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Fragen an die Spitzenkandidaten Warum sollten junge Menschen Sie wählen?

Die Parteien haben für ihren Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aufgestellt – manche von ihnen bewerben sich um das Bundeskanzleramt. Wir haben die Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien gefragt, was sie in der neuen Legislaturperiode für junge Leute bewegen wollen und warum junge Menschen ihnen ihre Stimme geben sollten. Hier lest ihr die Antworten, die wir bekommen haben.

Olaf Scholz (SPD)
Ein älterer Mann mit schütterem Haar schaut vor einer grauen Wand direkt in die Kamera. Er trägt ein blaues Sakko und eine blau-weiß gemusterte Krawatte.

© photothek.net/Thomas Köhler & Thomas Imo

Olaf Scholz ist seit Dezember 2021 Bundeskanzler und strebt an, auch nach der Bundestagswahl 2025 wieder in dieses Amt gewählt zu werden.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Bundestagswahl, bei der Sie zum ersten Mal wählen durften?

1976 wurde ich 18 Jahre alt. Gerade war das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt worden, sodass ich gleich mit 18 an meiner ersten Bundestagswahl teilnehmen konnte. Meine Stimme habe ich damals Helmut Schmidt und der SPD gegeben. Auch mithilfe meiner Stimme blieb er Kanzler.

Wie wollen Sie der zunehmenden kritischen Haltung von jungen Leuten gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag begegnen? Wie wollen Sie das Vertrauen in die Politik, besonders von jungen Leuten, stärken?

Wichtig ist das direkte Gespräch und Ehrlichkeit. Deswegen stelle ich mich den Fragen – auf Veranstaltungen, in Diskussionsrunden, bei TikTok und in Podcasts.

Was wird in der nächsten Legislaturperiode Ihr wichtigstes politisches Anliegen mit Blick auf junge Menschen sein?

Die SPD ist die Partei der Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnen. Es geht uns also um die Schaffung und Sicherung von guten und fairen Arbeitsplätzen. Es geht uns um einen Mindestlohn von 15 Euro. Und es geht uns um eine steuerliche Entlastung von 95 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Damit schaffen wir insgesamt mehr Gerechtigkeit in Deutschland und natürlich auch für die junge Generation.  

Es geht immer um eine gute Zukunft, technisch, wirtschaftlich und im Hinblick auf unsere Umwelt – und ganz konkret um Ausbildungsplätze, Studienplätze, gerechte Löhne – und nochmal um einen höheren Mindestlohn. 

Viele Jugendliche wünschen sich, mit 16 Jahren den Bundestag wählen zu dürfen. Wie stehen Sie dazu? Was sind Ihre Argumente dafür bzw. dagegen?

16 Jahre! Meine Partei will das schon lange ändern: 16- und 17-Jährige sollten auch bei Bundestagswahlen eine Stimme haben, so wie in vielen Bundesländern und Gemeinden und so wie zuletzt bei der Europawahl.

Wer eine eigene Meinung hat und weiß, was er wählen will, soll das schon mit 16 tun können – so wie ich seinerzeit auch von der damaligen Absenkung des Wahlalters Gebrauch gemacht habe und wusste, wen ich wählen will.

Ihr Hauptargument in einem Satz: Warum sollten junge Menschen Ihnen ihre Stimme geben?

In zwei Sätzen: In diesen ernsten Zeiten braucht unser Land ernsthafte Politik und keine entweder-oder-Politik. Die SPD sorgt für einen neuen Aufschwung; dass Wohnen auch für junge Leute wieder bezahlbar ist, dass die Bildung besser wird, dass wir mit dem Klimaschutz und dem wirtschaftlichen und technischen Fortschritt vorankommen – und dass alle fair behandelt werden.

Friedrich Merz (CDU)
Ein Mann mit dunkler Brille und blauem Sakko lächelt in die Kamera.

© CDU / Tobias Koch

Friedrich Merz ist seit Februar 2022 Vorsitzender der CDU sowie Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er ist der gemeinsame Kanzlerkandidat von CDU und CSU.

Welche Erinnerungen haben Sie an die erste Bundestagswahl, bei der Sie zum ersten Mal selbst wählen durften?

