu etwas zwingen, was sie nicht wollen? Ist das möglicherweise der komplett falsche Ansatz?“, fragte die AfD. Die Antwort des Innenministers lautete: „Nein. Wir kämpfen dafür.“
Deutschland habe als bisher einziges Land einen konkreten Lösungsvorschlag geliefert, auf den er stolz sei, sagte Seehofer. Es sei ein Vorschlag, der „uns nicht überfordert“ und der „beide Seiten der Medaille: Humanität und Ordnung“ berücksichtige.
Grüne: „Ihren Vorschlag lehnen alle Südländer ab“
Die Grünen sehen das Vorgehen der Bundesregierung ebenfalls kritisch. So sagten Abgeordnete der Fraktion, die südeuropäischen EU-Länder lehnten den deutschen Vorschlag ab – und fragten: „Wann kommen Sie endlich als Bundesregierung zu einem realitätsnahen Vorschlag?“
Der Minister antwortete: „Unser Vorschlag ist sehr realitätsnah.“ Natürlich müsse man sich aber mit den europäischen Partnern zusammensetzen, beraten und letztlich gemeinsam entscheiden. „Wir fahren da nicht mit der Dampfwalze drüber“, sagte Seehofer.
Wie viele Flüchtlinge sollen aufgenommen werden?
Die Linke fragte, warum es nicht möglich sei, alle Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen. „Wir haben noch nicht mal die von Ihnen gesetzte Obergrenze erreicht.“ Zur Erläuterung: Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2018 enthält die Feststellung, „dass die Zuwanderungszahlen (..) die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden“.
Darauf erwiderte Seehofer: „Ich habe gesagt, dass wir die 200.000 nicht überschreiten sollten. Das heißt aber nicht, dass wir jedes Jahr 200.000 aufnehmen sollten. Wir sollten unter dieser Grenze bleiben.“
Die FDP verwies auf uneinheitliche Zahlen, die innerhalb der Union in den letzten Tagen genannt worden waren. Seehofer stellte klar, dass Deutschland zunächst unbegleitete Kinder aus Moria aufnehmen wolle, im zweiten Schritt dann Familien mit Kindern. Insgesamt sollten um die 1.500 Menschen nach Deutschland kommen, so wie er es mit der Kanzlerin beschlossen habe.
Zustände auf den griechischen Inseln
Die „menschenunwürdige Unterbringung“ in den Flüchtlingsheimen auf den griechischen Inseln sprach die SPD an: „Wir geben der griechischen Regierung einen Milliardenbetrag. Wenn ich die Bilder anschaue, frage ich mich, wo diese Milliarden bleiben.“
Dem stimmte Seehofer zu. Die Zustände vor Ort seien schrecklich. Deshalb würde man für die Zukunft einen Vertrag zwischen der EU und Griechenland schließen, um die Details des neu zu gründenden europäischen Aufnahmezentrums zu klären.
Der Innenminister betonte, Deutschland leiste sehr viel bei der Nothilfe vor Ort auf Lesbos. Er bedankte sich insbesondere beim Technischen Hilfswerk und dem Deutschen Roten Kreuz für ihren Einsatz.
Getrennte Paare in der Corona-Krise
Neben den vielen Fragen rund um den Brand von Moria sprach die FDP noch ein ganz anderes Thema an: Aufgrund der Corona-bedingten Einreisebeschränkungen hätten sich viele binationale Paare, die nicht verheiratet seien, seit Monaten nicht gesehen. Warum es für sie so viele Hürden geben, fragte die FDP. „Ist das nicht ein bisschen borniert und weltfremd?“
Seehofer bot an, konkrete Fälle zu prüfen und sich gegebenenfalls für sie einzusetzen. „Aber man muss Verständnis für die Polizei an der Grenze hat, dass sie skeptisch wird, wenn der Betroffene nicht beantworten kann, wie der Partner heißt oder wo er wohnt“, ergänzte er.
Hier seht ihr die ganze Regierungsbefragung vom 16. September im Video:
(jk)