Rechte und Regeln im Bundestag Wissenswertes – nicht nur für neue Abgeordnete
Naomi Webster-Grundl
Wer Mitglied des Deutschen Bundestages ist, verfügt über ein freies Mandat. Man ist also nicht an Aufträge oder Weisungen gebunden und nur dem eigenen Gewissen unterworfen. Regeln gibt es natürlich trotzdem, an die sich die Abgeordneten halten müssen.

Der Deutsche Bundestag ist in der 21. Wahlperiode der Arbeitsplatz von 630 Abgeordneten. © picture alliance / Winfried Rothermel | Winfried Rothermel
Wer unentschuldigt fehlt, muss zahlen
An jedem Sitzungstag werden an den Eingängen der Liegenschaften des Deutschen Bundestages Anwesenheitslisten ausgelegt. Durch die Unterschrift auf einer dieser Listen muss jedes Mitglied des Bundestages seine Anwesenheit für den jeweiligen Tag bestätigen. Trägt sich ein Abgeordneter nicht ein und es liegt keine Beurlaubung oder ärztliche Entschuldigung vor, werden 100 Euro von seiner Kostenpauschale einbehalten.
Was ist die Kostenpauschale?
Die Abgeordneten erhalten monatlich eine steuerfreie Kostenpauschale, mit der sie anfallende Kosten, die durch die Ausübung des Mandats entstehen, abdecken sollen. Dazu gehören etwa die Einrichtung und der Unterhalt von Wahlkreisbüros, Fahrten im Wahlkreis oder die Ausgaben für eine Zweitwohnung in Berlin, dem Ort an dem das Parlament sitzt. Aktuell beträgt die Kostenpauschale monatlich 5.3449,58 Euro.
Wenn ein Mitglied des Bundestages nicht an einer namentlichen Abstimmung teilnimmt, werden ebenfalls 100 Euro von seiner Kostenpauschale einbehalten.