Das war im Herbst 1976. Ich erinnere mich gut an den Wahlkampf, da ich gerade mein Jurastudium an der Universität Bonn begonnen hatte. In die Junge Union war ich bereits vier Jahre zuvor eingetreten. Ich habe mich also damals schon für Politik interessiert. In Erinnerung an den Urnengang 1976 bleibt natürlich die Besonderheit, dass CDU und CSU zur stärksten Fraktion gewählt wurden und dennoch nicht in die Regierungsverantwortung kamen. Die SPD, damals Zweitplatzierte, bildete eine Koalition mit der drittplatzierten FDP.

Wie wollen Sie der zunehmenden kritischen Haltung von jungen Leuten gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag begegnen? Wie wollen Sie das Vertrauen in die Politik, besonders von jungen Leuten, stärken?

Da wir gerade von 1976 sprachen, weiß ich gar nicht, ob man von einer „zunehmend kritischen Haltung“ der jungen Generation sprechen kann. In den siebziger Jahren gab es auch keinen Mangel an kritischen Geistern. Aber ich will Ihrer Frage nicht ausweichen. Natürlich liegt immer eine besondere Verantwortung darin, das Vertrauen der jungen Menschen in die Politik zu stärken. Junge Menschen haben das Leben noch vor sich und haben große Erwartungen an die Politik. Darauf müssen wir als Parteien eingehen und Antworten bieten. Das sind beispielsweise die Themen Migration, Sicherheit, Aufstieg und Klima.

Was wird in der nächsten Legislaturperiode Ihr wichtigstes politisches Anliegen mit Blick auf junge Menschen sein?

Im Wahlprogramm der Union stehen die Belange der jungen Menschen im Mittelpunkt. Wir stehen zur Schuldenbremse. Die Maßlosigkeit in der Finanzpolitik vieler politischer Mitbewerber ginge vor allem zu Lasten der jungen Generation. Sie würde unter explodierenden Zinszahlungen am stärksten leiden. Stattdessen setzen wir auf solide Finanzen. In unserem Verständnis von nachhaltiger Politik steckt aber auch Zukunftsoptimismus. Ich glaube an den Erfindungsreichtum des Menschen. Deshalb wollen wir Bildung und Forschung stärken und junge Menschen darin unterstützen, mit Startups und jungen Technologieunternehmen erfolgreich zu sein.

Oder wenn es um die Frage geht, wie wir auf den Klimawandel reagieren, setzen wir als Union ebenso wie andere Länder viel stärker auf technische Lösungen. Wer sich zum Beispiel Großanlagen anschauen will, mit denen sich CO2 aus der Atmosphäre abscheiden lässt, sollte nach Island reisen. Oder nehmen Sie die Altersvorsorge: Wir wollen keine Verteilungskämpfe zulasten der jungen Generation, sondern stattdessen für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr pro Monat zehn Euro in ein Depot einzahlen, das bei Rentenbeginn zur Verfügung steht und mit dem die jungen Menschen von der Entwicklung an den Kapitalmärkten profitieren. Auch so wichtige Dinge wie der Führerschein sollen wieder bezahlbarer werden.

Viele Jugendliche wünschen sich, mit 16 Jahren den Bundestag wählen zu dürfen. Wie stehen Sie dazu? Was sind Ihre Argumente dafür bzw. dagegen?

Es gibt gute Gründe, warum die Geschäftsfähigkeit eines jungen Menschen mit 18 beginnt und nicht bereits mit 16. Auch als Vater von drei Kindern kann ich nur sagen, dass es zwischen 16- und 18-Jährigen einen enormen Unterschied geben kann. Im Übrigen können sich 16-Jährige selbstverständlich politisch engagieren. Ich bin auch als 16-Jähriger in die Junge Union eingetreten und habe damals wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Ihr Hauptargument in einem Satz: Warum sollten junge Menschen Ihnen ihre Stimme geben?

Junge Menschen sollten der Union ihre Stimme geben, weil wir ein echtes Angebot für sie haben: von guter Bildung über eine neue Startup-Kultur bis hin zum individuellen Vermögensaufbau für eine sichere Altersversorgung. Wir wollen dafür sorgen, dass sie in einem freien und sicheren Deutschland ihre Träume verwirklichen können.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen)
Ein Mann mit grau-bräunlichen Haaren lehnt gegen das Geländer einer Treppe. Er trägt einen dunkelblauen Pullover über einem weißen Hemd.

