E-Sport Bundestag will zocken fördern
Profi-PC-Spielen ist eine Sportart – da sind sich alle Fraktionen einig. Wie sie Zocker-Wettkämpfe fördern möchten, wer dagegen ist und was Fantasy-Wesen damit zu tun haben, hat Lukas recherchiert.
Turnier mit Klicks
Bis zu 17.000 Menschen haben Platz in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin, auf deren Bühne Stars wie Britney Spears, Hansi Hinterseer, Justin Bieber und André Rieu regelmäßig Geigenbogen, Hüften und Haarpracht schwingen. Auch Sportveranstaltungen finden in der gigantischen Halle statt, etwa Eishockeyspiele oder der Basketball-Eurocup.
Am 31. Oktober 2015 wurde in der Arena ein ganz besonderes Sportevent ausgetragen, nämlich das Endspiel eines sogenannten E-Sport-Turniers: das Finale der League of Legends World Championship.
Fantasy-Wesen im Kampf
League of Legends ist ein Computerspiel, bei dem zwei gegnerische Mannschaften in die Rolle von Fantasy-Wesen schlüpfen und unter quietschbuntem Geblitze aufeinander losgehen. Das virtuelle Gekloppe mit Hammer, Faust und Feuerball ist Sport mit all seinen Vorzügen – zumindest nach Ansicht aller im Bundestag vertretenen Fraktionen.
Diese debattierten in der Nacht vom 8. auf den 9. November 2018 im Plenum des Deutschen Bundestages einen Antrag der Grünen, die E-Sport in Deutschland stärker fördern möchten. Die Initiative stieß bei allen sechs Fraktionen – mit Ausnahme kleinerer Kritikpunkte – auf Gegenliebe.
Millionen Fans
Zocken ist also Sport? Natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen. Der E-Sport-Bund Deutschland, der Dachverband des organisierten E-Sports im gesamten Bundesgebiet, definiert die neue Sportart wie folgt: "eSport […] ist das sportwettkampfmäßige Spielen von Video- bzw. Computerspielen, insbesondere auf Computern und Konsolen, nach festgelegten Regeln." Dem Dachverband gehören derzeit 29 regionale Vereine an.
Dem Grünen-Antrag zufolge schauen mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland mindestens ein Mal im Monat E-Sport-Wettkämpfe an. Und im Januar startet die Deutsche Fußball Liga eine Club Meisterschaft im E-Football, und zwar mit FIFA 19, einem Fußball-Simulations-Videospiel.
Regierung will E-Sport fördern
CDU, CSU und SPD haben E-Sport schon seit 2017 im Visier; im Koalitionsvertrag steht: "Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen."
Grüne: Gemeinnützigkeit anerkennen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag konkret unter anderem auf, die ehrenamtliche Arbeit in Vereinen mit E-Sport-Angebot zu würdigen, E-Sport mit dem traditionellen Sport gleichzustellen und als "gemeinnützig" anzuerkennen.
Als "gemeinnützig" gilt etwas dann, wenn es dazu geeignet ist, "die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern", so steht es in der sogenannten Abgabenordnung. Die besagt dann auch, dass ein gemeinnütziger Verein Vorteile bekommt, er muss zum Beispiel weniger Steuern zahlen. Die Grünen wollen außerdem, dass Deutschland attraktiv wird für E-Sport-Veranstaltungen.
Es sind aber nicht nur rechtliche Belange, die die Grünen für die stetig wachsende deutsche E-Sport-Szene klären möchten. Die Grünen fordern in ihrem Antrag, dass Fragen zu Jugendschutz und Spielinhalten, zu Diskriminierung und Cybermobbing oder zu Barrierefreiheit und Geschlechtergerechtigkeit bei diesem Thema eine wichtige Rolle spielen müssten.
CDU/CSU: 50 Millionen
Johannes Steiniger (CDU/CSU) wies in seiner Rede darauf hin, wie wichtig die Gamesindustrie für die Regierungsparteien sei und verkündete, dass der Haushaltsausschuss 50 Millionen Euro zur Förderung dieser Industrie freigemacht habe. Darüber hinaus kündigte er Gespräche mit "Vertretern aus dem organsierten Sport, aus der Wissenschaft, mit Athleten aus dem E-Sport selbst" an, die im Sportausschuss geführt werden würden.
SPD: Altbackener Sportbund
Den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) griff Detlev Pilger (SPD) an und nannte dessen Haltung zum Thema E-Sport "altbacken und rückwärtsgewandt". Die Verantwortungsträger sollten, so Pilger, ihre Entscheidungen nochmals überdenken, schließlich sei Sport ein wichtiger Faktor im "gesamtgesellschaftlichen System". Es sei fatal, wenn viele junge Menschen aus diesem System ausgeschlossen würden, mahnte er.
AfD: Mehr staatliche Unterstützung
Joana Cotar (AfD) nahm den E-Sport aus internationaler Perspektive in den Blick. In über 60 Ländern werde E-Sport von etablierten Verbänden des organisierten Sports anerkannt und teilweise vom Staat gefördert, etwa als Unterrichtsfach oder im College, erklärte sie. Es gehe beim E-Sport eben nicht nur um Spaß, sondern auch darum "den digitalen Umgang zu schulen", so Cotar. Dafür müsse Deutschland mehr Verantwortung übernehmen.
FDP: Nicht verschlafen
Dass CDU/CSU und SPD seit ihrer Absichtserklärung im Koalitionsvertrag noch zu keinen konkreten Ergebnissen gekommen seien, bemängelte die FDP-Abgeordnete Abgeordnete Britta Katharina Dassler. E-Sport sei, so Dassler weiter, "Kulturgut, Bildungswerkzeug und Innovationstreiber" und Deutschland dürfe die rasante Entwicklung auf diesem Gebiet nicht verschlafen.
Linke kritisiert Sportbund
Auch Dr. Petra Sitte (Die Linke) kritisierte den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) dafür, dass er sich mit der Anerkennung der Zockerei als Sport so schwertut. Dafür ist nämlich besagter Sportbund zuständig und nicht die Bundesregierung.
Und in genau diesem Detail liegt auch der sprichwörtliche Teufel. Denn über die Frage, was in Deutschland als Sportart anerkannt wird und was nicht, entscheidet letztlich der DOSB. Und der lässt wiederum in einer Stellungnahme verlauten, "dass eGaming in seiner Gesamtheit nicht den zentralen Aufnahmekriterien entspricht, die das Sport- und Verbändesystem unter dem Dach des DOSB […] prägen".
Klicken in Blitzgeschwindigkeit
Dem entgegen argumentiert die E-Sport-Szene, dass das wettkampfmäßige Zocken sehr wohl einer sportlichen Leistung gleichkomme, schließlich müsse man motorisch und gedanklich äußerst fit sein. E-Sportler müssen außerdem in Blitzgeschwindigkeit auf Bildschirminhalte reagieren und taktische Entscheidungen zum Spielverlauf treffen können – wie bei vielen anderen Sportarten eben auch.
Es bleibt also abzuwarten, ob sich der DOSB in seiner Haltung zum E-Sport noch bewegen wird. Klar ist allerdings jetzt schon, dass E-Sport-Events anderen Wettkampfveranstaltungen in Nichts nachstehen. Beim Finale der League of Legends World Championship 2017 waren 90.000 Menschen live dabei im Olympia-Stadion in Peking. Mehrere Millionen Menschen sahen zudem weltweit via Livestream zu, wie sich die beiden Finalisten-Teams virtuell verkloppten – um ein Preisgeld in Millionenhöhe übrigens.
Lukas Stern