Sicherheit in Europa Wir müssen reden
Laura Heyer
Worte statt Waffen: Mehrmals im Jahr treffen sich Mitglieder aus zahlreichen Parlamenten der Welt im Rahmen der OSZE - und reden. Wie sie damit den Frieden in der Welt sichern wollen und was das mit dem Bundestag zu tun hat, lest ihr hier.
Bonjour, que tal? Great, спасибо! Sechs Sprachen hallen durch den Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Wo sonst die deutschen Abgeordneten in ihren Fraktionen sitzen und über politische Entscheidungen abstimmen, haben sich nun kleine Ländertische gebildet: Spanien sitzt neben Ungarn und Andorra neben Albanien.
300 Abgeordneten, 57 Länder
Französisch, Spanisch, Englisch, Russisch, Italienisch und Deutsch sind die offiziellen Sprachen der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE PV). Vom 7. bis zum 11. Juli fand die 27. Jahrestagung 2018 im Deutschen Bundestag statt.
Jeder Redner, der etwas sagen möchte, kann in einer der zugelassenen sechs Grundsprachen sprechen. Für die Zuhörer wird die Rede von einem Dolmetscher ins Englische übersetzt. Schließlich soll hier jeder alle verstehen.
Dreimal jährlich treffen sich Parlamentarier aus 57 Ländern in diesem Forum für politischen Dialog, beraten über aktuelle Konflikte und Themen wie Terrorismus und diskutieren über die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt. Jede Tagung hat außerdem ein eigenes Thema: In diesem Jahr stand besonders "die Rolle der Parlamente" im Fokus der Debatten.
Reden als Brücke
Aber warum machen die Abgeordneten das? Sie sind Teil der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die sich darum kümmern soll, den Frieden in Europa zu sichern.
Vertreter aus Europa, Russland, den USA und Kanada setzen sich mehrmals im Jahr zusammen und tauschen sich aus. Die Zusammentreffen finden dabei auf ganz verschiedenen Ebenen statt – unter Regierungschefs, Ministern oder eben Abgeordneten. Die Idee dahinter: Wer miteinander spricht, kann die Probleme des anderen verstehen und eine friedliche Lösung bei Konflikten finden.
So versuchten Beobachter der OSZE zum Beispiel im Streit zwischen Russland und der Ukraine um die Halbinsel Krim zu vermitteln. Auch entsendet die OSZE Wahlbeobachter, die prüfen, ob Wahlen nach demokratischen Regeln abgehalten werden.
Entspannung in der Politik
Die OSZE gibt es bereits seit 1975. Damals hieß sie noch "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) und diente der besseren Verständigung zwischen dem damaligen Ostblock und den Westmächten. Nach dem Zweiten Weltkrieges hatte sich zwischen den USA im Westen und Russland im Osten ein Wettstreit um die Vorherrschaft in der Welt entwickelt samt Aufrüstung auf beiden Seiten auch mit Atomwaffen - der sogenannte Kalte Krieg. In den 1970er Jahren entspannte sich die Lage langsam. Statt neue Waffen zu kaufen und sich weiter abzuschotten, wollten viele Staaten lieber miteinander ins Gespräch kommen – für mehr Sicherheit zwischen den Ländern.
Einer für alle und alle für einen
In der Politikwissenschaft nennt man diese Idee "System der kollektiven Sicherheit". Kollektiv, also gemeinschaftlich, ist diese Form der Sicherheit unter Staaten, weil jeder für den anderen einstehen soll: Einer für alle, und alle für einen also. Anstatt gegeneinander Krieg um Macht und Ressourcen zu führen, spricht man über Probleme, handelt miteinander und schützt sich gegenseitig. Kein Staat kann dabei mehr Rechte oder Pflichten beanspruchen als ein anderer. Und alle müssen gemeinsamen, schriftlich festgehaltenen Regeln zustimmen. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn alle Teilnehmer ähnliche Vorstellungen von Frieden haben.
Dialog der Parlamentarier
Die Parlamentarische Versammlung ist eine besondere Institution der OSZE – ähnlich einem Treffen aller Klassensprecher einer Schule. So wie jede Klasse eine Gruppe von Vertretern schickt, um mit den anderen über wichtige Probleme zu sprechen, so kommen Parlamentarier aus den Teilnehmerstaaten regelmäßig zusammen, um sich über Fragen der OSZE auszutauschen. Seit 1991 schickt jedes Land eine sogenannte Delegation, eine Gruppe von Abgeordneten. Aktuell sind aus dem Deutschen Bundestag 13 Parlamentarier dabei –unter der Leitung von Doris Barnett (SPD) (Laura hat mit ihr gesprochen).
Fünf Tage, drei Ausschüsse
Plenum, Ausschuss, Mittagessen in den Arbeitsgruppen – die fünf Tage in Berlin bei der 27. Jahrestagung der OSZE PV waren gut gefüllt. Dreimal trafen sich die über 300 Abgeordneten in großer Runde im Plenum – den Blick auf die Flaggen der 57 Teilnehmerländer gerichtet, die hinter dem Rednerpult aufgestellt waren. Daneben gab es kleinere Ausschüsse, zum Beispiel zu Themen wie Wissenschaft und Umwelt oder Demokratie und Menschenrechten.
Aktuelle Konflikte
Die Abgeordneten der Länder brachten dabei Anträge zur Diskussion ein. So ging es um ein gemeinsames Vorgehen gegen Menschenhandel, die Situation von minderjährigen Flüchtlingen oder die Frage, wie man die Folgen von Kriegen für die Umwelt gemeinsam bekämpfen kann. Auch aktuelle Konflikte zwischen Armenien und Aserbaidschan oder Russland und der Ukraine wurden diskutiert.
Bunte Stimmzettel
Mit Stimmzetteln in rosa, weiß oder mit der Landesflagge darauf konnten die Teilnehmer ihre Zustimmung oder Ablehnung zu einem Antrag deutlich machen. Am Ende beschlossen sie sogenannte Resolutionen: In diesen Schriftstücken formulierten alle Teilnehmer ein gemeinsames Ziel oder eine Handlungsidee.
"Die Abgeordneten nehmen das Papier mit in ihre Parlamente, und es wird darüber diskutiert. Dadurch kann dann Einfluss genommen werden auf die Arbeit der Parlamente und der Regierungen und das bewirkt, dass man sich mit wichtigen Fragen befasst, zum Beispiel Abrüstung", erläuterte Doris Barnett die Arbeit der OSZE PV.
Sprecht miteinander!
Zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten alle Länder daher ein gemeinsames Dokument mit den Ergebnissen der Versammlung. In dieser "Berliner Erklärung" betonten die Teilnehmerländer die Rolle der Parlamente als Foren für den Austausch und gaben ihren Regierungen Empfehlungen mit. So sprachen sie sich für eine internationale Lösung in der Flüchtlingsfrage aus und forderten eine Überwachung dieser Regeln durch die Parlamente.
"Es kann hier gelingen, Gesprächsfäden zu erhalten und neu zu knüpfen, gerade wenn die Regierungen feststecken", sagte Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble (CDU). Es sei wichtig, die Perspektiven des anderen einzunehmen. Gerade in Zeiten, in denen es wieder mehr Konflikte in der Welt gebe, sei es wichtig sich gegenseitig zu verstehen.
Laura Heyer
Laura Heyer
hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.