© IMAGO / photothek

Robert Habeck ist seit Dezember 2021 Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Vizekanzler. Für Bündnis 90/Die Grünen tritt er bei der Bundestagswahl 2025 als Kanzlerkandidat an.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Bundestagswahl, bei der Sie zum ersten Mal wählen durften?

Meine erste Bundestagswahl war im Jahr 1990. Es war die erste Wahl im gerade wiedervereinigten Deutschland, und mir war bewusst, dass sie etwas besonderes ist, aber ganz greifen konnte ich das damals noch nicht. Ich weiß aber noch genau, wie ich in der Wahlkabine stand. Es hatte etwas vom inneren Heiligtum der Demokratie. Und davon hat sich bis heute was gehalten. Auch wenn ich schon lange als Politiker arbeite – wenn ich in der Wahlkabine stehe, Wahlzettel und Stift in der Hand, denke ich: Was für eine Errungenschaft es ist, als Bürger wählen zu können. Frei und geheim. Und so mitzuentscheiden, wohin das Land, in dem ich lebe, geht. Ich musste dieses demokratische Wahlrecht nicht erkämpfen. Menschen, die genauso alt sind wie ich und zum Beispiel nur ein paar Kilometer östlich meiner Geburtsstadt Lübeck geboren wurden – in der früheren DDR – schon. Heute in einer Zeit, in der autokratische Regime so stark werden, ist dieses Bewusstsein noch mal stärker.

Wie wollen Sie der zunehmenden kritischen Haltung von jungen Leuten gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag begegnen? Wie wollen Sie das Vertrauen in die Politik, besonders von jungen Leuten, stärken?

Gerade junge Menschen haben das Gefühl, dass ihre Anliegen von der Politik nicht ausreichend gehört oder mit der notwendigen Dringlichkeit umgesetzt werden. Das Ende der Ampel-Regierung hat dazu sicherlich einen Beitrag geleistet. Ich weiß, dass Vertrauen kaputt gegangen ist. Genau hier möchte ich ansetzen. Ich verstehe das als Arbeitsauftrag, denn gegen Verdrossenheit gegenüber der Politik hilft bessere Politik. Das geht zuallererst mit echter Teilhabe. Die Absenkung des Wahlalters für junge Menschen ab 16 Jahren wäre dafür die erste Maßnahme – es ist Zeit!

Darüber hinaus ist es wichtig, das Vertrauen in die Politik durch klare, nachvollziehbare Entscheidungen zu stärken. Wir müssen zeigen, dass Politik nicht nur leere Versprechen macht, sondern konkrete Maßnahmen ergreift: Deutschland muss in den öffentlichen Nahverkehr und das Bildungssystem investieren. Wir müssen die Mieten gerade in Großstädten bezahlbar halten. Deutschland muss beim Klima- und Naturschutz Kurs halten – kein Abwickeln, sondern mit mehr Kraft weitermachen. Sowohl die Klimakrise wie auch der notwendige Klimaschutz verändern unser Leben. Aber Klimaschutz muss für alle im Alltag funktionieren.

Ich bin mir bewusst, wie groß die Sorgen gerade sind. Ich möchte deshalb ein Angebot machen: Ich möchte mit euch gemeinsam mutig handeln – nicht nach hinten schauen, nach dem Motto „früher war alles besser“. Wir können die Zukunft gestalten, es liegt in unserer Hand.

Was wird in der nächsten Legislaturperiode Ihr wichtigstes politisches Anliegen mit Blick auf junge Menschen sein?

