Russischer Krieg gegen die Ukraine „Putins Russland ist die größte Sicherheitsbedrohung für Europa“
Naomi Webster-Grundl
Am 24. Februar jährt sich der Tag des russischen Angriffes auf die Ukraine zum zweiten Mal. Doch dieser Krieg begann eigentlich schon vor zehn Jahren. Der Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, ruft in seiner Rede im Bundestag dazu auf, dass Deutschland neben der Unterstützung für die Ukraine auch die eigene Verteidigungsfähigkeit stärken müsse.
Am 24. Februar 2024 jährt sich der Tag zum zweiten Mal, an dem die russische Luftwaffe zahlreiche ukrainische Städte angriff und somit den Angriffskrieg begann, der bis heute andauert und ungezählte Menschenleben gekostet hat. Doch bereits im März 2014 besetzte Russland die ukrainische Halbinsel Krim und erklärte sie durch ein international nicht anerkanntes Referendum zu russischem Gebiet. Daraufhin begann der Krieg in der Ostukraine und es entstanden die beiden Separatistengebiete Luhansk und Donezk. Der Konflikt im Osten der Ukraine schwelte durchgängig, bis Russland im Februar 2022 in die gesamte Ukraine einfiel.
In einer Debatte am 22. Februar 2024, an der auf der Ehrentribüne auch der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew teilnahm, befasste sich der Deutsche Bundestag mit dem Thema „Zehn Jahre russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine“. Grundlage waren zwei Anträge: Einer der Koalitionsfraktionen mit dem Titel „Zehn Jahre russischer Krieg gegen die Ukraine – Die Ukraine und Europa entschlossen verteidigen“. Darin setzen sich die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP dafür ein, dass die Bundesregierung Militärhilfe in dem Maße bereitstellen möge, die für die Verteidigung und Wiederherstellung der vollständigen territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine erforderlich sei. Weitere Forderungen aus dem Antrag zielen auf eine Verschärfung und verbesserte Wirksamkeit europäischer und internationaler Sanktionen gegen Russland, um „die russische Kriegsfähigkeit weiter zu schwächen und Ressourcen des russischen Staates für seine Kriegswirtschaft maximal zu beschneiden“. Der Antrag wurde im Anschluss an die Debatte angenommen.
Außerdem hatte die AfD-Fraktion einen Antrag mit dem Titel „Den rechtsstaatlichen Finanz- und Wirtschaftsstandort Europa nicht durch rechtswidrige Verwendung russischen Staatsvermögens zerstören“ vorgelegt, der abgelehnt wurde.
Es geht um Freiheit und Sicherheit
Als erster Redner in der Debatte ergriff Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, das Wort: „Für die Ukrainerinnen und Ukrainer geht es um alles.“ Es gehe um Freiheit und Sicherheit von mehr als 40 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern, um die Integrität ihres Landes, um die demokratischen Werte, um ihre freiheitliche und selbstbestimmte Zukunft. Ein Satz der ukrainischen Soldaten sei ihm von seinen Besuchen vor Ort besonders in Erinnerung geblieben: Wir kämpfen dafür, dass unsere Kinder diesen Kampf nicht noch einmal führen müssen.
Pistorius betonte, dass Putin diesen Krieg vom einen auf den anderen Tag beenden könnte, indem er seine Truppen aus den besetzten Gebieten abziehe. Doch dieser „imperialistische Herrscher in Moskau“ habe sich entschieden, einen Krieg zu führen, der unzählige Leben koste und ganze Generationen prägen werde. „Putins Russland ist und wird auf absehbare Zeit die größte Sicherheitsbedrohung für Europa bleiben“, erklärte Pistorius. Das mache auch der von den Ampelfraktionen vorgelegte Antrag deutlich.
