Petra Pau (Die Linke) „Wir haben als Bundestag eine Verantwortung“
Anlässlich unseres 15. Geburtstags haben wir mit allen Vize-Präsidenten des Bundestages gesprochen. Petra Pau (Die Linke) über den rasanten Wandel in der Kommunikation, Computer in der Größe von Koffern und Hate Speech.
mitmischen.de ist ja ein digitales Angebot. Und in dem Bereich hat sich natürlich vieles rasant verändert. Als ich 1998 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt wurde, war das Parlament noch gar nicht im Internet präsent. Damals wurde es schon als großer Erfolg gefeiert, dass jeder Abgeordnete einen Computer bekam. Der war übrigens koffergroß. Später gab es dann zunächst www.bundestag.de – die Angebote für Kinder und Jugendliche kamen erst im weiteren Verlauf dazu. Die Internetseite war damals noch viel weniger benutzerfreundlich und das Plenargeschehen konnte man noch nicht live verfolgen.
Genau. Die Plenardebatten werden heute alle gestreamt. Man kann sie sich natürlich auch später in der Mediathek anschauen.
Mein Eindruck ist: Ja, immer mehr. Wenn jemand zu mir sagt „Ach, vorhin noch im Bundestag und jetzt hier?“, dann frage ich immer nach: „Wo haben Sie meine Rede denn gesehen?“ Und jetzt kommt immer öfter die Antwort: „Unterwegs auf dem Live-Stream.“
Und ich nutze umgekehrt natürlich auch die Chance, wenn ich selber im Plenum rede, meine Videos auf meinen Social-Media-Kanälen zu verlinken. Das machen viele Kollegen sehr offensiv. Denn das ist eine gute Möglichkeit, den eigenen Wählerinnen und Wählern zu zeigen, was man hier in Berlin in ihrem Auftrag so macht.
Das ist eine Gratwanderung. Einerseits habe ich schon vor Jahren gesagt, dass wir uns diese Möglichkeiten anschauen müssen. Am Ende werden wir nicht darum herumkommen, auch auf diesen Kanälen in Erscheinung zu treten. Wir müssen aber auch gut überlegen, was das für uns bedeutet. Das soziale Netz ist sehr unmittelbar, da muss man schnell reagieren und auch gewährleisten, dass es nach Recht und Gesetz zugeht. Wir wissen ja, wie es da mitunter abgeht mit Hate Speech und so weiter. Das, was ich als Vizepräsidentin im Plenarsaal mache, wenn ich Sitzungen leite, müssen wir auch im Netz machen, nämlich die Würde des Hauses wahren und wenn nötig auch Grenzen setzen.
Ich halte es im Bundestag so: In der Sache streite ich hart. Wir sind schließlich aus guten Gründen in unterschiedlichen Fraktionen und haben unterschiedliche Positionen. Aber ich werde nie persönlich verletzend. Denn nach dem Streit – egal ob ich jemanden überzeugen konnte oder überstimmt wurde – muss man doch wieder zusammenkommen und einen gemeinsamen Weg finden können. Ich finde, dieses Ansinnen ist sehr wohl übertragbar auf die Kommunikation im Internet.
Es ist schon so, dass die Hass-Kommentare deutlich zugenommen haben. Nach meiner Wahrnehmung hat sich das vor fünf, sechs Jahren nochmal verschärft. Seitdem äußern viele sehr offen und auch nicht mehr anonym wie früher Hass und Drohungen.
Ein konkretes Beispiel: 2018 hat der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble der Vorsitzenden der AfD-Fraktion einen Ordnungsruf erteilt, weil sie in ihrer Rede Frauen, die Kopftücher tragen, diskriminiert hatte. Die AfD stellte das Video der Debatte ins Netz. Daraufhin gab es Reaktionen, die zu Gewalt gegenüber dem Bundestagspräsidenten aufriefen. Erst nach Intervention des Ältestenrates des Bundestags hat die Fraktion angefangen, darauf zu reagieren. Ich will damit sagen: Wir haben als Bundestag eine Verantwortung. Und die hört nicht damit auf, dass wir Inhalte bereitstellen, die geht weiter.
Ich bin unbedingt dafür, dass wir Politiker uns in dem Bereich weiterbilden. Wir brauchen da viel mehr Kompetenz, um schnell reagieren und dabei trotzdem die nötige Sorgfalt walten lassen zu können. Wir müssen Informationen bereitstellen, wir müssen die verschiedenen Positionen im Bundestag ausgewogen darstellen und wir müssen eben auch Debatten begleiten und die Diskussion moderieren.
Wir erleben gerade, dass die junge Generation ungemein politisch wird. Da geht es in erster Linie um die Klima-Debatte. Ich erlebe aber, dass über diese Debatte auch immer mehr Jugendliche realisieren, dass sich so komplexe Themen nicht mit einem Knopfdruck erledigen lassen. Sie sehen, dass da viele verschiedene Perspektiven und Interessen eine Rolle spielen und dass man einen Ausgleich finden muss. Und so beginnen sie dann, sich auch für ganz andere Themen zu interessieren, zum Beispiel für außenpolitische Zusammenhänge.
Dass wir über Social-Media-Kanäle kommunizieren. Dass wir auch in der Lage sind, mehrsprachig zu agieren, um die ganze Gesellschaft zu erreichen. Dass wir uns klarmachen, was die Digitalisierung für sämtliche Politik-Bereiche und auch für unsere eigene Arbeit bedeutet. Kein Mensch weiß, wie wir in 15 Jahren kommunizieren werden. Wir müssen an dem Thema dranbleiben. Ich bin grundoptimistisch, dass es uns gelingen wird, diese Kanäle sinnvoll zu nutzen.
Über Petra Pau
Petra Pau (Die Linke), 56, hat früher als Lehrerin gearbeitet. Seit 1998 sitzt sie im Bundestag, seit 2006 ist sie Vizepräsidentin. Außerdem ist sie im Ältestenrat, im Ausschuss für Inneres und Heimat, im Gemeinsamen Ausschuss und stellvertretend im Ausschuss Digitale Agenda. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Bundestagsprofil.
(jk)