Die Herausforderungen unserer Zeit haben Einfluss auf die Zukunftsperspektiven der heranwachsenden Generationen: Umbrüche in der Wirtschaft, Klimakrise, Krieg in der Ukraine, Umgang mit Flucht und Migration. Dazu gilt für die junge Generation nicht mehr das gleiche Wohlstandsversprechen wie noch zu meiner Jugend. Ich verstehe es als meine und unsere Aufgabe, dass sich das wieder ändert. Das Leben muss bezahlbar, die Zukunft planbar sein. Deshalb stehe ich für konkrete Maßnahmen, die nach vorne gerichtet sind: Die rasenden Mieterhöhungen müssen begrenzt, die Kosten für Energie und Mobilität gesenkt, der Klimawandel mit voller Kraft angegangen werden. Und wir brauchen mehr Gerechtigkeit bei der Vermögensverteilung. Die reichsten 1 Prozent in Deutschland besitzen insgesamt mehr als 90 Prozent der restlichen Menschen. Darum möchte ich erreichen, dass Superreiche ihren fairen Anteil leisten – zum Beispiel mit einer Reform der Erbschaftssteuer.

Studien haben zuletzt gezeigt, dass eine der größten Sorgen junger Menschen ihre wirtschaftliche Lage ist. Ich möchte daher bei allen Entscheidungen mitdenken, welchen Einfluss sie auf die Ausbildungs- und Jobmöglichkeiten, die Armutsbekämpfung und die Rentensituation junger Menschen haben. Immer in dem Bewusstsein: Jugendpolitik ist ein Querschnittsthema, das in allen Politikfeldern mitgedacht werden muss, von der Digitalisierung des Staates und staatlicher Dienste bis hin zur Kultur- und Kreativwirtschaft. 

Für mich ist klar: Die nächsten Jahre müssen von einer Politik geprägt sein, die die Interessen der jungen Generation in den Mittelpunkt stellt. Das ist eine Frage der Verantwortung und der Gerechtigkeit gegenüber denjenigen, die in Zukunft mit den Konsequenzen unserer heutigen Entscheidungen leben müssen.

Viele Jugendliche wünschen sich, mit 16 Jahren den Bundestag wählen zu dürfen. Wie Sie dazu stehen, haben Sie schon gesagt. Aber was sind Ihre Argumente dafür?

Meine Partei und ich sprechen uns klar für das Wahlrecht ab 16 Jahren aus. Für die Europawahlen haben wir das in der Ampel-Regierung schon möglich gemacht – das war ein überfälliger erster Schritt. Auch in sechs Bundesländern dürfen inzwischen 16-Jährige über die Zusammensetzung der Landesparlamente mitbestimmen. Das bedeutet mehr politische Beteiligung für junge Menschen und sorgt dafür, dass ihre Belange mehr Gewicht in der Politik bekommen. Wählen ist ein Fundament für unsere Demokratie und ermöglicht es den Menschen, ihren Bedürfnissen und Interessen Ausdruck zu verleihen.

Für ein gesenktes Wahlalter sprechen das politische Interesse und Engagement vieler junger Menschen, die demografische Entwicklung, das Ziel der Generationengerechtigkeit sowie die positiven Erfahrungen mit einer entsprechenden Absenkung bei Landtags- und Kommunalwahlen in mehreren Ländern. Zudem sind es gerade die jungen Generationen, die durch aktuelle politische Entscheidungen, insbesondere auf den Feldern des Klimaschutzes, der sozialen Sicherungssysteme, der öffentlichen Investitionen und der wirtschaftlichen Entwicklung in besonderer Weise betroffen sein werden. Die Empfehlung der in dieser Wahlperiode eingesetzten Wahlrechtskommission ist ebenfalls eindeutig, das Wahlalter auf 16 herabzusetzen.

Wahlen sind in Deutschland ein hohes Gut und entsprechend im Grundgesetz verankert. Um das Wahlalter zu senken, bedarf es daher einer Grundgesetzänderung, die nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag möglich ist. Wir bleiben dran – auch in der nächsten Legislatur.

Ihr Hauptargument in einem Satz: Warum sollten junge Menschen Ihnen ihre Stimme geben?

Mein Angebot an euch ist, gemeinsam für eure Zukunft zu kämpfen: Für echten Klimaschutz, ein bezahlbares Leben, soziale Gerechtigkeit und eine starke Wirtschaft.

Christian Lindner (FDP)
Christian Lindner, Parteivorsitzender der FDP, blickt am Rande eines Interviews für die Deutsche Presse-Agentur (dpa) in die Kamera des Fotografen.

© picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Christian Lindner war von Dezember 2021 bis November 2024 Bundesminister der Finanzen. Er ist Vorsitzender der FDP und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2025.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Bundestagswahl, bei der Sie zum ersten Mal wählen durften?

