Gesundheit Diskriminierung bei der Blutspende?
Yannic Walther
Gerade während der Corona-Pandemie sind Blutkonserven knapp. Spender bleiben aus Angst vor Ansteckungen zuhause. Doch homosexuelle Männer dürfen erst nach einem Jahr ohne Sex spenden. FDP und Grüne wollen das ändern.
Blutspenden können Leben retten. Und immer wieder weisen Mediziner darauf hin, dass nicht genügend Freiwillige zum Spenden kommen. Dennoch durften homosexuelle Männer und Transsexuelle lange Zeit überhaupt kein Blut spenden. Seit 2017 ist es ihnen erlaubt – allerdings nur, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex hatten.
Grund dafür ist die AIDS-Epidemie der 1980er Jahre. Viele Schwule steckten sich damals mit dem sexuell übertragbaren HI-Virus an. Das Endstadium dieser Infektion ist als Immunkrankheit AIDS bekannt. Bis heute ist AIDS nicht heilbar. Da das Virus auch über das Blut übertragen werden kann, infizierten sich auch Empfänger von Blutspenden mit HIV. Um solche Infektionen zu vermeiden, wurden Gruppen mit hohem HIV-Risiko von der Blutspende ausgeschlossen.
Wie werden Ansteckungen durch eine Blutspende verhindert?
Die Wahrscheinlichkeit, sich heute durch eine Blutspende mit dem HI-Virus zu infizieren, ist gering. Im Schnitt kommt in Deutschland eine HIV-infizierte Blutspende pro Jahr in Umlauf. Dieses geringe Risiko liegt nicht nur an dem Ausschluss von Risikogruppen. Blutspenden werden heute auch standardmäßig auf Viren getestet.
Doch vollkommene Sicherheit können diese Tests nicht schaffen, weil der HI-Virus frühestens zwei Wochen nach einer Infektion nachgewiesen werden kann. Deshalb gibt es seit 2017 die Regelung, dass homosexuelle Männer, die Blutspenden wollen, ein Jahr zuvor keinen Sex gehabt haben dürfen. Damit wird eine Infektion kurz vor der Blutspende ausgeschlossen.
Warum will die FDP das ändern?
Die FDP hält die aktuelle Regelung für diskriminierend und nicht mehr zeitgemäß. Dass homosexuelle Männer erst nach einem Jahr ohne Sex Blut spenden dürfen, sei laut Jens Brandenburg „nicht nur diskriminierend, sondern grob fahrlässig“. „Es schadet all denen, die jetzt dringend auf eine Blutspende angewiesen sind“, sagte er im Bundestag. Bereits nach sechs Wochen könne laut Brandenburg zuverlässig auf HIV getestet werden.
In ihrem Antrag weist die FDP-Fraktion darauf hin, dass das sexuelle Risikoverhalten entscheidend sei und nicht die Frage, ob jemand hetero- oder homosexuell ist. So habe ein homosexueller Mann mit einem festen Sexualpartner ein deutlich geringeres Risiko einer HIV-Infektion als ein heterosexueller Mann mit häufig wechselnden Sexualpartnern, erklärte Brandenburg.
SPD, Grüne und Linke befürworten Antrag
Unterstützung bekommt die FDP unter anderem von der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Diese hat einen eigenen Antrag mit dem gleichen Ziel in den Bundestag eingebracht. Ihr Redner, Sven Lehmann, sagte während der Debatte: „Wer Blut spendet, übernimmt Verantwortung für die Gesellschaft, und das müssen wir doch ermöglichen und fördern, anstatt es pauschal abzuweisen.“
Unterstützung gibt es auch von den Linken. Doris Achelwilm räumte zwar ein: „Bestimmte Fristen sind notwendig, um das diagnostische Zeitfenster von sechs Wochen zum Nachweis einer HIV-Infektion einzuhalten.“ Sie beurteilte aber die Regelung, ein Jahr auf Sex verzichten zu müssen, als „lebensfremd und nicht notwendig“.
Dass die Richtlinien aus der Zeit gefallen seien, meinte auch Hilde Mattheis von der SPD-Fraktion. Die Medizin habe dazu gelernt. „Es geht darum, Diskriminierung zu vermeiden, aber auch den Schutz für Blutspende-Empfängerinnen und Empfänger aufrecht zu erhalten“, sagte Mattheis im Bundestag. Die SPD-Politikerin warb dafür, zusammen an einer neuen Richtlinie zu arbeiten, die beide Punkte in Einklang bringt.
CDU/CSU und AfD wollen aktuelle Regelung behalten
Widerstand gegen den Antrag gab es aus der AfD-Fraktion sowie von CDU/CSU. Detlev Spangenberg von der AfD meinte: „Es gilt allein die Sicherheit der Blutkonserven-Empfänger – und nicht Spenden zu dürfen, ist keine Diskriminierung.“ Spangenberg machte darauf aufmerksam, dass auch zahlreiche andere Personen von der Blutspende ausgeschlossen sind. Er zählte unter anderem Häftlinge, Prostituierte und ältere Menschen auf.
Rudolf Henke von der CDU/CSU-Fraktion warb hingegen dafür, die Entscheidung, wer spenden dürfe und wer nicht, Medizinern zu überlassen. Wessen Blut zur Spende angenommen werde, sei keine Frage, die politisch entschieden werden könne, sagte Henke während der Debatte. Der Bundestag solle deshalb keinen Druck auf die wissenschaftlichen Gremien ausüben, sondern den Experten vertrauen.
Die Anträge von FDP und Bündnis 90/Die Grünen wurden vom Bundestag an den zuständigen Gesundheitsausschuss überwiesen, wo weiter über die Frage beraten wird.
Die Debatte könnt ihr euch hier anschauen:
Yannic Walther
studiert Politikwissenschaften in Berlin. Wenn er nicht gerade mit einem Buch im Café sitzt, findet man ihn auf Kletterfelsen im sächsischen Elbsandsteingebirge. Als Angehöriger der merkwürdigen Frühaufsteher-Spezies, stellt Yannic sich sogar am Sonntag den Wecker.