An verschiedenen Orten in den Bundestagsgebäuden liegen in den Sitzungswochen Anwesenheitslisten aus. Auf einer muss sich jeder Abgeordnete eintragen, damit seine Anwesenheit an dem jeweiligen Tag nachgewiesen werden kann. © picture alliance / photothek | Ute Grabowsky
Streiten ja, beschimpfen nein
Im Plenarsaal des Bundestages kommt es oft zu hitzigen Diskussionen zwischen den Abgeordneten und Fraktionen. Doch es gibt Regeln, an die sich alle Abgeordneten bei den Auseinandersetzungen halten müssen. So sind Beleidigungen nicht erlaubt und auch sich gegenseitig zu fotografieren oder zu filmen, ist im Plenarsaal beispielsweise untersagt.
Kommt es zu einem Verstoß, kann die sitzungsleitende Präsidentin oder der sitzungsleitende Präsident zu verschiedenen Ordnungsmaßnahmen greifen: Ordnungsrufe, Rügen, Ordnungsgelder oder gar ein Sitzungsausschluss. Es gibt keine feste Regelung, wann welche Maßnahme zur Anwendung kommt – das liegt im Ermessen des Bundestagspräsidiums. In den meisten Fällen bleibt es bei einem Ordnungsruf oder einer Rüge. Doch wenn sich diese häufen, kann es zu einem vorübergehenden Redeverbot oder einer Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro kommen. Trägt diese Strafe nicht zur Besserung bei und es kommt erneut zu Ordnungsrufen gegen den Abgeordneten, erhöht sich das Ordnungsgeld auf 2.000 Euro. In drastischen Fällen kann der oder die betroffene Abgeordnete bis zu dreißig Sitzungstage aus dem Bundestag ausgeschlossen werden.
Indemnität
Abgeordnete dürfen für das, was sie im Plenum, in einem Ausschuss oder in der Fraktion äußern, außer es handelt sich um eine verleumderische Beleidigung, zu keiner Zeit – auch nicht nach Ende ihres Mandats – gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder außerhalb des Parlaments zur Verantwortung gezogen werden. Das ist das Prinzip der Indemnität. Dies verleiht den Abgeordneten das Recht auf freie Rede im Parlament und auf ein freies Abstimmungsverhalten. Die Indemnität kann im Gegensatz zur Immunität niemals vom Bundestag aufgehoben werden.
Immunität
Abgeordnete des Bundestages besitzen Immunität gegen Strafverfolgung. Das ist im Artikel 46 des Grundgesetzes festgelegt. Dies bedeutet, dass Abgeordnete nur mit Genehmigung des Bundestages wegen einer strafbaren Handlung zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden dürfen - es sein denn, so heißt es im Grundgesetz, dass „er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird“.
Das Bundestag kann also die Immunität aufheben, sodass eine Strafverfolgung möglich ist. Andererseits müssen Strafverfahren gegen Abgeordnete ausgesetzt werden, wenn der Bundestag das verlangt.
Wenn die Mitgliedschaft im Bundestag endet, ist die Immunität automatisch aufgehoben und die ehemaligen Abgeordneten können auch für Taten strafrechtlich belangt werden, die sie in ihrer Zeit als Abgeordnete begangen haben.
Der Zweck der Immunität ist es, die Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlamentes zu schützen – insbesondere vor politisch motivierten Klagen gegen Abgeordnete.
Wieso, weshalb, warum – das Fragerecht
Es ist die Aufgabe der Bundestagsabgeordneten, die Bundesregierung zu kontrollieren. Eine Möglichkeit dazu ist das Fragerecht.
In jeder Sitzungswoche wird eine Fragestunde durchgeführt, die höchstens 45 Minuten dauert. Hierfür kann jedes Mitglied des Bundestages bis zu zwei Fragen pro Sitzungswoche beim Parlamentssekretariat einreichen, die in zwei Unterfragen unterteilt sein können und im Rahmen der Fragestunde von Vertretern der Bundesregierung beantwortet werden. Auch Nachfragen sind erlaubt. Der Fragesteller oder die Fragestellerin muss bei der Sitzung anwesend sein, sonst werden die Fragen nicht mündlich, sondern im Nachgang schriftlich beantwortet.
Außerdem hat jedes Mitglied des Bundestages das Recht, in jedem Monat bis zu vier Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten. Nachdem eine Frage beim Bundeskanzleramt eingegangen ist, hat die Bundesregierung eine Woche Zeit, eine Antwort zu verfassen.
Plenum
Damit der Bundestag beschlussfähig ist, müssen mehr als die Hälfte der Abgeordneten im Plenum anwesend sein. In der Regel wird von der Beschlussfähigkeit ausgegangen. Doch wenn vor Beginn einer Abstimmung eine Fraktion oder fünf Prozent der Anwesenden bezweifelt, dass die Beschlussfähigkeit gegeben ist und der Sitzungsvorstand diese nicht geschlossen bestätigen kann, muss die Beschlussfähigkeit durch einen Hammelsprung festgestellt werden. Ist der Bundestag beschlussunfähig, wird die Sitzung sofort aufgehoben.

Während der Debatten im Plenum sind selten alle blauen Stühle besetzt, denn die Abgeordneten haben noch viele andere Termine. © DBT / Werner Schüring
Da der Plenarsaal aber bei Weitem nicht der einzige Arbeitsplatz der Abgeordneten ist, gibt es keine generelle Anwesenheitspflicht für die Debatten im Plenum. Würden sich alle Abgeordneten durchgehend von Mittwochmittag bis Freitagnachmittag bei allen Debatten im Plenarsaal aufhalten, wäre das sehr ineffizient, da sie in der Zeit keine andere Arbeit erledigen könnten. Meist nehmen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier vorwiegend an den Debatten teil, die zu dem Sachgebiet gehören, für das sie Experten sind. Deshalb wechseln mit dem Tagesordnungspunkt auch oft die anwesenden Abgeordneten im Plenarsaal.
Innerhalb der Fraktionen gibt es übrigens keine feste Sitzordnung. Jeder Abgeordnete kann sich auf einen beliebigen freien Platz setzen, der zu seiner Fraktion gehört. Nur für die Mitglieder des Fraktionsvorstandes und für die Parlamentarische Geschäftsführung gibt es feste Plätze in den ersten Reihen. Essen und Trinken ist im Plenarsaal übrigens verboten – sowohl für Gäste auf der Tribüne als auch für die Abgeordneten. Nur am Redepult bekommt man ein kleines Glas Wasser von den Plenarassistenten, dem Saaldienst, hingestellt.
Plenar-Telefone
Wer schon einmal in einer der ersten Plenarreihen Platz genommen beziehungsweise das Plenum aufmerksam von der Tribüne oder vor dem Livestream verfolgt hat, hat sich vielleicht schon mal gefragt, wofür die Telefone sind, die dort in den Tischen eingebaut sind. Mit diesen Telefonen kann man innerhalb des Bundestages telefonieren. Hat ein Abgeordneter zum Beispiel wichtige Unterlagen vergessen, könnte er mit einem dieser Telefone in seinem Büro anrufen, damit einer seiner Mitarbeiter ihm die Unterlagen zum Plenarsaal bringt. In Zeiten von Handys und Smartphones werden diese Telefone aber so gut wie gar nicht mehr benutzt. Die Leitung funktioniert übrigens nur in eine Richtung. Das heißt, die Telefone klingeln also nicht.