Putins Feindbild ist die freie Demokratie
Putin und sein Regime würden weiterhin mit allen Mitteln versuchen, die Ukraine von der Landkarte Europas zu tilgen. „Sie werden auch weiter versuchen, unsere freie Gesellschaft mit Cyberangriffen und gezielten Desinformation-Kampagnen, mit Propaganda in den sozialen Medien zu spalten und zu destabilisieren“, so Pistorius. Das wahre Feindbild Putins sei es, frei und selbstbestimmt und in Demokratie zu leben. „Er hat Angst davor, dass diese freie demokratische Gesellschaft seine Macht gefährdet.“
„Wie wir auf diese russische Bedrohung und den russischen Krieg in der Ukraine antworten, wird das Leben zukünftiger Generationen prägen – auch in diesem Land. Deswegen müssen wir heute und auch in Zukunft alles daran setzen, uns dieser Bedrohung mit aller Kraft entgegenzustellen“, mahnte Pistorius eindringlich. Deutschland werde die Ukrainer weiterhin in ihrem Überlebenskampf mit Panzern, Waffensystemen, Munition und Ausbildung unterstützen. Allein in diesem Jahr seien Ausgaben von sieben Milliarden Euro geplant und man werde nicht nachlassen. Auch die in der vergangene Woche mit der Ukraine geschlossene Sicherheitsvereinbarung unterstreiche die dauerhafte militärische Unterstützung.
Deutschlands eigene Verteidigungsfähigkeit
„Die Unterstützung der Ukraine ist das eine, das andere ist unsere eigene Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit“, so Pistorius. „Wer würde nicht lieber in einer Zeit leben, in der es nicht nötig ist, viel Geld für Waffen auszugeben?“ Doch der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, habe erst bei der Münchner Sicherheitskonferenz erläutert, dass die Ukraine 2014 bei der Annexion der Krim die Zeichen erkannt und sich deshalb darauf vorbereitet habe, was acht Jahre später tatsächlich passiert sei: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine als Ganzes. Nur wegen dieser Vorbereitung und wegen der Unterstützung des Westens halte die Ukraine bislang so erfolgreich stand. Doch diese Zeit habe Europa jetzt nicht.
Deswegen müsse Deutschland jetzt alles daran setzen, um die eigene Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit undKriegstüchtigkeit zu gewährleisten, erklärte Pistorius, um in einem Krieg, der potentiell gegen Deutschland geführt werden könnte, bestehen zu können. „Deswegen ist jetzt die Zeit, dafür zu sorgen, dass unsere zukünftigen Generationen in Freiheit und in Sicherheit leben können, indem wir in unsere Sicherheit und in die unserer Partner investieren.“ Die Ukraine kämpfe einen tapferen Kampf für ein Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie. Dafür müsse auch die Bundesrepublik Deutschland, gerade als größter NATO-Partner in Europa, stehen. Pistorius schloss seine Rede mit dem Appell: „Wir tragen gemeinsam die Verantwortung dafür, gemeinsam dafür zu sorgen, dass zukünftige Generationen ein freies und friedliches Leben hier bei uns führen können.“
CDU/CSU: „Ein Kampf, den die Ukraine für uns alle führt“
Für die CDU/CSU-Fraktion sprach Johann David Wadephul, der erklärte: „Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen, wir stehen an ihrer Seite.“ Er wies darauf hin, wie nah dieser Krieg räumlich sei und dass Russland dabei von anderen schrecklichen Regimen wie dem Iran oder Nordkorea unterstützt werde. „Das ist ein Kampf, den die Ukraine für uns alle führt (...) gegen Regime, die Menschenrechte verachten“, so Wadephul. Er rief das ganze Haus auf, in dieser Sache zusammenzustehen, an der Seite der Ukraine. Doch er äußerte Zweifel daran, dass die Bundesregierung die vom Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) selbst ausgerufene Zeitenwende verstanden habe, denn aus seiner Sicht müsse Deutschland noch mehr tun und zwar der Ukraine einen „Taurus“-Marschflugkörper liefern und der Bundeswehr mehr Geld bereitstellen.