Das war 1998. Es war die spannende Wahl zum Ende der Ära Kohl. Es lag Aufbruch in der Luft, der aber an meiner Partei als Teil der damaligen Bundesregierung vorbeiging. Ich habe damals beim Wahlkampf in meinem Wahlkreis mitgeholfen. Es war zäh.

Wie wollen Sie der zunehmenden kritischen Haltung von jungen Leuten gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag begegnen? Wie wollen Sie das Vertrauen in die Politik, besonders von jungen Leuten, stärken?

Wir müssen schlicht die Aufgaben lösen, die junge Menschen an uns herantragen. Es gibt erstens die Sorge um die eigene wirtschaftliche Zukunft. Also müssen wir unsere Marktwirtschaft wieder erfolgreich machen und das Bildungssystem verbessern, damit junge Menschen gute Berufsperspektiven haben. Zweitens gibt es Sorgen um die Sicherheit, insbesondere im Zusammenhang mit der irregulären Einwanderung nach Deutschland. Also müssen wir die Sicherheitsbehörden stärken und den Zugang nach Deutschland steuern und begrenzen. Drittens gibt es die Forderung nach wirksamem Klimaschutz, der Freiheit und Wohlstand nicht aufs Spiel setzt. Also müssen wir mehr auf Erfinden statt aufs Verbieten setzen. 

Was wird in der nächsten Legislaturperiode Ihr wichtigstes politisches Anliegen mit Blick auf junge Menschen sein?

Wir müssen die Politik zu Lasten der jungen Generation beenden. Das heißt für mich, dass wir in Infrastruktur und Digitalisierung investieren müssen, ohne dass wir den Jungen Schuldenberge auftürmen. Wir müssen schlicht Prioritäten setzen für Zukunftsaufgaben zu Lasten von Verteilung in der Gegenwart. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich ein Verfechter der Schuldenbremse bin. Die ist keine Investitionsbremse, aber sie zwingt uns eben zu notwendigen Entscheidungen. Auch die Rente darf nicht unfair gegenüber Jüngeren sein. Unser Anliegen bleibt daher, eine echte Aktienrente in Deutschland einzuführen. Unser derzeitiges Rentensystem ist nicht zukunftsfähig. Unsere Gesellschaft altert und die Zahl der Rentnerinnen und Rentner steigt, während gleichzeitig immer weniger Menschen Beiträge zahlen. Junge Menschen müssten nach unserem bisherigen System also nicht nur immer höhere Sozialabgaben leisten – sie selbst würden im Alter wohl nicht auf eine stabile Rente zurückgreifen können. Indem wir dafür sorgen, dass Versicherte einen Teil ihres Bruttoeinkommens in eine gesetzliche Aktienrente einzahlen, machen wir unser Rentensystem gerechter und zukunftsfähig. So können künftig alle an wirtschaftlichem Erfolg teilhaben und ihr Rentenalter absichern – ganz ohne grenzenlose Beitragssteigerungen.

Viele Jugendliche wünschen sich, mit 16 Jahren den Bundestag wählen zu dürfen. Wie stehen Sie dazu? Was sind Ihre Argumente dafür bzw. dagegen?

Ich würde eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre in Deutschland begrüßen. Aus vielen Diskussionen und Begegnungen weiß ich, wie groß das Interesse junger Bürgerinnen und Bürger an der Politik unseres Landes ist. Unser Staat hat Jugendlichen in den letzten Jahren viel abverlangt, etwa durch die Schulschließungen und weiteren Beschränkungen während der Corona-Pandemie. Es wäre deshalb ein Zeichen der Fairness, ihnen mehr Mitsprache bei politischen Entscheidungen einzuräumen. Die Absenkung des Wahlalters könnte in der jüngeren Generation eine neue Begeisterung für unsere Demokratie entfachen und deutlich zeigen, dass auch ihre Stimme gehört wird. Außerdem müsste so mancher Entscheidungsträger dadurch vielleicht zweimal nachdenken, bevor er eine Renten- oder Schuldenpolitik auf Kosten der Jungen einschlägt.