Da vermutlich alle Abgeordneten heutzutage Smartphones besitzen, werden die Telefone, die in den ersten Reihen des Plenarsaales verbaut sind, nur noch selten benutzt. Doch hier greift Rolf Mützenich (SPD) doch mal zum Hörer. © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Klingeln und Signaltöne
Ein Klingeln, das im gesamten Reichstagsgebäude zu hören ist, kündigt den Beginn einer Plenarsitzung an und ist für die Abgeordneten das Signal, sich zum Plenarsaal zu begeben. Genau sechs Minuten vor Sitzungsbeginn ertönt das Klingen erstmals, fünf Minuten später, also eine Minute vor Sitzungsbeginn, nochmal. Der tatsächliche Beginn einer Sitzung wird durch einen Gong markiert. Wenn dieser ertönt, erheben sich alle anwesenden Abgeordneten und die Bundestagspräsidentin oder der Bundestagspräsident betritt den Plenarsaal. Erst nach der Eröffnung der Sitzung durch die Bundestagspräsidentin oder den Bundestagspräsidenten dürfen sich die Abgeordneten wieder setzen. Der Bundestagspräsidentin oder dem Bundestagspräsidenten steht außerdem eine Glocke zur Verfügung, die geläutet werden kann, wenn Abgeordnete zur Ordnung gerufen werden müssen.
Ein weiterer Signalton, der in allen Liegenschaften des Bundestages zu hören ist, ruft die Abgeordneten zur namentlichen Abstimmung. Davon unterscheidet sich wiederum der Signalton, der die Abgeordneten zum Hammelsprung zum Plenarsaal ruft. Beim Hammelsprung betreten die Abgeordneten den Plenarsaal durch unterschiedliche Türen, um ihr Abstimmungsverhalten anzuzeigen. Dies wird angewendet, wenn eine Abstimmung durch Handzeichen nicht eindeutig ausgefallen ist oder die Beschlussfähigkeit des Bundestages angezweifelt wird, also ob sich mehr als die Hälfte der Abgeordneten im Plenarsaal befinden.
Unterwelt
Die Büros der Abgeordneten sind auf die unterschiedlichen Liegenschaften des Bundestages verteilt. Manche der Gebäude davon sind durch unterirdische Gänge mit dem Reichstagsgebäude verbunden, andere nicht. Wer sein Büro also etwa im Modulbau oder im Gebäude „Unter den Linden 50“ hat, muss deutlich mehr Zeit einplanen, um zum Beispiel für einen Hammelsprung schnell zum Plenarsaal zu kommen. Wer sein Büro im Jakob-Kaiser-Haus oder im Paul-Löbe-Haus hat, hat durch die unterirdischen Tunnel auf jeden Fall einen geografischen Vorteil.

Wenn man vom Paul-Löbe-Haus zum Plenarsaal im Reichstagsgebäude muss, geht es über diesen unterirdischen Gang am schnellsten. © picture alliance / dpa | Kay Nietfeld