Rechtsextremismus „Eine Gefahr für unser Land“
Letzte Woche hat der Bundestag eine besonders emotionale Debatte erlebt: In einer Aktuellen Stunde erinnerten die Abgeordneten an den ermordeten Walter Lübcke.
Am 2. Juni wurde der Politiker Walter Lübcke in Kassel mutmaßlich von einem Neonazi ermordet. Die Behörden ermitteln aktuell, ob der Täter allein oder mit Unterstützung gehandelt hat. Alles deutet aber darauf hin, dass er Walter Lübcke aus politischen Gründen erschossen hat. Lübcke hatte sich seit 2015 immer wieder für eine offene und tolerante Gesellschaft eingesetzt und wurde deshalb zum Hassobjekt in der rechtsradikalen Szene.
Auf Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD thematisierte der Bundestag den Mord und die politischen Folgen in einer Aktuellen Stunde.
Null Toleranz
Alle Fraktionen sprachen von einer Bedrohung durch Neonazis für die Gesellschaft. Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte zu Anfang seiner Rede: „Neben vielen Gefahren ist der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland eine große Gefahr für unser Land“. Er forderte „null Toleranz“ für Ausländerfeindlichkeit, Hassparolen und Antisemitismus. Die erst kurz vorher neu vereidigte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht wählte ebenfalls deutliche Worte: „Diese rechtsextreme Gewalt dürfen wir niemals hinnehmen. Wir dürfen uns nicht an sie gewöhnen. Im Gegenteil: Wir müssen alles tun, um diesem widerwärtigen Treiben ein Ende zu bereiten“.
Hass in der Sprache
Alle Redner bemängelten den gewachsenen Hass in der politischen Debatte. Die Streitkultur habe sich verändert, immer öfter seien Aggressionen und Beleidigungen Teil der Auseinandersetzungen. Innenminister Seehofer sagte: „Es gibt keine Rechtfertigung für die Herabsetzung von Personen innerhalb oder außerhalb einer Regierung oder eines Parlaments und schon gar nicht für Verunglimpfung“.
Streitpunkt AfD
Die AfD-Fraktion kritisierte, dass sie das Hauptziel politischer Angriffe sei. Die meisten Anschläge würden auf Büros der AfD verübt und sie würde die größte Ausgrenzung erfahren. Redner der anderen Fraktionen gaben der AfD dagegen eine Mitschuld an der aggressiveren Stimmung im Land. Sigmar Gabriel von der SPD-Fraktion warf der AfD-Fraktion vor, Neonazis in den eigenen Reihen zu dulden. Es sei erlaubt, sich gegen Migration auszusprechen, meinte Gabriel. „Was nicht erlaubt ist, ist die Brandmauer zu Nazis, ob jung oder alt, aufzumachen“. Die AfD habe Mitglieder, die ebenfalls Mitglied der verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung seien und den Holocaust relativierten. Gottfried Curio von der AfD wehrte sich dagegen: „Kritik ist nicht Hass, ist nicht Hetze“, sagte er. Abgeordnete der AfD riskierten ihre bürgerliche Existenz, wenn sie für die Partei aktiv würden. Anders als die anderen Fraktionen es darstellten, sei die AfD die Partei, die das Grundgesetz beschütze.
Gedenken an Walter Lübcke
Zum Schluss der Debatte erinnerten zwei politische Weggefährten von Walter Lübcke an den Politiker. Der SPD-Abgeordnete Timon Gremmels erzählte von dem Moment, mit dem die Hasskampagne gegen Lübcke begann. Bei einer Informationsveranstaltung zu einer geplanten Flüchtlingsunterkunft hatte sich eine Gruppe fremdenfeidlicher Pöbler unter die Interessierten gemischt. „Ihnen ging es nicht um Informationen“, berichtete Gremmels, „nicht um Deeskalation und natürlich auch nicht um Hilfe“. Stattdessen hätten sie die Veranstaltung gezielt gestört. Lübcke wehrte sich dagegen und sei deshalb zum Ziel der Rechten geworden. Gremmels appelierte, dass Demokraten aus Angst nicht leise, sondern erst recht laut werden müssten und schloss seine Rede mit den Worten „Wir sind mehr!“
Besonders emotional berichtete der Abgeordnete Michael Brand von der CDU. Der Parlamentarier kannte nach eigener Aussage Lübcke seit über 20 Jahren und erzählte Persönliches aus dessen Leben. „Vom Pförtner bis zum Ministerpräsidenten – er ist jedem mit gleichem Respekt und der gleichen Freundlichkeit gegenübergetreten“. Brand rief dazu auf, die „Freiheit der offenen Gesellschaft zu verteidigen“ und kündigte an, diesen Kampf zu gewinnen. „Das verspreche ich dir, lieber Walter“, rief er zum Schluss seiner Rede in den Saal.
(DBT/tl)