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Soziales Problemkind Jugendhilfe

Wenn jungen Menschen in Familien Gewalt droht oder sie in eine Notsituation geraten, ist die Kinder- und Jugendhilfe für sie da. Aber die hat selbst so ihre Probleme. Union und SPD wollen das nun ändern.

Wenn die Eltern zuschlagen, soll die Kinder- und Jugendhilfe eingreifen. Eigentlich. © dpa

Das Achte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII)

Wer kümmert sich eigentlich, wenn in Familien etwas schiefläuft, wenn Kinder vernachlässigt, Jugendliche geschlagen oder missbraucht werden? Die Kinder- und Jugendhilfe macht das. So steht es im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Aber es läuft nicht immer alles rund in der Kinder- und Jugendhilfe. Daran wollen Union und SPD nun etwas ändern. In einem gemeinsamen Antrag fordern sie die Regierung auf, aktiv zu werden. Der Koalitionsantrag wurde dann auch am 21. Februar 2019 mit der Stimmenmehrheit der beiden Fraktionen verabschiedet. Die Opposition hatte noch einige Kritikpunkte.

Was macht die Kinder- und Jugendhilfe?

Wenn Kinder mit ihren Eltern nicht klarkommen – oder umgekehrt, können sie sich in besonders ernsten Fällen an das Jugendamt wenden. Auch Außenstehende können das tun, wenn die zum Beispiel merken, dass die Nachbarn ihre Kinder misshandeln oder nicht zur Schule schicken. In solchen Fällen können die Ämter den betroffenen Familien Unterstützung und Beratung anbieten. Wenn das nicht hilft, können sie dafür sorgen, dass die Kinder in einer Pflegefamilie unterkommen oder in einem Heim. Die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe ist mitunter kompliziert, weil es gilt, Kinder zu schützen und trotzdem die Rechte der leiblichen Eltern zu beachten. Geregelt sind die Details im besagten SGB VIII.

Was soll geschehen?

Die Koalitionsfraktionen weisen in ihrem Antrag darauf hin, dass es sinnvolle Veränderungen beim Kinderschutz nur dann geben kann, wenn es eine "Kooperation aller relevanten Akteure" gibt. Akteure sind zum Beispiel das Personal in der Kinder- und Jugendhilfe, Pflegeeltern, Heimaufsichten oder die leibliche Eltern. Außerdem soll das Hilfesystem besser werden: bei Fremdunterbringung, Heimaufsicht, Arbeit mit und Unterstützung von Herkunftseltern soll sich etwas tun. "Fremdunterbringung" findet statt, wenn Kinder in eine Pflegefamilie kommen. "Herkunftseltern" sind die leiblichen Eltern, die sind, auch wenn die Jugendhilfe einschreitet, nicht einfach außen vor, denn sie haben immer noch gewisse Rechte. Außerdem sollen Pflegeeltern besser qualifiziert werden und das Personal der Kinder- und Jugendhilfe soll sich weiterbilden.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Caren Marks (SPD), erklärte, man wolle bei der Reform der Kinder- und Jugendhilfe auch auf die Erfahrungen von Kindern, Jugendlichen und Familien zurückgreifen und diese wissenschaftlich auswerten.

Linke: Am Personal gespart

Norbert Müller (Die Linke) beklagte, dass die Kommunen in der Vergangenheit zu stark bei den Jugendämtern gespart hätten, so dass jetzt überall das Personal fehle. Wer so etwas tue, "betreibt institutionalisierte Kindeswohlgefährdung", kritisierte der Abgeordnete. Müller forderte in erster Linie mehr Geld für die Kommunen, damit die in die Lage versetzt werden, ihren Pflichten in der Kinder- und Jugendhilfe nachzukommen.

Grüne wollen unabhängige Schiedsstelle

Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) drängte auf unabhängige Schiedspersonen, an die sich Kinder, Jugendliche und Familien bei Konflikten und Fragen im Zusammenhang mit der Kinder- und Jugendhilfe wenden könnten. Zudem müssten Kinder und Jugendliche zu eigenständigen Leistungsberechtigten gemacht werden. Momentan gibt es Leistungen, also staatliche Hilfen wie Hartz IV, für Kinder nur über die Eltern. Und wenn es mit denen ohnehin schon Stress gibt, sind zusätzliche Konflikte ums Geld natürlich belastend.

AfD: "Ideologie sozialistischer Gleichmacherei"

Für Johannes Huber (AfD) sind die Forderungen von Linken und Grünen "Ideologie sozialistischer Gleichmacherei". Der Abgeordnete sprach sich zudem dagegen aus, Kinder und Jugendliche zu eigenständigen Leistungsberechtigten zu machen. Wer Kinder und Jugendliche stärken und schützen wolle, müsse die Familien von der wachsenden Steuerlast befreien. Außerdem müssten gewalttätige Asylbewerber abgeschoben werden, so Huber.

Union will gründliche Debatte über Reform

Marcus Weinberg (CDU/CSU) warb für eine breite und gründliche Debatte über die Reform. Der Staat müsse genau abwägen zwischen seiner Wächterfunktion, dem Kindeswohl und den Rechten der Eltern. Horrorgeschichten über Kinder, die von leiblichen Eltern oder Pflegeeltern missbraucht werden, seien zwar Einzelfälle, aber sie dürften nicht passieren, der Staat müsse hier handeln.

SPD: Hilfe für Kinder von psychisch Kranken

Die SPD-Abgeordnete Ulrike Bahr sprach sich für eine behutsame Reform des SGB VIII aus. Sie unterstütze die Forderung der Grünen nach einer unabhängigen Schiedsstelle. Zudem müsste verstärkt die Situation von Kindern psychisch kranker oder suchtkranker Eltern beachtet werden. "Ohne Zusammenarbeit von Psychiatrie, Gesundheitssystem, Suchthilfe und Jugendhilfe fliegen diese Kinder lange Zeit oft völlig unter dem Radar und erhalten keine Hilfe", so Bahr. Großen Diskussionsbedarf sehe die Abgeordnete auch noch im Hinblick auf Hilfen für körperlich und geistig behinderte Kinder unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe.

Alle Debattenbeiträge zu diesem Thema seht ihr hier im Video.

(DBT/ah)

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