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Olympische und Paralympische Spiele „Sport braucht keine gemeinsame Sprache, um zusammenzubringen"

Jasmin Nimmrich

Als Mitglied des Sportausschusses des Deutschen Bundestages ist Tina Winklmann (Bündnis 90/Die Grünen) mit einer Delegation zu den Olympischen Spielen nach Paris gereist. Welche Eindrücke hat sie dort gesammelt? Wie steht es um das geplante Sportförderungsgesetz? Und was erhofft sie sich von einer Bewerbung Deutschlands für die Olympischen Spiele 2040?

Eine Frau mit blonden zusammengebundenen Haaren schaut in die Kamera. Sie trägt eine rote Lederjacke, hinter ihr eine Glaswand.

Tina Winklmann (Bündnis 90/Die Grünen) ist als Mitglied des Sportausschusses des Deutschen Bundestages mit einer Delegation nach Paris zu den Olympischen Spielen gereist. © Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Stefan Kaminski

Warum ist Sportpolitik wichtig?

Sportpolitik ist Gesellschaftspolitik. Wenige Themen reichen so weit in die Gesellschaft hinein wie Sport. Sportpolitik soll gute Voraussetzungen schaffen, die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sportlich aktiv zu sein. Im Sportausschuss hingegen widmen wir uns speziell dem Leistungs- und Spitzensport in Deutschland. Wir sorgen mit unseren Entscheidungen dafür, dass die deutschen Athletinnen und Athleten unter bestmöglichen Bedingungen trainieren und Wettkämpfe bestreiten können. Darunter fallen unter anderem der Schutz vor sexualisierter Gewalt, der Kampf gegen Doping sowie die Rechte von Athletinnen und Athleten beispielsweise als Arbeitnehmende oder auch im Sinne der Gleichstellung. Darüber hinaus wollen wir dafür sorgen, dass Sportlerinnen und Sportler eine Zukunft haben, denn vor dem Sport ist nach dem Sport. Athletinnen und Athleten, die so viel während ihrer Laufbahn leisten und auch aufgeben, sollen nach ihrer sportlichen Karriere eine Perspektive haben, wie es für sie weitergeht. 

Im Zuge einer Delegationsreise des Sportausschusses des Deutschen Bundestages sind Sie Anfang August nach Paris zu den Olympischen Spielen gereist. Was war Ihr Eindruck?

Wir haben uns vor allem mit den deutschen Athletinnen und Athleten ausgetauscht und uns über die Nachhaltigkeit der Spiele, den Umgang mit Dopingkontrollen und -skandalen, aber auch die Nutzung der Sportstätten in Frankreich unterhalten. Es war eine riesige Ehre und mein persönliches Highlight, sich im Olympischen Dorf, also dem Herzstück des Weltsports, zu bewegen. Besonders hervorheben möchte ich auch, dass bei diesen Spielen das Olympische Dorf erstmals komplett barrierefrei ist. 

Für mich waren es die ersten Olympischen Spiele, die ich besuchen durfte, und ich möchte keinen Moment missen, denn es waren Spiele mit einer absolut fantastischen Atmosphäre. 

Welche Eindrücke haben die deutschen Athletinnen und Athleten mit Ihnen geteilt?

Dass die Spiele „direkt vor der Haustür” stattgefunden haben, kam bei unseren deutschen Athletinnen und Athleten richtig gut an. Viele haben die geografische Nähe genutzt, um ihre Familie und Freunde mit nach Paris zu nehmen – ein ganz neues Erlebnis und besonderes Highlight für viele. Der Charakter dieser Spiele hat zudem dazu geführt, dass die Sportlerinnen und Sportler die Möglichkeit hatten, ohne Probleme die Wettbewerbe anderer Disziplinen zu besuchen und Teams in Sportarten anzufeuern, die sie vorher vielleicht selbst noch nie gesehen haben. 

Eine Gruppe von sieben Personen steht vor einem mehrgeschossigen Haus, dass in schwarz-rot-gold geschmückt ist.

