Video-Überwachung Gesichtserkennung: Anwenden oder nicht?
Manche sehen darin eine Beschneidung der persönlichen Freiheit und einen Eingriff in die Grundrechte. Andere ein gutes Instrument für mehr Sicherheit. Im Bundestag wurde heftig diskutiert.
Wer in den letzten Jahren einmal in Berlin war, wurde möglicherweise intensiv beobachtet. Und zwar am Bahnhof Berlin Südkreuz. Dort findet nämlich seit August 2017 ein Pilot-Projekt statt. Das testet neue Technologien im Bereich "intelligente Video-Überwachung". Zwei Dinge soll die Technik in Berlin Südkreuz leisten: Zum einen gleicht sie aufgenommene Gesichter mit denen einer Test-Datenbank ab – das nennt man automatisierte Gesichtserkennung. Zum anderen sollen die Computer-Programme gefährliche Situationen selbstständig erkennen, etwa hilflose Personen oder Gepäckstücke ohne Besitzer.
Daher rührt auch der Name "intelligente Video-Überwachung". Mit "intelligent" ist gemeint, dass das System sich selbst verbessert und die Computer etwa lernen, bestimmte Verhaltensmuster, die auf Straftaten hindeuten – etwa Schlagen, Treten, Hinfallen – automatisch erkennen und die Polizeibeamten im Lagezentrum darauf hinweisen.
Umstrittene Regel
Über derlei Techniken wurde kürzlich im Bundestag heftig diskutiert. Der Hintergrund: Das Bundespolizeigesetz soll novelliert werden. Ursprünglich hatte das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat vorgehabt, einen Passus zu ergänzen, der die "intelligente Video-Überwachung" inklusive automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum erlauben sollte.
Dieser Passus wurde inzwischen wieder aus dem Entwurf gestrichen. Trotzdem sind manche Fraktionen besorgt. FDP und Grüne haben jeweils einen Antrag vorgelegt, um die neue Art der Überwachung zu verhindern.
Sorge vor Total-Überwachung
Für die FDP stellt die automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum einen „Grundrechtseingriff“ dar, der das "Recht auf Privatsphäre und auf informationelle Selbstbestimmung" beschneide. In ihrem Antrag fordert die Fraktion deshalb, das „Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum“ gesetzlich festzuschreiben.
„Die Bürgerinnen und Bürger dürfen keiner Totalüberwachung unterworfen sein“, heißt es in dem Antrag. Eine automatisierte Gesichtserkennung, die es ermögliche, „lückenlose Bewegungsprofile“ von Menschen anzufertigen, sei ein „völlig unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum“. Eine intelligente Video-Überwachung ohne Gesichtserkennung, die zum Beispiel Gefahrensituationen erkenne, könne dagegen sinnvoll sein, so die FDP.
Soll Gesichter erkennen tabu sein?
Der Antrag der Grünen zielt auf ein „gesetzliches Verbot der biometrischen, algorithmengesteuerten Gesichtserkennung“ im öffentlichen Raum ab. Man müsse Freiheit gegen Sicherheit abwägen, meinen die Grünen. Aber der „sicherheitspolitische Mehrwert“ der Video-Überwachung sei bis heute nicht bewiesen. Darüber hinaus hätte das Pilot-Projekt Berlin Südkreuz eine ernstzunehmende Fehler-Quote bei der Auswertung der Daten ergeben.
Vor allem aber sei „freiheitlicher und demokratischer Meinungsaustausch und Diskurs ohne unüberwachte öffentliche Räume nicht denkbar.“ Wer sich ständig beobachtet fühle, ändere sein Verhalten – darunter würden „Freiheitsrechte, individuelle Entfaltung und politische Teilhabe“ leiden.
Deshalb möchten die Grünen die Bundesregierung nicht nur auffordern, intelligente Video-Überwachung mittels automatisierter Gesichtserkennung zu verbieten, sondern auch auf ein EU-weites Verbot hinzuwirken.
Mögliche Straftäter schneller fassen?
Zustimmung für das Grundanliegen der Antragsteller gab es von der Linken, die die biometrische Gesichtserkennung als „weiteren Schritt hin zu einem Überwachungsstaat“ bezeichnete und ein „klares Stoppzeichen“ seitens des Bundestages forderte.
Die SPD meinte, automatisierte Gesichtserkennung mache Menschen „individuell erkennbar“. Das sei eine Kontrolle ohne konkreten Anlass oder Verdacht, der die Verfassung zu Recht „sehr enge Grenzen“ setze. Das Thema bedürfe einer ausführlichen Debatte in der Gesellschaft.
Die CDU/CSU verteidigte die ursprünglichen Pläne des Ministeriums. Es gehe nicht um die staatliche Überwachung von Menschen, die nichts verbrochen hätten. Sondern darum, „dass Menschen, die in polizeilichen Fahndungsdateien sind, letztlich auch schneller dingfest gemacht werden können.“ Allerdings müssten offene Rechtsfragen geklärt werden, bevor man die neue Technik zulassen könne.
Widerspruch erfuhren die Antragsteller von der AfD, die die automatisierte Gesichtserkennung ein „neues, wunderbares Fahndungsinstrument“ nannte. Wer es verhindern wolle, nehme „billigend in Kauf“, dass mutmaßliche Täter wie Mörder, Räuber, Terroristen und Sexualstraftäter nicht erwischt würden.
Die Anträge werden nun im Ausschuss für Inneres und Heimat weiter diskutiert.
Die kontroverse Debatte könnt ihr euch hier anschauen:
(DBT/jk)