Ihr Hauptargument in einem Satz: Warum sollten junge Menschen Ihnen ihre Stimme geben?

Weil Vater Staat nicht Dein Erziehungsberechtigter ist und nur Du allein entscheiden solltest, wie Du Dein Leben gestaltest.

Heidi Reichinnek (Die Linke)
Eine junge Frau lächelt in die Kamera und hat die Arme verschränkt.

© DIE LINKE. / Felix S. Schulz

Heidi Reichinnek ist seit Februar 2024 Co-Vorsitzende der Gruppe Die Linke im Deutschen Bundestag. Sie ist Co-Spitzenkandidatin für Die Linke für die Bundestagswahl 2025.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Bundestagswahl, bei der Sie zum ersten Mal wählen durften?

Meine wichtigste Erinnerung ist in der Tat die Wahl, an der ich nicht teilnehmen durfte, obwohl ich eigentlich hätte teilnehmen können. Bei mir war es nämlich damals so, dass ich 2006 volljährig geworden bin, die anstehenden Bundestagswahlen jedoch aufgrund der Auflösung des Deutschen Bundestages auf 2005 vorgezogen wurden – es war quasi die gleiche Situation wie jetzt. Und ich hatte mich eigentlich so sehr gefreut, endlich bei der Bundestagswahl meine Stimme abgeben zu können, und dann wurde mir diese Chance genommen. Deswegen kann ich insbesondere den Frust von jungen (eigentlich) Wahlberechtigten momentan sehr gut verstehen und mit ihnen fühlen. 2009 durfte ich dann endlich den Gang an die Wahlurne antreten und habe dieses Privileg natürlich auch genutzt! 

Wie wollen Sie der zunehmenden kritischen Haltung von jungen Leuten gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag begegnen? Wie wollen Sie das Vertrauen in die Politik, besonders von jungen Leuten, stärken?

Ehrlicherweise ist eine kritische Haltung gegenüber der Regierung mein Tagesgeschäft – es ist also absolut nichts falsch daran, Politik und politische Entscheiderinnen und Entscheider zu hinterfragen. Was ich aber wahrnehme, was von vielen Menschen – jung wie alt – vermisst wird, sind Ehrlichkeit und Verlässlichkeit in der Politik. Ein Beispiel für einen akuten Mangel dieser Eigenschaften ist der Umgang mit den Nachwehen der Corona-Pandemie. Während der Lockdowns mussten besonders Jugendliche und Kinder verzichten und einstecken und es wurde immer wieder darauf vertröstet, dass sich nach der Pandemie etwas ändern würde, aber bis heute ist dahingehend nichts passiert. Unsere Kitas und Schulen sowie die Jugendarbeit sind bis heute nicht auf eine neue Pandemie oder ähnliches vorbereitet worden! Und der dadurch aufkommende Frust wird ja zusätzlich dadurch verstärkt, dass Jugendliche und Kinder keine sonderlich große und finanzstarke Lobby haben, die ihre Interessen dort vertritt, wo politische Entscheidungen getroffen werden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, die in politische Ämter gewählt werden, die Interessen von jungen Menschen mitdenken, egal, ob sie selbst zur Altersgruppe gehören oder nicht. 

Was wird in der nächsten Legislaturperiode Ihr wichtigstes politisches Anliegen mit Blick auf junge Menschen sein?

Die Umsetzung der Kindergrundsicherung ist ein großes und wichtiges Anliegen, das sicherstellen soll, dass Kinder und Jugendliche das bekommen, was sie für ein gutes Leben brauchen – das betrifft Ernährung, Kleidung, Ausstattung für die Schule und das Möglichmachen der sozialen Teilhabe. Dem Staat muss jedes Kind sowie jeder und jede Jugendliche gleich viel wert sein und er muss Kinder und Jugendliche bei der individuellen Gestaltung des eigenen Lebens unterstützen! Außerdem plädiere ich dafür, einen Kita-Gipfel zwischen Bund, Ländern, Kommunen sowie weiteren Interessengruppen einzuberufen, damit gemeinsam eine Perspektive für die Zukunft von Kindertagesstätten entwickelt werden kann. Denn es braucht konkrete Ziele und Maßnahmen, um beispielsweise den Ausbau der verfügbaren Kita-Plätze voranzutreiben, Fachkräfte zu gewinnen und die Bedingungen für das Berufsbild der Erzieherinnen und Erzieher zu verbessern. Und in der Jugendpolitik würde ich den Kinder- und Jugendplan als zentrales Instrument der Jugendarbeit aufstocken – mindestens verdoppeln, denn wir brauchen starke Strukturen, um junge Menschen zu erreichen und sie zu unterstützen.  