Die Delegation des Sportausschusses des Deutschen Bundestages vor dem Deutschen Haus im Olympischen Dorf in Paris. © Büro Tina Winklmann

Bei den Olympischen Spiele wurde viel auf den Medaillenspiegel und Deutschlands Position auf Rang 10 geachtet. Ist die Anzahl der gewonnenen Medaillen so wichtig?

Natürlich lässt sich anhand des Medaillenspiegels messen, wie vermeintlich erfolgreich eine Nation bei den Olympischen und Paralympischen Spielen war. Doch allein die Anzahl der gewonnenen Medaillen ist kein Indiz dafür, wie gut unsere Sportlerinnen und Sportler waren. Jede Platzierung ist wertvoll und hat größten Respekt verdient, ja allein die Qualifikation für die Spiele ist eigentlich eine Medaille wert! Und wenn man unbedingt auf den diesjährigen Medaillenspiegel achten will, dann sollte auch herausgestellt werden, dass wir bei den Olympischen Spielen zwei Goldmedaillen mehr als in Tokio gewonnen haben! Besonders die Teamsportarten waren in diesem Jahr besonders erfolgreich und haben es in fast allen Disziplinen in das Viertelfinale geschafft, in Spielen, bei denen sich die Besten der Besten messen. 

Inwieweit wird die Delegationsreise nach Paris Ihre sportpolitischen Entscheidungen beeinflussen?

Jedes Gespräch, das man auf so einer Reise führen kann, sorgt für Impulse – diese reichen von Bestätigung bis hin zu konstruktiver Kritik. Alles Besprochene werde ich in meine Arbeit einfließen lassen, denn jede neue Perspektive bringt neue Bedarfe und Herausforderungen mit sich, die wir versuchen anzunehmen. Ohne den Austausch mit Menschen, die von den Folgen politischer Entscheidungen direkt betroffen sind, kann Sportpolitik nicht funktionieren. Nach unseren Reisen – wir fahren auch noch zu den Paralympischen Spielen nach Paris – werden wir uns mit frischen Eindrücken und neuer Dringlichkeit der Sportpolitik widmen, um den Interessen der Athletinnen und Athleten gerecht zu werden. 

Um zu den Besten der Besten zu zählen, trainieren Athletinnen und Athleten unglaublich hart. Dafür brauchen sie Unterstützung. Wie funktioniert die Sportförderung in Deutschland?

An der Sportförderung sind die Bundesländer wie auch der Bund als Ganzes beteiligt. In der gesamten Bundesrepublik sind Sportstützpunkte verteilt – insgesamt 13 Olympiastützpunkte, 193 Bundesstützpunkte, zwei Trainingszentren und 12 Trainingsstützpunkte für den Para Sport. In den Stützpunkten, die auch durch den Bund gefördert werden, sollen die Athletinnen und Athleten die bestmögliche sportliche und auch berufliche Ausbildung erhalten und optimale Trainingsbedingungen vorfinden. Der Bund ist dafür verantwortlich, dass diese Ausbildung, die auch durch die Bundeswehr, die Polizei oder den Zoll möglich gemacht wird, vor allen Dingen finanziell abgesichert ist. Die letzte Reform des Spitzensports hat leider nicht so gegriffen, wie wir uns das erhofft haben, daher haben wir nun vor, das System durch ein neues Sportfördergesetz zu verbessern. 

Selfie von zwei Frauen. Links eine ältere Frau mit blonden Haaren in einem Zopf, rechts eine junge Frau mit braunen Haaren im Dutt. Sie hält eine Goldmedaille und die Kamera.

Tina Winklmann und Darja Varfolomeev, die erste deutsche Olympiasiegerin in der Rhythmischen Sportgymnastik. © Büro Tina Winklmann

Was soll das Sportfördergesetz ändern?

