Entwicklungsländer Corona-Hilfe für die Ärmsten
Laura Heyer
Auch Afrika, Lateinamerika und Indien sind von der Pandemie betroffen. Es droht nicht nur Krankheit, sondern auch Hunger und politische Unruhen. Deshalb hat der Deutsche Bundestag Unterstützung beschlossen.
Zu Hause bleiben und möglichst wenig andere Menschen treffen – so haben wir in den letzten Monaten versucht, die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Das hat bisher in Deutschland auch ganz gut funktioniert. Aber was passiert in Ländern, in denen Menschen nicht einfach zu Hause bleiben können – weil sie kein festes Zuhause haben oder arbeiten müssen, weil sie sonst verhungern?
Das Virus ist wie ein Bumerang
Genau diese Situation gibt es gerade in vielen sogenannten Entwicklungsländern. Dazu gehören beispielsweise zahlreiche Länder in Afrika, in Lateinamerika, aber auch Indien. Aktuell gibt es in Afrika nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) circa 200.000 Corona-Infektionen – doch in einem Jahr könnten schon 44 Millionen Menschen infiziert sein.
„Das Virus wird wie ein Bumerang zurückkommen, bekämpfen und besiegen wir es nicht weltweit“, sagte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in einer Aussprache im Bundestag am 19. Juni zum Thema „Unterstützung für Entwicklungsländer in der Corona-Pandemie“.
Der Bundestag hat beschlossen, in den kommenden zwei Jahren fast vier Milliarden Euro als Corona-Hilfe für armen Länder zur Verfügung zu stellen. Alle Fraktionen waren sich einig, dass die Entwicklungsländer Hilfe benötigen; doch einige Fraktionen forderten in ihren Anträgen noch mehr Unterstützung.
Keine Beatmungsgeräte
Denn die Situation in den ärmeren Ländern der Welt könnte sich in den kommenden Monaten deutlich verschlechtern: Einerseits sind in vielen Entwicklungsländern die Gesundheitssysteme sehr schlecht ausgestattet. Kommt in Industrieländern wie Deutschland ein Arzt auf 300 Menschen, ist in Afrika ein Arzt für 70.000 Menschen zuständig. In einigen afrikanischen Ländern gibt es gar keine Beatmungsgeräte, die zur Behandlung von Corona gebraucht werden. Zum Vergleich: In Deutschland gab es zu Beginn der Pandemie im März ungefähr 20.000.
Bisher konnten einige afrikanische Länder die Verbreitung des Virus hinauszögern. Nach den ersten Fällen in Europa schlossen sie schnell ihre Grenzen und ließen zum Beispiel keine Flieger aus China mehr hinein. Zudem mussten auch dort die Menschen zu Hause bleiben – es gab einen sogenannten Lockdown.
Hunger statt Homeoffice
Aber in vielen Ländern wächst der wirtschaftliche Druck. Einerseits können es sich die Menschen dort oft nicht leisten, zu Hause zu bleiben. In Indien arbeiten circa 80 Prozent der Bevölkerung als Wanderarbeiter und verdienen ihr Geld mit Gelegenheitsjobs auf Feldern oder Baustellen. Aber wer nicht arbeiten kann, verdient kein Geld – und muss im schlimmsten Fall hungern. Außerdem können keine Felder bestellt werden und es drohen Ausfälle bei der Ernte.
Schon vor Beginn der Corona-Pandemie gab es weltweit circa 850 Millionen Menschen, die von Hunger betroffen waren – durch das Virus könnten die Zahlen noch steigen.
Politische Unruhen
Diese Entwicklungen führen auch zu politischen Problemen. Die Regierungen wollen ihre Bewohner vor dem Virus schützen. Aber auf der anderen Seite führen die Maßnahmen zu wirtschaftlichen Problemen und Hunger. Die Menschen machen dann die Politik für ihre schlechte Lage verantwortlich. Durch die Corona-Krise könnten sich so die Unruhen in vielen Regionen noch weiter verschärfen.
Und auch die Krise in den Industrieländern wie Deutschland bereitet den armen Ländern Probleme. Internationale Unternehmen fürchten um ihren Gewinn und investieren lieber in Länder, die ihnen sicherer erscheinen. Laut dem internationalen Währungsfond sind mittlerweile 85 Länder weltweit auf Nothilfe angewiesen.
Opposition fordert Änderungen
Dass die Entwicklungsländer Hilfe benötigen, darüber waren sich alle Fraktionen im Bundestag grundsätzlich einig. Doch mit ihren Anträgen forderte vor allem die Opposition Änderungen am Gesetzentwurf der Regierung.
„Es geht vor allem um eine gemeinsame koordinierte europäische Entwicklungspolitik als Antwort auf die Corona-Pandemie“, sagte Olaf in der Beek von der FDP in der Debatte. In einem eigenen Antrag forderte die Fraktion, die Mittel für humanitäre Hilfsmaßnahmen weiter aufzustocken.
Auch die Linken hatten einen eigenen Antrag eingereicht: Helin Evrim Sommer wies darauf hin, dass Mittel zur Entwicklungshilfe jetzt nur umverteilt würden und dann an anderer Stelle fehlen könnten. Deshalb forderte die Linke, zusätzlich Geld für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitzustellen.
Auch die Grünen schlugen in ihrem Antrag eine Aufstockung der humanitären Hilfe vor. Außerdem solle die Bundesregierung sich in internationalen Vereinigungen wie der EU und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für eine gemeinsam Bekämpfung der Pandemie stark machen.
Die AfD hingegen forderte in ihrem Antrag, die aktuelle Entwicklungspolitik für Afrika zu stoppen und eine ganz neue Strategie zu entwickeln. Corona habe gezeigt, dass die bisherige Unterstützung nicht funktioniert habe, sagte der Abgeordnete Dietmar Friedhoff.
Soforthilfe für betroffene Länder
„Wenn das Haus brennt, muss man löschen“, sagte der SPD-Abgeordnete Sascha Raabe. Auch sein Kollege Dr. Georg Kippels von der CDU/CSU begrüßte das Hilfsprogramm der Bundesregierung und die Geschlossenheit im Kampf gegen Corona. Mit dem Antrag „Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Bewältigung der Corona-Pandemie unterstützen“ forderten die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen die Bundesregierung auf, die Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern zu stärken und Folgeprobleme wie Hunger zu bekämpfen.
Der Antrag der Koalition wurde gegen die Stimmen der AfD bei Enthaltung der FDP, der Linken und der Grünen angenommen. Alle weiteren Anträge wurden abgelehnt und der Antrag der AfD an den Ausschuss für Zusammenarbeit und Entwicklung überwiesen. Die ganze Debatte könnt ihr euch hier anschauen:
Laura Heyer
hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.