Viele Jugendliche wünschen sich, mit 16 Jahren den Bundestag wählen zu dürfen. Wie stehen Sie dazu? Was sind Ihre Argumente dafür bzw. dagegen?

Ich bin absolut dafür, dass junge Menschen den Bundestag schon ab 16 wählen dürfen. Das Wahlrecht ab 16 hat ja bereits zu verschiedenen Landtagswahlen sowie zur Europawahl bewiesen, dass junge Menschen politisch interessiert sind und Entscheidungen an der Wahlurne fällen können. Ich würde die Reduktion des Wahlalters für die Bundestagswahl als einen Schritt in die richtige Richtung empfinden, besonders weil junge Menschen immer politischer und aktiver werden. Daher sollten wir sie in ihrem Engagement und politischen Interesse unterstützen! 

Ihr Hauptargument in einem Satz: Warum sollten junge Menschen Ihnen ihre Stimme geben?

Wir als Linke kümmern uns um alle Kinder, Jugendlichen und Familien! Für mich persönlich ist Kinder- und Jugendpolitik ein Herzensthema, gerade weil ich jahrelang in diesem Bereich gearbeitet habe und über die Sozialen Medien einen guten Kontakt zu jungen Menschen pflege – auch zu denen, die noch nicht wählen dürfen. Ich sehe es also als meine Aufgabe, ihre Anliegen und Interessen im Deutschen Bundestag lautstark zu vertreten!

Sahra Wagenknecht (BSW)
Eine Frau mit hochgesteckten Haaren steht vor grauem Hintergrund und lächelt in die Kamera.

© BSW

Sahra Wagenknecht ist seit Parteigründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht im Januar 2024 Co-Vorsitzende der Partei und Spitzenkandidatin des BSW für die Bundestagswahl 2025.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Bundestagswahl, bei der Sie zum ersten Mal wählen durften?

Am 2. Dezember 1990 habe ich das erste Mal bei einer Bundestagswahl meine Stimme abgegeben. Die Wahl hat damals Helmut Kohl gewonnen, der den Menschen in Ostdeutschland blühende Landschaften versprochen hat, während er den Menschen in Westdeutschland versicherte, dass die deutsche Einheit sie nichts kosten würde. Ich habe ihm das schon damals nicht geglaubt. Auch Oskar Lafontaine, der damals Kanzlerkandidat der SPD war, warnte vor dem Zusammenbruch der Industrie und massenhafter Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland aufgrund der Art und Weise, wie die Vereinigung ökonomisch gestaltet wurde. Er sollte damit Recht behalten, ebenso mit seiner Warnung vor explodierenden Kosten. Im Rückblick war es unredlich von der Union, den Menschen zu versprechen, dass es keine Steuererhöhungen geben würde, um die deutsche Einheit zu finanzieren. Tatsächlich hat die Regierung Kohl nach der Wahl dann die Mehrwertsteuer und andere Verbrauchssteuern erhöht, in die Rentenkasse gegriffen und die Staatsverschuldung explodieren lassen.  

Wie wollen Sie der zunehmenden kritischen Haltung von jungen Leuten gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag begegnen? Wie wollen Sie das Vertrauen in die Politik, besonders von jungen Leuten, stärken?

Viele junge Menschen haben zu Recht die Sorge, dass ihre Zukunft durch falsche Politik verspielt wird. Gerade deshalb sollten sie sich selbst einmischen und lautstark protestieren, wenn ihre Interessen mit Füßen getreten werden – wie es etwa während der Coronazeit der Fall war, als es endlose Schulschließungen gab und sich kaum jemand um die Folgen gekümmert hat. Ich finde es gut, dass junge Menschen nicht alles glauben, was die Regierung erzählt oder Medien verbreiten, und ich kann sie nur darin bestärken, der eigenen Erfahrung zu vertrauen und sich nicht einschüchtern zu lassen. „Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein“, hat der Dichter Bertolt Brecht einmal gesagt, oder anders ausgedrückt: Wer nicht kämpft, kann nur verlieren. Daher rate ich jungen Menschen dazu, politisch aktiv zu werden oder zumindest politische Kräfte zu wählen, die sich für eine vernünftige Politik einsetzen.