Bündnis 90/Die Grünen: „Wir lassen unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde nicht im Stich“
Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte zu Beginn ihrer Rede, dass Wladimir Putin seit zehn Jahren völlig unprovoziert einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Menschen in der Ukraine führe, der auch das Ziel habe, die europäische Friedensordnung zu zerstören. „Wenn Putin und sein Regime darauf spekulieren, dass wir uns jemals an (...) diesen Krieg gewöhnen, dann ist die ganz klare Botschaft dieser Debatte: Sie täuschen sich zutiefst!“, so Brugger. Nicht nur der Mut und der Wille der Ukraine seien ungebrochen, auch die Solidarität sei mehr als entschieden. Sie betonte, dass die Zukunft der Ukraine in der EU und in der NATO liege, und der vorliegende Antrag der Ampelfraktionen klarstelle, dass Deutschland dabei unterstützen wolle, dass die dafür notwendigen Voraussetzungen so schnell wie möglich erfüllt würden. Auch stellte sie klar, dass Putin kein Interesse an Verhandlungen habe. Im Antrag werde außerdem das Ziel klar benannt, dass der Kriegsverbrecher Putin diesen Krieg verlieren solle, denn anders würde es kein Ende der Gewalt geben. Würde Deutschland aufhören, die Ukraine zu unterstützen, würde es seine eigene Sicherheit gefährden. Brugger schloss mit der Botschaft: „Wir lassen unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde nicht im Stich!“
AfD: „Wir werden keinen Frieden kriegen, wenn wir so weitermachen“
Alexander Gauland (AfD) stellte zu Beginn seiner Rede die Frage, warum im Falle Russlands nicht mehr der außenpolitische Grundsatz gelte, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Er bezeichnete es als Fehler, dass russische Vertreter von der Münchener Sicherheitskonferenz ausgeladen worden seien, obwohl das Motto der Konferenz „Frieden durch Dialog“ und nicht „Frieden durch Waffenlieferungen“ gelautet habe. „Realpolitik ist die Kunst des Möglichen, das Mögliche ist ohne schmerzliche Kompromisse oft nicht zu haben“, so Gauland. Er forderte, dass die gegenwärtige wertegeleitete Außenpolitik Deutschlands durch Realpolitik ersetzt werden müsse. „Putin führt einen Krieg, den man für ungerecht und falsch halten kann und auch muss. (...) Aber wir werden keinen Frieden kriegen, wenn wir so weitermachen“, schloss Gauland.
FDP: „Russlands Angriff auf die Ukraine gilt auch uns“
Für die FDP-Fraktion trat Marie-Agnes Strack-Zimmermann ans Redepult und zitierte zunächst den kürzlich verstorbenen russischen Regimekritiker Alexej Nawalny: „Das Böse obsiegt, wenn gute Menschen nichts tun. Deswegen darf man nicht untätig bleiben.“ Dass die Welt von Nawalnys Tod während der Münchener Sicherheitskonferenz erfahren habe, sei Putins Art gewesen, „der Welt den Mittelfinger zu zeigen“, so Strack-Zimmermann. „Putin ist ein Verbrecher.“ In dem vorliegenden Antrag sei festgehalten, dass Deutschland die Annexion der Krim nach wie vor nicht anerkennen werde, die Ukraine den Krieg gewinnen müsse und es neben dem Wiederaufbau der Ukraine ein erklärtes Ziel sei, dass die Ukraine Mitglied der EU und perspektivisch auch der NATO werde. „Die Ukraine braucht unsere Unterstützung und sie bekommt sie.“ Und das humanitär, wirtschaftlich und militärisch. Strack-Zimmermann mahnte, dass man nicht lange über die Lieferungen von „Taurus“-Marschflugkörpern diskutieren solle, denn das spiele nur Putins Russland in die Karten, es gehe hier um Zeit. Sie bedauere, dass „Taurus“ nicht dezidiert im Antrag genannt werde. Sie schloss ihre Rede eindringlich: „Russlands Angriff auf die Ukraine gilt auch uns und es wird Zeit, dass wir diese Gefahr mehr als ernst nehmen.“
Alle Redebeiträge zur Debatte könnt ihr euch in der Mediathek des Bundestages anschauen.