Aktuelle Stunde zur Wehrhaftigkeit der Demokratie Nancy Faeser: „Die größte Bedrohung für unsere demokratische Grundordnung ist der Rechtsextremismus“
Jasmin Nimmrich
In einer von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP beantragten Aktuellen Stunde haben Abgeordnete sich entschieden gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gewandt. Die AfD-Fraktion wies die Vorwürfe in der teilweise scharf geführten Debatte als völlig unbegründet zurück.
Der Anlass der Aktuellen Stunde am Donnerstag mit dem Titel „Wehrhafte Demokratie in einem vielfältigen Land – Klare Kante gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne“ war ein Artikel des „Recherche-Kollektivs“ Correctiv vom 10. Januar 2024. Berichtet wurde von Correctiv über ein Treffen in Potsdam, an dem AfD-Politiker, Mitglieder der CDU-nahen Werteunion sowie Unternehmer und Rechtsextremisten teilgenommen haben sollen. Hier soll es dem Bericht zufolge um Pläne für eine massenhafte Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund gegangen sein. Die Aktuelle Stunde wurde auf Bestreben der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP einberufen.
Lars Klingbeil (SPD): „Wir passen auf Euch auf“
Lars Klingbeil (SPD) sicherte den Menschen mit Migrationshintergrund die Sicherheit durch die staatlichen Institutionen zu. Die AfD wolle Millionen Bürger aus der Mitte der Gesellschaft vertreiben, weil sie nicht ihrem völkischen Weltbild entsprächen. „All diesen Menschen sagen wir als demokratische Mitte des Parlamentes in aller Deutlichkeit und Klarheit: Wir passen auf Euch auf!“ Klingbeil betonte, dass die SPD nicht zulassen werde, dass diejenigen Menschen, die maßgeblich zum Erfolg Deutschlands beigetragen hätten, vertrieben werden.
An die AfD-Fraktion und ihre Vorsitzende Alice Weidel gewandt, kritisierte Klingbeil deren Umgang mit den Enthüllungen und beschuldigte sie, die Vorwürfe herunterzuspielen: „Sie sind ein Wolf im Schafspelz. Aber ich sage Ihnen, Ihre Fassade beginnt zu bröckeln.“ Er forderte die AfD-Fraktion dazu auf, die Interessen ihrer Geldgeber öffentlich zu machen. „Warum nutzen Sie nicht heute hier die Möglichkeit im Parlament, die Wahrheit zu den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen, über das, was Sie mit diesem Land vorhaben?“
An die Bürgerinnen und Bürger gerichtet, betonte Klingbeil seine Dankbarkeit für eine klare Positionierung und die Demonstrationen im ganzen Land, die sich klar gegen eine völkische Ideologie und gegen Hass stellten. Eine Gesellschaft, die sich füreinander einsetze, „das ist die Mehrheit der Menschen in diesem Land, das ist das moderne Deutschland (…) und dieses Deutschland werden wir verteidigen“, so Klingbeil.
Thorsten Frei (CDU/CSU): „Diese Demokratie hat Freunde“
Thorsten Frei (CDU/CSU) ging es in der Debatte um nicht weniger als die Wehrhaftigkeit der Demokratie und die Verteidigung der Grundlagen, auf denen der Staat Deutschland errichtet wurde. Er plädierte jedoch auch dafür, dass man sich dessen bewusst werde, dass die AfD, als eine in Teilen gesichert rechtsextreme Partei, in den bundesweiten Umfragen auf Platz zwei der Wahlumfragen stehe. Angesichts der anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg müsse man sich fragen, wann und wie „wir an die Grenzen der Funktionsfähigkeit unseres Parlamentarismus kommen“.
Reine Fantasien und Pläne, wie sie in dem Treffen in Potsdam geäußert wurden, seien nicht das, was Deutschland und seine Gesellschaft zerstören könnten, denn „diese Demokratie hat Freunde“, so Frei. Die staatlichen Institutionen seien stark genug, sich gegen die Angriffe, die von der AfD ausgingen, zu wehren. Was jedoch nicht helfen würde, sei, die Wähler zu beschimpfen für die Wahlergebnisse und -prognosen, die die AfD bundesweit erhalte. Man müsse nach der Ursache für den Unmut schauen. Für den CDU/CSU-Abgeordneten sei dies eindeutig die aktuelle Regierungskoalition, die er für ihre Kommunikation kritisierte und sie beschuldigte, an den Menschen vorbei zu regieren: „Der Ansehensverlust der Politik führt am Ende zu einem Ansehensverlust der Institutionen.“
Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen): „Sie sind demokratisch gewählt, aber sie sind keine Demokraten“
Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte an die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten, die Verfolgung und Vernichtung. Aus diesen Erfahrungen heraus sei das Grundgesetz entstanden mit der obersten Pflicht, die Demokratie und die Würde des Menschen zu verteidigen.
Haßelmann sei froh über die Veröffentlichungen des Rechercheteams Correctiv. Schon lange seien die extremistischen Vernetzungen und Praktiken, die mit der AfD in die Parlamente gekommen seien, spürbar. Mit den Berichten über das Geheimtreffen in Potsdam würden nun jedoch die „barbarischen Pläne einer massenhaften Deportation von Menschen, die deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind“ offenbart. Dazu könne keine Demokratin und kein Demokrat mehr schweigen.
