Wirtschaft und Umwelt Kampf gegen Plastikmüll
Die Welt versinkt im Plastikmüll. Zur EU-Plastikstrategie äußerten sich nun einige Experten im Bundestag. Die wenigsten glauben, dass Deutschland beim Recycling ein Musterknabe ist.
Nanoplastik in der Muschel
Anfang Dezember haben Wissenschaftler der University of Plymouth ein interessantes Forschungsergebnis bekanntgegeben. Sie setzten Jakobsmuscheln in ein Aquarium und gaben dann winzige Plastikteilchen hinzu, sogenanntes Nanoplastik. Das kommt mittlerweile auch überall in den Meeren vor. Es stammt unter anderem aus zerfallenem Plastikmüll, Reifenabrieb oder Textilfasern, die aus der Waschmaschine ins Klärwerk und von da in die Flüsse und Meere gelangen. Jedenfalls: Bereits nach sechs Stunden hatten sich in den Organen der Jakobsmuscheln Milliarden von diesen Nanoteilchen angesammelt.
Plastik, das in die Umwelt gelangt, ist ein massives Problem, deshalb beschäftigen sich auch die Parlamentarier damit. Am 28. November lud der Bundestag zu einem öffentlichen Expertengespräch in den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung, um über die EU-Plastikstrategie zu diskutieren.
Cradle-to-Cradle
Prof. Dr. Michael Braungart, Geschäftsführer der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, bezeichnete Plastik als "die Pest des Jahrtausends" und schlägt eine Enquete-Kommission vor, um sich mit dem Problem auseinanderzusetzen.
Braungart schilderte, wo überall im Alltag Kunststoffe vorkommen und was sie für Auswirkungen haben. Beispielsweise berichtete er von Kinderspielzeug, in dem über 600 giftige Stoffe drin sind. Der Wissenschaftler brach eine Lanze für das Cradle-to-Cradle-Prinzip (von der Wiege zur Wiege), was nichts anderes bedeutet als "geschlossene Kreisläufe". Alle Kunststoffe, die per Verschleiß in die Umwelt gelangen (wie Reifenabbrieb oder Textilfasern), müssten in Zukunft biologisch abbaubar sein, alle anderen müssten zu hundert Prozent recycelt werden.
Momentan sei es nicht weit her mit der Recyclingquote in Deutschland. Mit dem Grünen Punkt, der recyclebare Stoffe kennzeichnen soll, werde die Bevölkerung angelogen, so der Experte (denn auch dessen Inhalt lande zu rund 50 Prozent in der Müllverbrennungsanlage). Braungart meinte, die Plastikstrategie der EU greife viel zu kurz. Er warb dafür, die 200 Milliarden Euro, die für öffentliche Anschaffungen, also staatlichen Besitz, ausgegeben würden, bevorzugt in Cradle-to-Cradle-Produkte zu investieren, wie es etwa in Holland schon gemacht werde.
Müll vermeiden
"Wir müssen versuchen, aus weniger mehr zu machen", betonte Dr. Helge Wendenburg, ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium. Dabei gehe es vor allem um Abfallvermeidung. Ein Beispiel seien die Plastiktüten im Supermarkt. Seitdem dafür bezahlt werden muss, würden die meisten Kunden eigene Transportbehälter – zumeist nicht aus Plastik – mitbringen. Auch er plädierte für Recycling, erwähnte aber auch, welcher Aufwand für die Sammlung nötig ist und dass die Sache unter Umständen dann nicht mehr wirtschaftlich sei. Die in Deutschland schon vorhandene Recycling-Industrie müsse beispielsweise in den ostasiatischen Ländern erst aufgebaut werden.
Plastik als Ressourcenschoner?
Einzig der Verband der Chemischen Industrie argumentierte ganz anders. Geschäftsführer Bertold Welling verteidigte die Kunststoffe auch im Bereich der Verpackungen. Denn Kunststoffe seien vorteilhaft in Sachen Klimaschutz und CO2-Einsparungen.
Andere Verpackungen hätten einen 2,2-fachen Energieverbrauch und würden 2,7-fach höhere Kohlendioxidemissionen freisetzen. In Deutschland sei das kein Problem, denn mehr als 99 Prozent würden im Rahmen der Kreislaufwirtschaft weiterverwertet. Welling sagte: "Die Kunststoffindustrie kann ein Problemlöser in Sachen Kohlendioxidminderung und Ressourcenschonung sein".
Wer mehr über die Kunststoffstrategie der EU erfahren möchte, dem empfehlen wir den Video-Mitschnitt der Gesprächsrunde. Schon der erste Expertenbeitrag ist sehr beeindruckend, versprochen!
(DBT/ah)