Selenskyj im Bundestag „Helfen Sie uns, diesen Krieg zu stoppen!“
Eindringlich appelliert der Präsident der Ukraine in seiner Video-Ansprache an die Abgeordneten, sein Land im Kampf gegen Russland zu unterstützen.
Sonderveranstaltung im Deutschen Bundestag: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll an diesem Donnerstagmorgen in einer live übertragenen Video-Botschaft ab 9 Uhr zu den deutschen Parlamentariern sprechen. „In Kyjiw hat es einen Anschlag gegeben, deshalb können wir noch keine Verbindung aufbauen“, erklärt Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt den Bundestagsabgeordneten im voll besetzten Plenarsaal. Auf der Besucher-Tribüne sitzt unter anderem der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk und wartet mit den Abgeordneten.
Katrin Göring-Eckardt: „Wir sehen euch!“
Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dann zugeschaltet wird, stehen alle auf, um ihn mit Applaus zu begrüßen. Dann richtet Katrin Göring-Eckardt das Wort an ihn: „Es ist uns eine Ehre, dass Sie heute zu uns sprechen werden.“
„Dieser neue eiskalte Angriff“ Russlands auf die Ukraine sei „ein Angriff auf die Freiheit, auf die Demokratie“, so die Bundestagsvizepräsidentin. „Mit Entsetzen sehen wir, dass die Russen bewusst zivile Ziele angreifen.“ Schutzlose Menschen würden angegriffen, viele seien gestorben. „Wir sehen euch! Wir sind in Gedanken bei euch“, verspricht Katrin Göring-Eckardt.
An Wolodymyr Selenskyj gewandt sagt sie: „Ihr Land hat sich für die Demokratie entschieden.“ Genau davor habe der russische Präsident Putin Angst – doch mit dem Versuch, die Ukraine einzunehmen, sei er „schon jetzt gescheitert“: „Sie zeigen jeden Tag, wie stark sie sind.“ Göring-Eckardt endet mit den Worten: „Die Welt steht der Ukraine bei. Deutschland steht an Ihrer Seite!“
Präsident Selenskyj: „Manche Schritte kamen zu spät“
„Ich spreche zu Ihnen, während Russland alles zerstört, was wir in der Ukraine aufgebaut haben“, so beginnt Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Ansprache. Er schildert die Situation in seinem Land: Schulen, Krankenhäuser, Kirchen würden angegriffen. „Alles ist für die Russen eine Zielscheibe“, sagt Selenskyj.
Die ukrainischen Soldaten verteidigten nicht nur ihr Land, sondern auch „die Werte, von denen in Europa so viel gesprochen wird: Freiheit, Gleichheit“, so der Präsident. „Aber es ist schwierig für uns ohne Ihre tatkräftige Unterstützung“, appelliert er an die Politikerinnen und Politiker im Saal.
Der Präsident kritisiert, dass der Westen lange nicht auf die Warnungen der Ukraine gehört und seine Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aufrecht erhalten habe. Inzwischen gebe es zwar Sanktionen gegen Russland, aber: „Manche Schritte kamen zu spät.“
Wer der Ukraine jetzt den Beitrag zur Nato und zur EU versagen wolle, der trage zu einer „neuen Mauer durch Europa“, zu einer Spaltung der demokratischen Welt bei, kritisiert Selenskyj.
Der Präsident dankt allen Menschen in Deutschland, die fliehende Ukrainerinnen und Ukrainer unterstützen, Journalisten, die über den Krieg berichten, deutschen Firmen, „die Moral über Profit stellen“ und ihre Wirtschaftsbeziehungen zu Russland abgebrochen haben, und „Politikern, die versuchen, die Mauer zu durchbrechen“. Am Ende appelliert er dringlich an die Anwesenden und insbesondere an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Wir brauchen Hilfe! Helfen Sie uns, diesen Krieg zu stoppen!“
Wie der Krieg begann
Vor drei Wochen hatte Russland die völkerrechtswidrige Invasion in die Ukraine begonnen. Den Befehl dazu gab der russische Präsident Wladimir Putin. Daraufhin drangen russische Soldaten von mehreren Seiten in die Ukraine ein. Seitdem belagern die Besatzer mehrere ukrainische Großstädte, es gibt zahlreiche Meldungen von bombardierten zivilen Einrichtungen wie Wohnblöcken oder Krankenhäusern. Nach Angaben von ukrainischen Behörden soll es Tausende getötete Zivilisten geben. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten bisher mehr als drei Millionen Geflüchtete.
Hier seht ihr die Sonderveranstaltung im Video:
Und hier könnt ihr die Ansprache von Präsident Selenskyj nachlesen.
Abgeordnete verurteilen den Krieg
Schon gestern hatten die Abgeordneten in einer Aktuellen Stunde über die Lage in der Ukraine debattiert. Vertreter aller Fraktionen riefen den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu auf, den Krieg zu beenden.
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) äußerte sich allerdings skeptisch zu den Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine. Wäre Putin ernsthaft an Friedensgesprächen interessierte, würde er nicht zeitgleich Krankenhäuser und Wohngebäude bombardieren, so Baerbock.
Während Johann Wadephul (CDU/CSU) weitere Waffenlieferungen für die Ukraine forderte, gedachte Matthias Moosdorf (AfD) der Opfer „beider Seiten“. Dietmar Bartsch (Die Linke) verurteilte Angriffe auf Russinnen und Russen in Deutschland, die keine Schuld am Krieg trügen.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) berichtete über die Flüchtlingssituation hier in Deutschland und dankte Polen, das schon 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine aufgenommen habe. „Dafür sollten wir unserem Nachbarland dankbar sein.“
Alexander Graf Lambsdorff (FDP) lobte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der sein Land „großartig“ regiere und repräsentiere und im Gegensatz zu Putin Demonstranten und Aktivisten nicht wegsperre.
Hier seht ihr die Aktuelle Stunde im Video:
(jk)