Kleinwüchsige „Das Getuschel ist mir egal“
Laura Heyer
Lisbeth (15) ist kleinwüchsig und nur 1,20 Meter groß. Die Schülerin über Hürden im Supermarkt, die Blicke der anderen und wie nervig es ist, oft um Hilfe bitten zu müssen.
Lisbeth, du hast Achondroplasie, eine Wachstumsstörung, die auch Kleinwuchs genannt wird. Wie groß bist du aktuell und wie groß wirst du maximal werden?
Ich bin jetzt 15 Jahre alt und 1,20 Meter groß. Meine Ärzte haben aber vorausgesagt, dass ich aufgrund meiner Krankheit maximal 1,30 Meter groß werden kann (Anm. d. R.: Frauen werden hierzulande im Schnitt 1,68 Meter groß.)
Wie schränkt dich deine Krankheit im Alltag ein?
Mich schränken besonders die Höhenunterschiede ein. Zum Beispiel bei Fahrkartenautomaten oder bei Kassen im Supermarkt. Da muss ich oft erst einmal zeigen, dass ich da bin. Und auch in der Schule bin ich eingeschränkt. Zum Beispiel beim Weitspringen oder Laufen im Sportunterricht. Da ich viel kürzere Beine habe, laufe ich ja quasi die doppelte Strecke und bekomme schnell Schmerzen. Und auch bei Wettbewerben kann ich nie wirklich mit den anderen mithalten.
In unserem Klassenzimmer wurde auch extra die Tafel angepasst, damit sie ganz auf den Boden reicht – sonst komme ich nicht richtig ran und muss jemand anderen bitten, für mich zu schreiben. Und beim Waschbecken im Kunstraum muss mir auch immer jemand helfen, weil ich nicht an den Wasserhahn komme.
Gibt es in deiner Klasse noch andere Kinder mit Behinderung? Wie gehen deine Mitschüler mit deiner Kleinwüchsigkeit um?
Nein, ich bin die einzige, die eine Behinderung hat. Aber von Anfang an haben mich alle Mitschüler und Mitschülerinnen wie einen „normalen“ Menschen behandelt, obwohl mich keiner kannte. Und wenn ich mal Hilfe brauche, helfen mir auch alle immer direkt.
Wenn jemand Fragen hat, dann fragt er oder sie mich und bittet auch vorher um meine Zustimmung, ob die Frage ok ist. Dann sage ich fast immer „ja“. Denn es ist mir lieber, dass die Leute fragen, statt einfach irgendwelche Behauptungen aufzustellen.
Wie fühlt sich das denn für dich an?
Meistens nervt es mich nur, dass ich Hilfe brauche. Denn es kostet einfach Zeit, dass ich viele Dinge nicht allein machen kann. Wenn ich auf der Straße unterwegs bin, schauen mich schon viele Menschen an. Manchmal fragen kleine Kinder ihre Eltern, was denn mit mir los ist. Und es ist mir auch schon passiert, dass ältere Damen gefragt haben, wo denn meine Mutter sei. Dann sage ich immer, dass ich schon 15 Jahre alt bin – dann entschuldigen sich auch die meisten. Die Blicke und das Getuschel sind mir mittlerweile egal. Ich bin ja damit aufgewachsen.
Wann hast du denn gemerkt, dass du nicht dem gesellschaftlichen Durchschnitt entsprichst?
So nach dem Kindergarten, als plötzlich alle größer geworden sind. Aber meine Eltern haben mir von Anfang an erklärt, dass ich kleinwüchsig bin und was das bedeutet. Meine Eltern regt es aber oft auf, wenn die Leute über mich reden.
Der Bundestag diskutiert gerade darüber, was man tun kann, damit Menschen mit Behinderung besser am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Was würdest du dir konkret für Veränderungen wünschen?
Generell würde ich mir wünschen, dass unsere gesamte Umgebung mehr auf Menschen mit Behinderungen eingestellt ist. Zum Beispiel beim Einkaufen sollte es mehr Platz zwischen den Regalen geben, damit zum Beispiel auch Rollstuhlfahrer mehr Platz haben. In Läden sollten mehr Hocker vorhanden sein: Im dm muss ich mir immer den Rollhocker suchen, den die Mitarbeiter zum Einräumen der Produkte nutzen.
Auch ein kleiner Tritt am Eingang von Bahntüren oder bei hohen Kassen wäre toll. Und das Thema Behinderung sollte in der Schule Thema sein, damit die Menschen, die Besonderheiten haben, nicht mehr so viele Blicke im Alltag bekommen.
Mehr über Lisbeth
Lisbeth ist 15 Jahre alt und geht in die 8. Klasse einer integrierten Sekundarschule in Berlin. In ihrer Freizeit betreibt sie Reitsport, malt und bastelt. Nach der Schule möchte sie Restauratorin für Gemälde oder Möbel werden.
(lh)
Laura Heyer
hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.