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Bundeswehr-Einsatz „Wir sind da, wir beobachten euch“

Terrorismus und Schmuggel bekämpfen, Menschen in Seenot retten – das sind die Aufgaben der Bundeswehr beim Nato-Einsatz „Sea Guardian“ im Mittelmeer. Vor Kurzem hat der Bundestag beschlossen, ihn fortzusetzen. Johannes Arlt (SPD) erklärt die Hintergründe.

Portrait des Abgeordneten Johannes Arlt

Johannes Arlt (SPD) ist selbst Berufsoffizier. Er findet es gut, dass im Verteidigungsausschuss Abgeordnete mit verschiedenen Hintergründen sitzen. „Dass auch Soldaten dabei sind, finde ich schon wichtig, weil die wissen, wie sich das anfühlt – Weihnachten nicht zuhause bei der Familie, sondern im Wüstensand von Mali zu verbringen.“ Foto: Photothek

Der Bundestag hat kürzlich beschlossen, dass die Bundeswehr sich weiter am Einsatz „Sea Guardian“ beteiligt. Was macht die Bundeswehr da genau im Mittelmeer?

Der Einsatz „Sea Guardian“ hat eine lange Geschichte – über 20 Jahre lang. Nach den terroristischen Anschlägen auf die USA am 11. September 2001 hat das Verteidigungsbündnis Nato den Einsatz „Active Endeavour“ beschlossen, um den Terrorismus im Mittelmeerraum zu bekämpfen. Dieser Einsatz endete 2016, „Sea Guardian“ ist der Nachfolger.

„Sea Guardian“ hat verschiedene Ziele: den internationalen Terrorismus bekämpfen, die südliche Flanke der Nato sichern, aber auch Seenotrettung im Mittelmeerraum. Darüber hinaus bestand bis jetzt auch die Aufgabe, Verbindung mit den Mittelmeer-Anrainern zu halten und die Küstenwachen gegebenenfalls auszubilden.

Breite Mehrheit für den Einsatz

Der Bundestag stimmte am 18. März 2022 der weiteren Beteiligung der Bundeswehr an der „Nato-geführten maritimen Sicherheitsoperation Sea Guardian“ im Mittelmeer zu. In namentlicher Abstimmung haben die Abgeordneten mit 504 Ja-Stimmen gegen 100 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung den Antrag der Bundesregierung angenommen. Welcher Abgeordnete wie abgestimmt hat, könnt ihr hier sehen.

Viele Menschen, die sich etwa aus Syrien oder aus afrikanischen Ländern auf den Weg nach Europa machen, kommen über das Mittelmeer. Diesen Menschen helfen die Schiffe der „Sea Guardian“ also auch, wenn sie in Seenot geraten?

Ja, genau. Diese Menschen retten wir, ohne nach ihrer Herkunft oder den Grund ihrer Seenot zu fragen. Das schreibt ja auch das internationale Seerecht vor, dass man in Seenot geratenen Menschen bedingungslos helfen muss.

Sie sind selbst Berufsoffizier. Wie effektiv kann man die Verbreitung von Terrorismus vom Meer aus tatsächlich verhindern?

Man muss sich das wie eine Art Torwache vorstellen: Wir wollen kontrollieren, wer sich von A nach B bewegt. Es gibt einige sehr instabile Staaten, zum Beispiel Libyen, Syrien oder Afghanistan. Teilweise wurden durch die Militäreinsätze der letzten Jahre ein Teil an terroristischen Aktivitäten nach Afrika verlagert. Wir sichern mit „Sea Guardian“ den Nato-Raum, indem wir ein Einsickern von Terroristen und anderen ungewollten Aktivitäten wie Schmuggel über das Mittelmeer verhindern. Allein unsere Präsenz in den maritimen Nato-Verbänden trägt dazu bei.

Welche Erfolge hat die Mission „Sea Guardian“ schon erreicht?

Das ist relativ schwer konkret zu bemessen. Im Prinzip funktioniert der Einsatz wie eine Patrouille, die auf See auf und ab fährt und zeigt: Wir sind da, wir beobachten euch, wir wissen, was passiert. „Show of presence“ nennt man das im Militärischen: Präsenz zeigen. Schon dadurch hindern wir gewisse Menschen daran, illegale Aktivitäten auf See zu unternehmen oder deren Planung zu erschweren.

Die Bundeswehr soll in Zukunft 100 Soldatinnen und Soldaten weniger für „Sea Guardian“ einsetzen als bisher. Warum?

So ein Mandat, also die rechtliche Grundlage eines bewaffneten Auslandseinsatzes der Bundeswehr, benennt immer eine Höchstgrenze. Bisher lag diese Obergrenze bei „Sea Guardian“ bei 650 Soldatinnen und Soldaten. Dieses Kontingent wurde aber nie voll ausgeschöpft. Deshalb haben wir es jetzt auf 550 angepasst.