„Sie sind demokratisch gewählt, aber sie sind keine Demokraten“, äußerte sie in Richtung der AfD-Fraktion. In ihrem Handeln und ihren Äußerungen verstießen AfD-Politikerinnen und Politiker gegen das Grundgesetz und die Rechtsordnung der Bundesrepublik. Dies zeuge von einer Verachtung für „unser demokratisches, vielfältiges, menschliches Gesicht“. Es gehe jetzt darum, die Demokratie vor ihren Feinden zu bewahren.
Konstantin Kuhle (FDP): „Wir alle sitzen in einem Boot als demokratische Parteien“
Für Konstantin Kuhle (FDP) stellten die Inhalte der Veröffentlichungen zu dem Treffen in Potsdam eine neue Qualität der Bedrohung dar. Besonders da die AfD selbst die Inhalte ihrer Remigrationspläne lieber geheim gehalten hätte. Mit den Vertreibungsplänen würden neurechte Kampfbegriffe aufgegriffen, mit denen „Rassismus und völkischer Nationalismus“ gesellschaftsfähig gemacht würden. An das restliche Parlament, doch vor allem an die CDU/CSU-Fraktion gewandt, betonte Kuhle wie wichtig es sei, die Gefahren der Demokratie zu benennen und sich nicht kontinuierlich an der Regierungskoalition abzuarbeiten: „Wir alle sitzen in einem Boot als demokratische Parteien, wir müssen das gemeinsam hinbekommen.“
Als Reaktion auf die Veröffentlichungen sei es auch die Pflicht der gewählten Politiker, die irreguläre Migration in den Griff zu bekommen. Deshalb werde noch am selben Nachmittag das Asylrecht verschärft. „Keine Asylrechtsverschärfung und kein Abschiebegesetz wird den Rassisten und völkischen Nationalisten, die sich in Potsdam versammelt haben, jemals genug sein“, gab er zu bedenken. Deswegen sei es die Verantwortung aller Demokraten im Deutschen Bundestag, bei der Migrationsdebatte auf Maß und Mitte zu achten. Die politische Debatte in Deutschland dürfe unter keinen Umständen von der AfD bestimmt werden.
Dr. Bernd Baumann (AfD): „Die Wähler strafen Sie ab“
Dr. Bernd Baumann (AfD) wies die Vorwürfe gegenüber seiner Partei zurück und kritisierte die Arbeit der Regierungskoalition scharf. „Noch nie vorher hat eine Bundesregierung unser Land so vor die Wand gefahren wie diese.“ Die Bürger würden unter explodierenden Preisen für Energie und Lebensmittel, einer akuten Wohnungsnot, kaputten Brücken und maroden Schulen leiden. Die Industrie würde aus Deutschland fliehen, während Asylsuchende hineinströmten. Das Vertrauen in die Politik würde schwinden.
Baumann hob die starke Stellung seiner Partei in Sachsen hervor, wo die AfD in Wahlumfragen deutlich besser als die Regierungsparteien dastehe: „Die Wähler strafen Sie ab!“ Je höher die Umfragewerte würden, desto bösartiger würde die AfD diffamiert. Oftmals vergreife man sich im Ton und bediene sich Beschimpfungen und Fäkalsprache, in Baumanns Augen ein Anzeichen politischer Panik. Die politischen Forderungen der AfD würden im Parlament und durch die Medien verfälscht. Denn die Rückführung oder Remigration aller Migranten, die keinen rechtlichen Anspruch auf einen Verbleib in Deutschland haben, würde von Anfang an von der AfD gefordert werden. „Diese Remigration ist nicht gegen Recht und Verfassung, sie ist die Durchsetzung von Recht und Verfassung“, so Baumann. Das in Rede stehende Treffen bezeichnete Baumann als „kleinen privaten Debattierclub“.
Nancy Faeser (Bundesministerin des Innern und für Heimat): „Die größte Bedrohung für unsere demokratische Grundordnung ist der Rechtsextremismus“
Nancy Faeser (SPD) versicherte, dass der Rechtsextremismus in Deutschland mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft werde. Seit Jahrzehnten sei zu beobachten, wie versucht werde, die Grenzen zwischen demokratisch rechts und rechtsextrem zu verschieben. Hinter Begriffen wie der „Remigration“ stünde nichts anderes als das Bestreben, Menschen zu diskriminieren und zu drangsalieren. Die bekannt gewordenen Pläne der AfD bezeichnete Faeser als „menschenverachtenden Alptraum, den wir alle gemeinsam verhindern müssen und gemeinsam verhindern werden“.
Die sogenannte neue Rechte würde zwar anders aussehen, sich aber in ihrer Ideologie nicht von den Rechtsextremisten unterscheiden, die in der Vergangenheit so viel Leid verursacht hätten. „Die größte Bedrohung für unsere demokratische Grundordnung ist der Rechtsextremismus“, so die Bundesinnenministerin. Dagegen müssten alle Demokratinnen und Demokraten nun gemeinsam stehen und kämpfen.
„Diese Demokratie weiß sich zu wehren!“ Die Möglichkeiten, die genau diese Demokratie gewährleistete, auszunutzen, warf sie der AfD vor. Die Partei nutze die Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus, um gegen das demokratische System und den Parlamentarismus zu hetzen. Doch die Bundesregierung stehe an der Seite all’ derer, die sich durch diese Hetze bedroht fühlten.
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