Was wird in der nächsten Legislaturperiode Ihr wichtigstes politisches Anliegen mit Blick auf junge Menschen sein?

Es ist uns ein Herzensanliegen, dass junge Menschen sich unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern entwickeln und ihre Talente entfalten können. In kaum einem anderen Land hängt der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland, das finden wir zutiefst ungerecht! Kinder aus ärmeren Vierteln werden vom ersten Tag an benachteiligt. Sie starten in Schulen, in denen ein Großteil der Kinder vielfach kein deutsch spricht und in denen die Lehrkräfte und Sozialarbeiter mit Problemen oft überfordert sind. Wir wollen dafür sorgen, dass alle Kinder schon vor Schulbeginn die deutsche Sprache lernen, dass es eine gesunde soziale Mischung in den Stadtvierteln und Schulen sowie mehr Kitaplätze, Lehrer und Erzieher gibt. Außerdem wollen wir Kinder aus ärmeren Verhältnissen die Möglichkeit geben, kostenfrei ein Instrument zu erlernen oder in einem Verein Sport zu betreiben. Auch die Möglichkeit, ein Studium aufzunehmen, darf nicht vom Einkommen der Eltern abhängen. Wir setzen uns für mehr bezahlbare Wohnheimplätze und eine Erhöhung des BAföG ein, gleichzeitig braucht es eine Aufwertung der Lehrberufe und eine Anhebung der Ausbildungsvergütung, die für viele Berufe zu gering ist. Gute Bildung für alle ist ein Schlüssel zu mehr Gerechtigkeit, aber wir nehmen auch die Angst junger Menschen vor Krieg oder Altersarmut ernst. Das BSW ist die einzige Partei im Bundestag, die Waffenexporte in Kriegsgebiete konsequent ablehnt und sich für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und im Nahen Osten einsetzt. Statt Unmengen an Steuergeld für Aufrüstung zu verpulvern, wollen wir es lieber in eine zukunftsfähige Infrastruktur investieren. Um Altersarmut zu bekämpfen, wollen wir ein Rentensystem wie in Österreich einführen, wo auch Selbständige, Politiker und Beamte in die Rentenkasse einzahlen und die Renten pro Monat rund 800 Euro höher sind.

Viele Jugendliche wünschen sich, mit 16 Jahren den Bundestag wählen zu dürfen. Wie stehen Sie dazu? Was sind Ihre Argumente dafür bzw. dagegen?

Da die Wahlbeteiligung bei Erst- und Jungwählern, die aus ärmeren Familien kommen, schon jetzt besonders gering ist, würde eine Absenkung des Wahlalters dazu beitragen, dass weniger Privilegierte noch weniger Einfluss auf die Politik haben. Vordringlich sind für uns daher Reformen, die dafür sorgen, dass Kinder aus armen Verhältnissen mehr und bessere Bildung und wieder echte Aufstiegschancen erhalten. Eine Absenkung des Wahlalters könnte auch Diskussionen anheizen, die am Ende dazu führen, dass der Schutz, den Jugendliche zu Recht genießen, weiter abgebaut wird. Schon jetzt gibt es Parteien, die das Strafmündigkeitsalter auf 12 Jahre absenken wollen oder die gern schon 16-Jährige für die Bundeswehr rekrutieren würden. Wir lehnen das ab.     

Ihr Hauptargument in einem Satz: Warum sollten junge Menschen Ihnen ihre Stimme geben?

Weil wir für eine faire Gesellschaft kämpfen, in der nicht die soziale Herkunft, sondern die eigene Leistung über den Erfolg entscheidet, weil wir als einzige Partei im Bundestag konsequent für Frieden und gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete eintreten und weil wir in die Zukunft und insbesondere in gute Bildung investieren wollen, statt unser Land weiter kaputtzusparen.

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