Die Bundeswehr stellt für den Einsatz verschiede Schiffe, etwa Fregatten, Versorger und Dienstboote sowie deren Besatzung. Im Gegensatz zu anderen Einsätzen kann man auf See ziemlich genau vorausplanen, wie viele Leute man braucht, weil ja festgelegt ist, welches Schiff welche Besatzung an Bord hat.

Der Bundestag hat einer Verlängerung des Einsatzes zunächst bis Ende März 2023 zugestimmt. Für Sicherheit im Mittelmeerraum zu sorgen, das klingt aber nach einer dauerhaften Aufgabe. Wird dieser Einsatz je beendet sein?

Nein. Das ist eine Daueraufgabe, deshalb gibt es kein Enddatum für diesen Einsatz. Trotzdem mandatiert der Bundestag ihn immer nur für ein Jahr.

Warum?

Wir haben in Deutschland eine sehr umfangreiche Kontrolle der Armee durch das Parlament. Wenn wir Soldatinnen und Soldaten außerhalb des Bündnisraums entsenden, dann muss der Bundestag stets zustimmen.

Wir tun das immer nur für eine begrenzte Zeit – ein Jahr oder sogar noch kürzer –, weil wir uns vorbehalten wollen, danach zu prüfen: Ist der Einsatz weiter notwendig? Muss er angepasst werden? Genau das haben wir bei „Sea Guardian“ jetzt ja auch gemacht: Wir haben das Mandat evaluliert und entsprechend der Situation vor Ort angepasst. Nicht nur die personelle Obergrenze haben wir geändert, sondern auch die Aufgaben: Bisher haben wir auch bei der Ausbildung von Küstenwachen geholfen, in Zukunft konzentrieren wir uns ganz auf die Patrouillen-Aufgabe auf hoher See.

Übrigens ist ein Jahr auch eine realistische Planungsgröße bei der Bundeswehr. Denn die kann ja nicht sagen: Morgen setze ich ein Bataillon oder ein Schiff hier oder da ein. Die Soldatinnen und Soldaten müssen erst entsprechend ausgebildet und vorbereitet werden, sie müssen üben. Das braucht mindestens einige Monate Vorlaufzeit.

Das wissen Sie sehr gut, weil Sie selbst Berufsoffizier sind. Blicken Sie anders auf diese Themen als Ihre Kolleginnen und Kollegen, die keinen militärischen Hintergrund haben?

Ich schaue sicher anders drauf, natürlich. Einerseits ist das ein Vorteil, weil mir die Fachbegriffe und Abkürzungen bekannt sind und ich deshalb schneller verstehe, warum es geht. Die Bundeswehr ist ein sehr komplexes System. Andererseits kann sich auch eine gewisse Betriebsblindheit einstellen, wenn man selbst aus dem System kommt. Jemand, der von außen drauf schaut, fragt vielleicht: Warum habt ihr es denn nicht mal so probiert? – und bringt damit eine gute Idee ein.

Gibt es denn im Verteidigungsausschuss viele Abgeordnete mit militärischem Hintergrund?

In der SPD-Fraktion sind wir aktuell vier von zehn Ausschuss-Mitgliedern, die einen militärischen Hintergrund haben. In anderen Fraktionen gibt es das natürlich auch. Genauso haben wir Juristen, Politikwissenschaftler, Lehrer und Leute mit anderen Berufen dabei. Es ist gut, dass das eine gemischte Gruppe ist, die aus verschiedenen Blickwinkeln auf die Probleme schaut.

Dass auch Soldaten dabei sind, finde ich schon wichtig, weil die wissen, wie sich das anfühlt – Weihnachten nicht zuhause bei der Familie, sondern im Wüstensand von Mali mit den Kameraden zu verbringen. Ich weiß das aus Erfahrung, deshalb kann ich auch andere Hinweise geben, Bedenken anbringen oder auch Bedenken zerstreuen, weil ich sagen kann: Ich habe das erlebt, da müsst ihr euch keine Sorgen machen, das funktioniert so und so.

Gab es im Fall von „Sea Guardian“ viel Diskussion oder gar Streit darüber, ob der Einsatz verlängert wird?

Eigentlich nicht. Dieses Mandat ging ohne größere Kontroversen durch. Gut, die Linksfraktion ist gegen jedes Auslandsmandat – mir wäre keins bekannt, dem sie zugestimmt hätte. Die AfD war aus verschiedenen Gründen auch nicht so richtig dafür. Aber die anderen Fraktionen waren sich im Großen und Ganzen einig, dass wir das verlängern.

Zur Person

Johannes Arlt, 1984 in Berlin geboren, hat Staats- und Sozialwissenschaften studiert. Er ist Berufsoffizier der Luftwaffe. Seit 2021 sitzt er für die SPD im Bundestag. Dort ist er Mitglied des Verteidigungsausschusses und des Wirtschaftsausschusses. Sein Wahlkreis liegt in Mecklenburg-Vorpommern. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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