Vor allen Dingen die Verteilung der finanziellen Mittel. Diese soll durch eine unabhängige Agentur transparenter werden. Wir sind während der Arbeit an dem bereits vorliegenden Referentenentwurf viel mit Berichterstatterinnen und Berichterstattern in Austausch getreten. In verschiedenen Arbeitsgruppen, auch zusammen mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, haben wir uns umfassend mit der vorherrschenden Sportstruktur in Deutschland beschäftigt und gemeinsam Änderungsvorschläge ausgearbeitet. Wir haben uns dabei auch dem Bau von Sportstätten, den Rechten von Athletinnen und Athleten und der Nachhaltigkeit gewidmet. Am Ende ist das Wichtigste, dass dieses Gesetz bei denjenigen Wirkung zeigt, für die wir das Gesetz ausarbeiten: den Akteurinnen und Akteuren des Sports. Das sind die Athletinnen und Athleten, die Übungsleiterinnen und -leiter sowie die Trainerinnen und Trainer.

Am Mittwoch, den 28. August, beginnen die Paralympischen Spiele in Paris. Welche Rolle spielt der Behindertensport im Sportausschuss des Deutschen Bundestages?

Der Para Sport begeistert mich enorm. Die Leistungen und Schicksale der Para Athletinnen und Athleten verdienen unsere volle Aufmerksamkeit – gesellschaftlich wie medial. Der Para Sport muss noch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden! Die Haushaltsmittel dafür sind in den letzten Jahren gut angewachsen, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Damit werden mehr bedarfsgerechte Förderung und die Bereitstellung von Trainingsstätten möglich, die für die speziellen Anforderungen der Athletinnen und Athleten geeignet sind. Im Sportausschuss setzen wir uns zum Glück auch vermehrt mit Para Sportarten und Para Sportförderung auseinander, denn es ist enorm wichtig, dass dieser ganz besondere Sport eigenständig gedacht wird. Und mitgedacht werden kann etwas nur, wenn es auch sichtbar ist. Deshalb ist die Inklusion der Paralympischen Spiele auch so wichtig, wenn man über die Olympischen Spiele spricht. Gleiches gilt für die mediale Präsenz: In diesem Jahr werden die Paralympischen Spiele in Paris eine positive Entwicklung erleben, denn sie werden zur Hauptsendezeit übertragen werden. Statt den Tatort zu schauen, also bitte zu Goalball und Rollstuhlfechten schalten! 

Sie selbst sind Befürworterin einer Bewerbung Deutschlands für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2040. Welche Chancen sehen Sie in der Ausrichtung der Spiele in Deutschland?

Im Koalitionsvertrag unserer Regierungskoalition haben wir festgehalten, dass wir eine Bewerbung Deutschlands für die Olympischen und Paralympischen Spiele unterstützen werden. Der Sport hat nur eine Zukunft, wenn er nachhaltig aufgestellt wird. Wir sind uns sicher, dass wir dies in Deutschland leisten können! 

Die Spiele in Deutschland sollen sicher und frei sein, sie sollen zur Völkerverständigung beitragen und den Athletinnen und Athleten die Wertschätzung zukommen lassen, die sie verdienen. Und sie sollen nachhaltig sein, was bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Bewerbung schon 90 Prozent der Sportstätten fertiggestellt sind. Die Spiele in Deutschland sollen kein Projekt von Größenwahn werden, sondern den Sport in Deutschland auch im Nachgang fördern und Spitzen- sowie Breitensportlern zugutekommen. 

Sport hat enorme Kraft, denn es braucht keine gemeinsame Sprache, um zusammenzubringen. Ich sage immer: Wer einmal miteinander geschwitzt hat, der respektiert sich auch. Sport kann so zum Schutzwall der Demokratie werden! Natürlich muss in Deutschland bis zu den Olympischen Spielen noch viel passieren, bevor eine Bewerbung abgeschickt werden kann. Aber die Spiele im eigenen Land zu erleben, das möchten wir so vielen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, wie es nur geht!

Tina Winklmann

…ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie ist die sportpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und ordentliches Mitglied des Sportausschusses. Seit ihrem sechsten Lebensjahr spielt sie Fußball, seit dem Einzug in den Deutschen Bundestag auch für den FC Bundestag.

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